Urteil des AG Siegburg vom 31.03.2010

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Amtsgericht Siegburg, 111 C 10/10
Datum:
31.03.2010
Gericht:
Amtsgericht Siegburg
Spruchkörper:
111. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
111 C 10/10
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der restlichen
Vergütungsforderung des Sachverständigenbüros T und K, P Straße,
xxxxx H, aus der Rechnung 623/2009 in Höhe von 123,04 €
freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 01.01.2009
in ####1 O ereignet hat. Bei der Beklagten handelt es sich um den aufgrund der
Mithaftung des Klägers nur zu 50 % eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer der
Unfallgegnerin. Mit Fax vom 08.06.2009 übersandte der Kläger der Beklagten einen
Kostenvoranschlag der Firma M, in dem die erforderlichen Reparaturkosten auf 1.628,- €
beziffert worden sind. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23.06.2009 mit,
dass sie das Sachverständigenbüro mit der Beweissicherung beauftragt habe. Am
26.06.2009 beauftragte der Kläger das Sachverständigenbüro T und K mit der
Schadensermittlung. In der Folgezeit erstattete dieses Sachverständigenbüro ein
Gutachten, in dem die erforderlichen Reparaturkosten auf 994,18 € beziffert wurden. Auf
Basis dieses Gutachtens wurde der Schaden des Klägers zu 50 % reguliert. Für das
Gutachten wurden dem Kläger von dem Sachverständigenbüro T und K auf Basis eines
Mindestgrundhonorars i.H.v. 155,- € ein Betrag i.H.v. 246,09 € in Rechnung gestellt.
Wenn das Sachverständigenbüro T und K damit beauftragt worden wäre, nur die Hälfte
des Schadens zu ermitteln, wäre kein geringeres Honorar angefallen. Auf die Rechnung
dieses Sachverständigenbüros i.H.v. 246,09 € zahlte die Beklagte 123,05 €.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, ihn von einer restlichen Vergütungsforderung des
Sachverständigenbüro T und K aus der Rechnung 623/2009 in Höhe von
123,04 € freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, die Einholung des Sachverständigengutachtens sei nicht
notwendig gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen und auf das
Sitzungsprotokoll vom 24.03.2010 verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von der restlichen
Vergütungsforderung des Sachverständigenbüros T und K in Höhe von 123,04 € gemäß
den §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG.
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Die anteilige Haftung der Beklagten zu 50 % wegen des Verkehrsunfalls vom
01.01.2009 in O ist dem Grunde nach unstreitig.
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Dem Kläger ist durch diesen Verkehrsunfall aufgrund der Einholung eines
Sachverständigengutachtens ein Schaden i.H.v. 246,09 € entstanden.
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Der Schädiger hat die Kosten eines vom Geschädigten zur Schadensfeststellung,
insbesondere zur Bestimmung der Schadenshöhe eingeholten
Sachverständigengutachtens zu ersetzen, soweit dieses aus Sicht des Geschädigten im
Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist
(BGH NJW 2007, 1450; Oetker, in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage 2006, § 249
Rn. 371). Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender
Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines
Sachverständigen für geboten erachten durfte (BGH NJW 2005, 356). Auch bei Kfz-
Unfällen darf der Geschädigte einen Sachverständigen hinzuziehen und zwar auch
dann, wenn bereits der Schädiger einen beauftragt hat (Grüneberg, in: Palandt, BGB,
69. Auflage 2010, § 249 Rn. 58). Die Kosten für einen Sachverständigen sind nur dann
nicht erforderlich und damit nicht erstattungsfähig, wenn ein offensichtlicher
Bagatellschaden bis ca. 700,- € vorliegt; in derartigen Fällen genügt ein
Kostenvoranschlag durch eine Kfz-Werkstatt (BGH NJW 2005, 356; Grüneberg, aaO, §
249 Rn. 58).
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Nach diesen Grundsätzen durfte der Kläger die Einholung eines
Sachverständigengutachtens für erforderlich halten. Die Beklagte hat den Schaden nicht
sofort aufgrund des von dem Kläger vorgelegten Kostenvoranschlags der Firma M
reguliert. Stattdessen wollte die Beklagte zur Beweissicherung veranlassen, dass der
Unfallwagen besichtigt wird. Aus Sicht des Klägers durften berechtigte Zweifel an der
Höhe der in dem Kostenvoranschlag auf 1.628,- € netto bezifferten Reparaturkosten
bestehen. Denn in dem später eingeholten Sachverständigengutachten wurden die
Reparaturkosten auf lediglich 994,18 € netto beziffert. Im Hinblick darauf und auf die
beabsichtigte Beweissicherung der Beklagten war es aus Sicht des Klägers geboten,
einen Sachverständigen zu beauftragen. Die erforderlichen Reparaturkosten wurden
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sowohl im Kostenvoranschlag, als auch im Sachverständigengutachten auf über 700,- €
veranschlagt, so dass kein Bagatellschaden vorgelegen hat.
Für das Sachverständigengutachten wurden dem Kläger unstreitig 246,09 € in
Rechnung gestellt. Der Kläger kann Freistellung von dieser Rechnung in voller Höhe
verlangen, obwohl die Beklagte für den Verkehrsunfall vom 01.01.2009 nur zu 50 %
haftet. Dies entspricht den Grundsätzen der Differenztheorie, nach der der Schädiger
dem Geschädigten das schuldet, was der Geschädigte aufwenden muss, um den
ursprünglichen Zustand wieder herzustellen (Poppe DAR 2005, 669). Im Gegensatz zu
den Schadenspositionen, die im Falle einer Mithaftung des Geschädigten quotiert
werden müssen, wie bspw. Reparaturkosten, fallen Sachverständigenkosten überhaupt
nicht an, wenn der Geschädigte den Unfall vollständig selbst verursacht hat (Poppe
DAR 2005, 669). Denn bei den Kosten, die durch die Einholung eines
Sachverständigengutachtens entstehen, handelt es sich um Rechtsverfolgungskosten.
Diese Kosten dienen ausschließlich dazu, den aufgrund der jeweiligen Haftungsquote
erstattungsfähigen Anteil des dem Geschädigten entstandenen Gesamtschadens von
dem Schädiger ersetzt zu bekommen. Die Sachverständigenkosten sind deswegen
nicht wie der Gesamtschaden des Geschädigten zu quotieren, da sie erst dann
entstehen, wenn der Geschädigte seinen erstattungsfähigen Anteil des
Gesamtschadens gegenüber dem Schädiger beziffern und belegen muss. Dieses
Ergebnis entspricht der Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit andere
Rechtsverfolgungskosten, insbesondere Anwaltskosten, bei einer anteiligen Mithaftung
des Geschädigten ersatzfähig sind. Der Gegenstandswert, nach dem die Anwaltskosten
zu berechnen sind, richtet sich nach dem Anteil an dem Gesamtschaden, der aufgrund
der Haftungsquote von dem Geschädigten ersetzt verlangt werden kann. Die
Anwaltskosten werden also im Falle einer fünfzigprozentigen Mithaftung nicht nach dem
Gesamtschaden berechnet und dann halbiert. Stattdessen werden sie nach dem
geringeren Gegenstandswert berechnet, und dann in voller Höhe ersetzt. Für die
Gutachtenkosten ist dabei zu beachten, dass diese nach den Angaben des
Prozessbevollmächtigten des Klägers nach der Höhe des Gesamtschadens und damit
ebenso wie die Anwaltskosten nach dem Wert berechnet werden. Es kann jedoch
dahinstehen, ob nach einem Verkehrsunfall auch dann ein in Relation zur
Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher
Herstellungsaufwand i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB erstattet verlangt werden kann (so für den
Fall einer uneingeschränkten Haftung des Schädigers BGH NJW 2007, 1450), wenn der
Geschädigte anteilig mithaftet. Denn im vorliegenden Fall wurde von dem
Sachverständigenbüro T und K unstreitig nur ein Grundhonorar i.H.v. 155,- € angesetzt,
das auch bei einer Abrechnung auf Basis des hälftigen Reparaturaufwands angefallen
wäre.
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Da die Beklagte auf die Sachverständigenkosten i.H.v. 246,09 € lediglich einen Betrag
i.H.v. 123,05 € bezahlt hat, ist eine Differenz i.H.v. 123,04 € zur Zahlung offen geblieben.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung wird nicht zugelassen. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche
Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 511 Abs. 4
ZPO.
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Streitwert: 123,04 € (§§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO)
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