Urteil des AG Senftenberg vom 14.03.2017

AG Senftenberg: haftung für hilfspersonen, unbewusste fahrlässigkeit, montage, vollstreckung, haftpflichtversicherer, markt, gerätschaften, vermieter, regress, nebenkosten

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Gericht:
AG Senftenberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 C 132/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 276 BGB, § 278 Abs 1 BGB, §
280 Abs 1 BGB
Wohnraummiete: Haftung des Mieters für Wasserschaden durch
Installation einer ungeeigneten Mischbatterie
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit von 110 % des zur Vollstreckung kommenden
Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin vermietete Wohnraum in … an die Beklagte. Im Rahmen dessen
vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte gewisse Nebenkosten zu tragen hat, so
auch die Kosten für die Gebäudeversicherung. Eine solche besteht auch für das
Mietobjekt.
Am 24.02.2008 kam es im Rahmen des Einzugs der Beklagten zwischen 12.00 Uhr und
14.00 Uhr zu einem Wasserschaden an dem Mietobjekt, der folgende Ursache hatte: Die
Beklagte plante, in der Küche dem bereits vorhandenen Boiler eine Mischbatterie
vorzuschalten. Mit der Durchführung dieser Maßnahme beauftragte sie ihren Vater.
Dieser erwarb in einem Baumarkt einen ausweislich der Montageanleitung zum
Selbsteinbau durch den Endverbraucher konzipierten Einhebelmischer des Typs Budget,
der von einer KIG Import GmbH in den Verkehr gebracht wurde. Der Vater der Beklagten
baute das Gerät auch ein. Allerdings war die Mischbatterie für den konkreten Einsatz
ungeeignet, es hätte eine Niederdruckbatterie verwendet werden müssen. In der
Montage- und Gebrauchsanleitung, wegen deren genauen Inhalts auf Bl. 66 bis 70 d. A.
verwiesen wird, findet sich allerdings kein entsprechender Warn- oder sonstiger Hinweis.
In Abwesenheit der Beklagten und ihres Vaters platze der Boiler, so dass über mehrere
Stunden Wasser in die Wohnung lief. Hierdurch wurde ein neu verlegter Laminat-
Fußboden komplett zerstört, und zwar einschließlich der darunter befindlichen Schall-
und Wärmedämmung. Weiterhin wurden der Boiler und die Anschlüsse der Armaturen
zerstört. Insgesamt erforderte die Schadensbeseitigung einen Aufwand von 3.133,35 €.
Die Gebäudeversicherung erstattete der Klägerin einen Betrag von 2.133,35 €.
Mit Schreiben vom 11.06.2008 forderte die Klägerin den Haftpflichtversicherer der
Beklagten auf, den Betrag von 1.000,00 € zum 25.06.2008 zu erstatten. Mit Schreiben
vom 27.08.2008 und unter Fristsetzung zum 15.09.2008 richtete die Klägerin ein
entsprechendes Ansinnen an die Beklagte selbst. Mit Schreiben vom 02.09.2008 lehnte
der Haftpflichtversicherer der Beklagten eine Zahlung ab. Mit Schreiben vom 24.10.2008
forderten von der Klägerin beauftragte Rechtsanwälte den Pflichtversicherer erneut zur
Zahlung auf. Jener wiederholte seine Ablehnung mit Schreiben vom 04.11.2008.
Die Klägerin trägt vor:
sie sei Erbbauberechtigte des Grundstücks, auf dem sich die vermieteten Räume
befinden;
sie habe mit dem Gebäudeversicherer einen Selbstbehalt von 1.000,00 € vereinbart,
weshalb nicht der gesamte Schaden ersetzt worden sei;
eine solche Selbstbeteiligung führe zu einer geringeren Prämie und damit zu geringeren
Nebenkosten für die Beklagte als Mieter;
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die Gebäudeversicherung habe sie - die Klägerin selbst - abgeschlossen, und nicht eine
von ihr personenverschiedene „Firma …“.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.000,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 %-
Punkten über dem Basiszins seit dem 15.09.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Sie trägt vor:
für ihren Vater sei nicht erkennbar gewesen, dass die eingebaute Mischbatterie für den
Boiler gänzlich ungeeignet sein solle;
eine Betriebs- und Montageanleitung habe nicht beigelegen;
nach Einbau der Mischbatterie habe sie - die Beklagte - noch abgewaschen, ohne dass
für sie ein Schaden erkennbar gewesen sei.
Sie meint:
die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung stelle ggf. eine Verletzung im mietvertraglicher
Pflichten der Klägerin dar;
sie müsse sich ein Handeln ihres Vaters allenfalls nach dem „Repräsentantenprinzip“
zurechnen lassen, dessen Voraussetzungen aber hier nicht erfüllt seien.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht nicht gemäß §§ 280 Abs. 1, 278 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf
Schadensersatz in Höhe von 1.000,00 € zu.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin Erbbauberechtigte war und ihr also
selbst ein Schaden entstanden ist. Denn jedenfalls fehlt es an einem schuldhaften
Handeln der Beklagten oder ihres Vaters.
Allerdings geht das Gericht in diesem Zusammenhang davon aus, dass ein etwa
schuldhaftes Handeln ihres Vaters der Klägerin gemäß § 278 Abs. 1 BGB zuzurechnen
ist. Soweit die Beklagte meint, sie hafte im vorliegenden Fall für Dritte nur nach dem
„Repräsentantenprinzip“, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Eine
Anwendung dieses Prinzips wird nämlich nur bejaht beim Regressprozess des
Versicherers gegen den Mieter, und zwar mit der Erwägung, der Versicherungsvertrag
zwischen Versicherer und Vermieter enthalte einen konkludenten Verzicht des
Versicherers, den Mieter in bestimmten Fällen in Regress zu nehmen. Dann sei der
Mieter aber so zu stellen, als sei er selbst gegenüber dem Versicherer des Vermieters
versichert. Wäre dies der Fall, so könnte der Versicherer den Mieter selbstverständlich
nicht in Regress nehmen, sondern er müsste gemäß § 1 VVG Ersatz leisten. Allenfalls
könnte er sich auf eine Obliegenheitsverletzung des Mieters berufen. Die Haftung für
Hilfspersonen würde sich dann nach den hierzu entwickelnden Grundsätzen der
Repräsentantenhaftung richten (vgl. BGH NJW 2007, 3712 (3714)). Im Entscheidungsfall
geht es indessen nicht um Obliegenheitsverletzung gegenüber einem Versicherer,
sondern um Pflichtverletzungen gegenüber dem Vermieter.
Aber auch nach dieser für die Klägerin günstigeren Zurechnungsvorschrift des § 278
Abs. 1 BGB findet keine Haftung der Beklagten statt, da der Vater der Beklagten nicht
vorsätzlich oder fahrlässig gemäß § 276 Abs. 1, Abs. 2 BGB gehandelt hat.
Für ein vorsätzliches Handeln findet sich kein Sachvortrag. Auch eine bewusste
Fahrlässigkeit, bei der der Vater der Beklagten mit dem möglichen Eintritt des
schädlichen Erfolgs gerechnet, aber fahrlässig darauf vertraut hat, der Schaden werde
nicht eintreten (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 276 Rn. 12), ist dem Sachvortrag
der Parteien nicht zu entnehmen. Dieser ergibt schließlich keine Anhaltspunkte für eine
unbewusste Fahrlässigkeit, bei der der Handelnde den möglichen Eintritt des schädlichen
Erfolgs nicht erkannt hat, ihn aber bei gehöriger Sorgfalt hätte voraussehen und
verhindern können (vgl. Palandt-Heinrichs aaO.).
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Bei der eingebauten Mischbatterie handelt es sich um ein Gerät zur Selbstmontage, das
in einem Baumarkt, also in einem Markt für Endverbraucher, angeboten wurde.
Demnach darf auch ein Endverbraucher darauf vertrauen, dass sich ein solches Gerät
einbauen lässt, wenn er sich an die Montagevorschriften hält. Die gesamte Montage ist
dabei betont einfach konzipiert; es ist letztlich nur ein passendes Loch für eine Schraube
zu bohren, d. h. es wird gerade der Laie angesprochen. Die Montagevorschriften lassen
indessen keinen Schluss darauf zu, dass das Gerät nicht für eine Montage bei Bestehen
eines Durchlauferhitzers ungeeignet ist. Vielmehr findet sich in der gesamten Montage-
und Gebrauchsanleitung kein solcher Hinweis, auch nicht andeutungsweise. Da ein
Durchlauferhitzer auch keine derart ungewöhnliche Sanitärinstallation darstellt, muss ein
Endverbraucher auch nicht damit rechnen, dass Mischbatterien für einen
Durchlauferhitzer unter Umständen ungeeignet sein können, und zwar unabhängig
davon, ob sich der Vater der Beklagten nach einem geeigneten Gerät erkundigt hat, wie
die Beklagte vorträgt. Wurde ihm nämlich das Gerät als für einen Durchlauferhitzer
geeignet veräußert, kommt erst recht keine Vorhersehbarkeit in Betracht. Der Vater der
Beklagten brauchte bei einem üblicherweise zur Selbstmontage angebotenen Gerät
nicht eine Fachkraft zu Rate zu ziehen und auch nicht damit zu rechnen, dass auf der
Montage- und Gebrauchsanleitung ein - hier durchaus gebotener - Warnhinweis fehlt
(vgl. auch zum Ausschluss grober Fahrlässigkeit bei für Laien unverständlichem
Warnhinweis: OLG Frankfurt/Main NJOZ 2009, 810).
Bei seiner rechtlichen Würdigung hat sich das Gericht auch von folgender
„Kontrollüberlegung“ leiten lassen:
Vermieterseits wurde offensichtlich keine entsprechende Armatur gestellt. Das
Anbringen einer solchen stellt sich ebenso dar wie das Anschließen sonstiger technischer
Gerätschaften, die zum Wohngebrauch gehören, ohne dass man sich hierzu eines
„Fachmanns“ bedienen muss. Haben solche Gerätschaften einen Produktionsfehler, den
der Mieter nicht erkennen konnte und der zu einem Schaden führt, so liegt offenkundig
keine Fahrlässigkeit vor. Besteht - wie hier - der Fehler in der Montageanleitung gemäß §
434 II S. 2 BGB, so kann nichts anderes gelten, wenn es sich nicht um Eingriffe in die
Statik, oder in die Gebäudesubstanz oder um sonstige kompliziertere Tätigkeiten
handeln, für die gemeinhin ein Fachwissen verlangt wird. Werden auf dem Markt aber
Geräte zur einfachen Selbstmontage für Laien angeboten - wie vorliegend der Fall -, so
handelt es sich eben nicht um derartige Eingriffe, für die die genannte Einschränkung
gelten kann.
Unter diesem Gesichtspunkt - fehlende Ausstattung der Mieterordnung - kommt sogar
in Betracht, dass es schon an einer Pflichtverletzung der Beklagten fehlt; ein näheres
Eingehen erübrigt sich jedoch auf Grund fehlender Schuldhaftigkeit.
An dem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, wenn - so der zeitweilige Sachvortrag der
Beklagten - überhaupt keine Montage- und Gebrauchsanleitung vorlag. Enthielt die
zugehörige Anleitung keinen solchen Warnhinweis, so fehlt es an Kausalität; der Vater
der Beklagten hätte - ohne dass ihm ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden könnte
- bei Vorlage der Anleitung ebenso gehandelt.
Des Weiteren kommt auch kein fahrlässiges Verhalten der Beklagten selbst in Betracht.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihr die Ungeeignetheit der Mischbatterie nicht
aufgefallen sei, sie habe noch Geschirr abgespült, ohne dass es Auffälligkeiten gegeben
habe. Die Klägerin bestreitet dies zwar. Dem klägerischen Sachvortrag ist jedoch nicht
zu entnehmen, dass sich für die Beklagte der eintretende Wasserschaden bereits
erschließen musste und sie durch ihr Verhalten diesen noch hätte verhindern können.
Auf die Frage, ob sich die Beklagte ggf. mit Erfolg darauf berufen könnte, ein klägerischer
Anspruch sei wegen Verletzung eigener Treuepflichten durch Abschluss einer
Gebäudeversicherung nur mit Selbstbeteiligung ausgeschlossen, kommt es somit nicht
an, wobei das Gericht zu diesen Punkten allerdings der klägerischen Rechtsauffassung
zuneigt.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: bis 1.200,00 €
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