Urteil des AG Seligenstadt vom 17.01.2008

AG Seligenstadt: brasilien, gerichtliche trennung, faktische trennung, einkommen aus vermögen, ex tunc, getrennt leben, internationale zuständigkeit, eheliche gemeinschaft, scheidungsverfahren

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Gericht:
AG Seligenstadt
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
32 F 695/05 - S, 32
F 695/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 261 Abs 3 Nr 1 ZPO, Art 14
Abs 1 Nr 2 BGBEG, Art 17 Abs
1 BGBEG, Art 3 Abs 1 Buchst a
EGV 44/2001, Art 6 Buchst a
EGV 44/2001
Scheidung einer der Ehe doppelstaatsangehöriger
Ehegatten brasilianischer Herkunft mit letztem
gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden:
Internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts trotz
Rechtshängigkeit eines Ehetrennungsverfahrens in
Brasilien; Bestimmung des anwendbaren Rechts und
Voraussetzungen einer direkten Ehescheidung
Tenor
Die Anträge werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Antragstellerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragstellerin wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110
% des jeweils aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht
der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: Euro 16.250,–
Tatbestand
Die Antragstellerin hat die deutsche und die brasilianische, der Antragsgegner die
italienische und die brasilianische Staatsangehörigkeit. Die Antragstellerin
beantragt mit am 22.12.2005 eingegangenem und am 07.02.2006 zugestellten
Antrag u. a. die Scheidung der Ehe.
Am 02.04.1988 heirateten sie in Kanada, wobei der Antragsgegner zu dieser Zeit
noch verheiratet war.
Am 24.11.1997 schlossen sie vor dem 31. Urkundennotariat in Rio de Janeiro einen
Ehevertrag. Am 25.11.1997 heirateten sie nochmals in Brasilien und lebten seither
in verschiedenen Ländern, zuletzt in den Niederlanden, wo der Antragsgegner
heute noch lebt und arbeitet.
Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor.
Im Februar 2004 verbrachten die Parteien einen gemeinsamen Skiurlaub. Am
03.03.2004 reiste die Antragstellerin nach Brasilien.
Im März 2005 reichte der Antragsgegner vor einem brasilianischen Gericht einen
Antrag auf gerichtliche Trennung ein, im September 2006 erfolgte die
Umwandlung in ein Scheidungsverfahren, wobei streitig ist, ob eine Zustellung
erfolgte
Die Antragstellerin ist der Ansicht, das Amtsgericht Seligenstadt sei international
und örtlich zuständig. Sie behauptet, seit 12.11.2004 in Seligenstadt aufenthältlich
zu sein.
Sie behauptet, sie lebe von dem Antragsgegner spätestens seit Februar 2004
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Sie behauptet, sie lebe von dem Antragsgegner spätestens seit Februar 2004
getrennt. Ab Ende 2003 hätten die Parteien nicht mehr miteinander geschlechtlich
verkehrt. In diesem Jahr habe sie unter Depressionen und seelischen
Erschöpfungszuständen gelitten, was letztlich auch erkläre, warum sie den
Antragsgegner gegen ihren Willen in den Skiurlaub im Februar 2004 begleitet und
davon abgesehen habe, das gemeinsame Schlafzimmer zu verlassen. Jedenfalls
habe der Antragsgegner sie in der 2. Februarhälfte mit einem Messer bedroht. Sie
habe daraufhin juristischen Rat eingeholt.
Sie meint, aufgrund ihrer Wohnsitznahme sei das Scheidungsbegehren nach
deutschem, hilfsweise jedoch nach niederländischem Recht begründet.
Sie beantragt die Durchführung des Versorgungsausgleichsverfahrens, wobei die
der Auffassung ist, für den Beginn der Ehezeit sei der 02.04.1988 maßgebend.
Die Antragstellerin beantragt,
I. Die am 25.11.1997 vor dem 5. Standesamtsbezirk des Zivilregisters für
natürliche Personen/Rua Djalma Ulrich 154 - 2. - 5. und 7. Etage,
Verwaltungsbezirk-Hauptstadt/Gemeinde von Lagoa und Gaweja, Brasilien, zum
Aktenzeichen 343-B, Blatt 217 unter der Eheschließungsnummer 36569 des
Personenstandsbuches in diesem Standesamtsarchiv geschlossene Ehe der
Parteien wird geschieden.
II. Hilfsweise zu I.
Die am 25.11.1997 vor dem 5. Standesamtsbezirk des Zivilregisters für
natürliche Personen/Rua Djalma Ulrich 154 - 2. - 5. und 7. Etage,
Verwaltungsbezirk-Hauptstadt/Gemeinde von Lagoa und Gaweja, Brasilien, zum
Aktenzeichen 343-B, Blatt 219 unter der Eheschließungsnummer 36569 des
Personenstandsbuchs in diesem Standesamtsarchiv geschlossene Ehe der
Parteien wird getrennt.
III. Es wird festgestellt, dass die am 02.04.1988 vor dem
Eheschließungsbeamten der Provinz von British Columbia zu Nr. 40 ... unleserlich
... 0116 geschlossene Ehe der Parteien nichtig ist.
IV. Der Versorgungsausgleich wird durchgeführt.
Sie beantragt darüber hinaus in der Folgesache Unterhalt,
der Antragsgegner wird verurteilt,
I.
vollständig und schriftlich Auskunft zu erteilen,
a) über sein Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit für den Zeitraum
November 2003 bis Oktober 2004
aa) für den zu 1 a.) genannten Zeitraum für jeden Monat Einzelbelege
vorzulegen, die im einzelnen die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche
Zusammensetzung erkennen lassen müssen; soweit ein Kodierungsschlüssel den
Einzelbelegen zugrundeliegt ist dieser in gut lesbarer Form ebenfalls vorzulegen;
soweit Sachleistungen bezogen wurden, sind diese vollständig zu bezeichnen und
durch geeignete Unterlagen zu dokumentieren.
b. über sein Einkommen aus selbständiger Arbeit für den Zeitraum 2001, 2002
und 2003.
bb. für den zu 1 b.) genannten Zeitraum für jedes einzelne Jahr, soweit eine
steuerliche Verpflichtung besteht, folgende Unterlagen im Original – hilfsweise: als
anwaltlich beglaubigte Kopie – vorzulegen:
– Bilanzen des bzw. der Unternehmen an denen Beteiligungen bestehen;
– dazugehörige Kontenstellennachweise
– diesbezügliche Gewinn- und Verlustberechnungen
– dazugehörige Kontenstellennachweise
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– diesbezügliche Lageberichte
– diesbezügliche rechtskräftige Gewinnfeststellungsbescheide
– Einnahmeüberschußberechnungen
– soweit Einzelveranlagung durch den Beklagten gewählt wurde oder wird,
durch Vorlage der rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheide.
c. über sein Einkommen aus Vermögen für den Zeitraum 2001, 2002 und 2003
durch Vorlage eines geordneten Vermögensverzeichnisses in dem die einzelnen
Vermögenswerte ausführlich beschrieben angegeben werden.
cc. für den zu 1 c.) genannten Zeitraum für jedes einzelne Jahr geeignete
Belege, die die Auskunft dokumentieren, vorzulegen. Insbesondere:
– Depotabrechnungen
– Dividendenbescheinigungen
– Sparzinsbestätigungen von Banken bzw. Sparkasseninstituten
– steuerberaterlich testierte, geordnete Zusammenstellungen über
Einnahmen und Ausgaben aus Miete und/oder Verpachtungen
– Durch Vorlage der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002, 2001 und
2000 ersatzweise 2001, 2000 und 1999.
– Abrechnungen über gekaufte + verkaufte Kunst- und sonstige
Wertgegenstände.
2. Der Übergang zum Antrag
Der Beklagte wird verurteilt, an Eides Statt vor dem für seinen Wohnsitz
zuständigen Amtsgericht bzw. vor dem für ihn zuständigen Rechtspfleger zu
versichern, daß die von ihm erteilten Auskünfte bzw. vorgelegten Unterlagen mit
der erforderlichen Sorgfalt gemacht bzw. vorgelegt wurden und dass die Auskünfte
und vorgelegten Belege nach bestem Wissen so vollständig gemacht und
vorgelegt wurden, als er dazu im Stande ist.
Die Antragstellerin beantragt im Übrigen,
im Falle der Abweisung des Scheidungsantrages ihr die
Geltendmachung von Ehegattenunterhalt vorzubehalten.
Der Antragsgegner anerkennt den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der in
British Columbia geschlossenen Ehe und beantragt im Übrigen,
Abweisung der Anträge.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, das Amtsgericht sei nicht zuständig. Die
Voraussetzungen für die Ehescheidung unterlägen brasilianischem Recht. Daher
sei der Scheidungsantrag bei Einreichung nicht möglich gewesen.
Er meint, der Antrag auf gerichtliche Trennung sei wegen des von ihm am 11.03.05
in Brasilien gestellten Antrages, der Scheidungsantrag wegen seines in Brasilien
anhängigen Scheidungsantrages unzulässig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den zu Darlegungs- und
Beweiszwecken beigefügten Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 26.06.2006. Hinsichtlich
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten des Max-Planck-
Instituts vom 29.08.06 (Bl. 126 ff. d.A.) und 02.04.2007 (Bl. 188 ff. d.A.) Bezug
genommen
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Scheidung der Ehe ist zulässig.
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Zweifel an der Prozessfähigkeit der Antragstellerin hat das Gericht aufgrund des
persönlichen Eindrucks, welchen es sich nicht nur in dem anhängigen
Scheidungsverfahren verschaffen konnte, nicht.
Das Amtsgericht ist international zuständig. Die Antragstellerin hatte bei
Antragstellung seit mindestens einem Jahr ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
und der Antragsgegner lebt in den Niederlanden (Art. 6 a), Art. 3 I Sp. 5 der EG-
VO Nr. 2201/2003).
Die Antragstellerin hat durch Vorlage ihres deutschen Personalausweises in der
mündlichen Verhandlung vom 22.12.2005 im Verfahren 2 F 450/05 EAUE u. EAPKV
nachgewiesen, in Seligenstadt ihren inländischen Wohnsitz zu haben. Sie meldete
sich spätestens am 15.11.2004 in Seligenstadt an, wie sich aus dem
Ausstellungsdatum des Personalausweises ergibt. Auch der Umstand, dass sie
sich bei einer Deutschen Versicherung krankenversichert hat, was sich aus der
Vorlage der Allianz-Card im Termin vom 22.12.05 ergibt, spricht hierfür.
Das Amtsgericht Seligenstadt ist örtlich zuständig nach § 606 II 2 ZPO, da der
Antragsgegner in Holland lebt und die Antragstellerin in Deutschland ihren
gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
Der Zulässigkeit des Scheidungsantrages steht eine doppelte Rechtshängigkeit
durch das vom Antragsgegner in Brasilien eingeleitete Trennungs- und
Scheidungsverfahren nach § 261 III Nr. 1 ZPO nicht entgegen.
Hinsichtlich des ursprünglichen Antrages des Antragsgegners auf Trennung
handelt es sich nicht um identische Streitgegenstände, so dass die Gefahr
widersprechender Entscheidungen brasilianischer und deutscher Gerichte nicht
besteht.
Trennungs- und Scheidungsverfahren bilden unterschiedliche Streitgegenstände.
Dies folgt nicht nur aus den unterschiedlichen Anträgen in solchen Verfahren. Auch
die Folgen entsprechender Entscheidungen sind unterschiedlich. Insoweit kann auf
das nachvollziehbare Gutachten des Max-Planck-Instituts vom 29.08.2006
verwiesen werden. Die unterschiedlichen Streitgegenstände werden durch die
Möglichkeit der Umwandlung der Trennungs- in ein Scheidungsverfahren gemäß
Art. 1580 des brasilianischen Zivilgesetzbuches (CC) deutlich. Wenn es sich hierbei
nach brasilianischem Recht um identische Streitgegenstände handeln würde, wäre
eine Umwandlung nicht erforderlich. Aber auch die Rechtsfolgen eines Trennungs-
und eines Scheidungsurteils sind unterschiedlich. Nach Art. 1571 CC beendet die
gerichtliche Trennung nur die eheliche Gemeinschaft, wohingegen die Scheidung
eine gültige Ehe aufhebt.
Dem steht Art. 19 Abs. 2 der EG- VO Nr. 2201/2003 nicht entgegen. Zwar werden
danach Trennungs- und Scheidungsverfahren gleich gestellt. Jedoch betrifft diese
Vorschrift nur Verfahren in EU- Vertragsstaaten.
Art. 19 Abs. 2 der EG- VO Nr. 2201/2003 kann nicht zu einer Erweiterung des
Streitgegenstandbegriffes führen. Der Streitgegenstand einer Ehesache ist
gerichtet auf die Aufhebung der Ehe, ein Trennungsverfahren bereitet eine solche
grundsätzlich nur vor.
Dem Scheidungsbegehren der Antragstellerin steht nicht die Umstellung des
Trennungs- in einen Scheidungsantrag durch den Antragsgegner in Brasilien
entgegen. Die Umwandlung des brasilianischen Verfahrens ist jedenfalls nach der
Rechtshängigkeit des Antrages der Antragstellerin erfolgt. Erst im September 06
stellte der Antragsgegner einen entsprechenden Antrag in Brasilien. Das
vorliegende Verfahren ist jedoch schon mit der Zustellung des
Scheidungsantrages am 07.02.2006 rechtshängig. Eine ex- tunc- Wirkung mit der
Folge, dass es auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des brasilianischen
Trennungsverfahrens ankommen würde, hat die Umwandlung nicht. Dies hat der
Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend unter Darlegung der
Rechtslage und der Rechtsprechung in Brasilien herausgearbeitet.
Der Antrag auf Scheidung ist jedoch unbegründet.
Auf das Scheidungsbegehren ist nach Art. 17 I, 14 I Nr. 2 EGBGB zunächst
niederländisches Recht anzuwenden, da die Parteien dort ihren letzten
gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Dieses verweist jedoch vorliegend auf
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gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Dieses verweist jedoch vorliegend auf
Brasilianisches Recht, so dass dieses maßgebend ist. Nach Art. 1 Abs. 1 a Wet
conflictenreecht inzake ontbinding huwelijk en scheidung von tafel en bed (WCR) ist
das gemeinschaftliche nationale Recht der Parteien maßgebend. Besitzen die
Parteien mehrere Staatsangehörigkeiten, gilt das Recht des Staates, mit dem sie
unter Berücksichtigung aller Umstände die engste Verbindung haben (Art. 1 Abs. 3
WCR).
Beide Parteien haben mit Brasilien die engste Verbindung. Diese
Staatsangehörigkeit ist für beide Parteien die effektive.
Hinsichtlich beider ist dabei nicht nur zu berücksichtigen, dass sie in Brasilien
geboren sind und dort geheiratet haben, wobei sie am 24.11.1997 einen
Ehevertrag in Rio de Janeiro abgeschlossen hatten. Allein damit haben sie ihre
besondere Verbundenheit mit Brasilien dokumentiert, indem sie sich dem
Heiratsrecht dieses Staates unterstellten. Hinzu kommt, dass die Parteien
ausweislich des Ehevertrages in Brasilien wohnhaft waren, nämlich in Rio de
Janeiro, Rua Visconde de Pirajá, App. 503. Soweit die Antragstellerin dies
bestreitet, hat sie nichts Gegenteiliges bewiesen. Unabhängig davon würde die
Verbundenheit mit Brasilien umso deutlicher werden, wenn die Parteien zum
Zeitpunkt der Eheschließung nicht in Brasilien gewohnt hätten und nur zum
Zwecke des Ehevertrages und der Eheschließung nach Brasilien zurückgekehrt
wären. Klarer könnte die Absicht der Parteien, sich dem Brasilianischen Recht
unterstellen zu wollen, nicht zum Ausdruck kommen.
Dem steht der mittlerweile über drei Jahre dauernde Aufenthalt der Antragstellerin
in Deutschland nicht entgegen. Unstreitig verbrachte sie mehrere Jahre in
unterschiedlichen Staaten (Kanada, Tschechien, Italien, Niederlande), ohne sich in
diesen Ländern dauerhaft niederzulassen Immerhin lebte sie seit 2001 in den
Niederlanden. Nach vier Jahren entschloss sie sich, nach Brasilien zu ziehen und
dort ihre berufliche Laufbahn wieder aufzunehmen. In der mündlichen Verhandlung
vom 02.10.07 schilderte sie, von März bis November 2004 in Brasilien gewesen zu
sein sowie als Zahnärztin gearbeitet zu haben. Zwar hat sie hierfür nach ihren
Angaben kein Geld erhalten. Sie räumte jedoch ein, sie habe ihre Chancen auf
dem dortigen Arbeitsmarkt ausloten wollen. Dass sie mit Brasilien weiterhin eine
enge Verbindung hat, zeigt sich nicht nur hierin. Sie ist nach ihren Angaben sogar
noch bei der Zahnärztekammer in Brasilien gemeldet.
Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, sie sei aufgrund ihres
mittlerweile dreijährigen Aufenthalts mit Deutschland enger verbunden als mit
Brasilien.
Hinsichtlich des Antragsgegners sind neben Brasilien keine weiteren, engen
Beziehungen zu einem anderen Land ersichtlich. Dass er mit einer neuen
Partnerin und einem gemeinsamen Kind in den Niederlanden lebt, spricht nicht
dagegen. Nach dem beruflichen Werdegang des Antragsgegners sind seine
bisherigen Auslandsaufenthalte beruflich bedingt gewesen.
Eine Zurückverweisung durch brasilianisches Recht kommt nach den
Feststellungen des Sachverständigen nicht in Betracht. Danach kam es nur
vereinzelt und nur unter besonderen Umständen durch niederländische Gerichte
zur Anerkennung eines Renvoi. Auch die Entwürfe zur Kodifizierung des IPR in den
Niederlanden sehen ein Renvoi nur ausnahmsweise vor.
Der Antrag auf Scheidung ist nach dem anzuwendenden brasilianischen Recht
abzuweisen.
Zwar liegen die Voraussetzungen für eine direkte Scheidung nach § 1580 § 2 CC
mittlerweile vor, weil die Parteien seit mehr als zwei Jahren faktisch getrennt leben.
Allerdings hat die Antragstellerin ihren Scheidungsantrag verfrüht eingereicht.
Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit lebten die Parteien noch keine zwei Jahre
getrennt.
Maßgebend für den Ablauf der Trennungszeit ist der Zeitpunkt der Anhängigkeit
der Klage. Insoweit hat der Sachverständige die Rechtsprechung in Brasilien sowie
deren Tendenzen dargestellt. Hier schließt sich das Gericht der Auffassung der
überwiegenden Anzahl der Stimmen in der Literatur und des Oberen
Bundesgerichts an. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Art. 1580 § 2 CC,
wonach eine Scheidung erst beantragt werden kann, wenn die Ehegatten
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wonach eine Scheidung erst beantragt werden kann, wenn die Ehegatten
nachgewiesenermaßen mehr als zwei Jahren faktisch getrennt gelebt haben.
Das Gericht hat von einer faktischen Trennung erst ab 03.03.2004 auszugehen. Zu
diesem Zeitpunkt verließ die Antragstellerin unstreitig die gemeinsame
Ehewohnung in den Niederlanden und flog nach Brasilien.
Einen früheren Trennungszeitpunkt hat die Antragstellerin nicht dargetan.
Zum einen kommt es nach brasilianischem Recht auf die faktische Trennung der
Parteien an und nicht auf die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft nach
deutschem Recht (§ 1567 Abs. 1 BGB). Erst zum 03.03.04 verließ die
Antragstellerin die Ehewohnung. Ob die Parteien zuvor innerhalb der Ehewohnung
getrennt gelebt haben, also eine Trennung i.S.v. § 1567 BGB vorlag, spielt keine
Rolle. Art. 1580 § 2 CC spricht ausdrücklich von einer faktischen Trennung. Dies
kann nur die völlige Aufhebung des Zusammenlebens, also die räumliche
Trennung der Parteien bedeuten. Dies folgt aus Art. 1566 CC, wonach zu den
Pflichten der Ehegatten das Zusammenleben am ehelichen Wohnsitz zählt. Der
Ansicht der Antragstellerin, welche das Tatbestandsmerkmal der "faktischen
Trennung" unter Heranziehung und im Sinne der Vorschriften zur gerichtlichen
Trennung auslegen will, kann das Gericht nicht folgen. Art. 1572 § 1 CC spricht nur
von Trennung, wohingegen Art. 1580 § 2 CC ausdrücklich eine faktische Trennung
verlangt.
Zum anderen ist ihr Vortrag unsubstanziiert. Sie teilt kein konkretes Datum mit,
wann es zur Trennung gekommen sein soll. Dies ist insofern entscheidend, als die
Zustellung ihres Scheidungsantrages am 07.02.2006 erfolgte.
Außerdem trägt sie nicht vor, wie sich das faktische Getrenntleben vor dem
07.02.04 konkret dargestellt hat. Ihre dahingehenden Behauptungen sind nicht
ausreichend. Dass die Parteien seit Ende 2003 nicht mehr miteinander
geschlechtlich verkehrten, der Antragsgegner sie ab Januar 2004 immer nur
angeschrien sowie sie bedroht und beschimpft habe, mag der Zustand einer in
Auflösung befindlichen Ehe, nicht jedoch deren Ende sein. Schließlich kann aus
dem Umstand, dass die Antragstellerin im Januar 2004 aus Angst oder aufgrund
ihrer psychischen Ausnahmesituation darauf verzichtet hat, ein eigenes Zimmer
innerhalb des Hauses zu beziehen, nichts hergeleitet werden.
Im Übrigen schildert sie nur Vorgänge, die nach dem 07.02.04 gelegen haben
müssen, so z.B. die Einholung juristischen Rats nach einer angeblichen
Messerattacke durch den Antragsgegnerin der zweiten Februarhälfte.
Der Hilfsantrag auf Trennung der Parteien war als unzulässig zurückzuweisen.
Die Klägerin hat kein Rechtsschutzinteresse an einer gerichtlich bestätigten
Trennung der Parteien. In Brasilien ist spätestens seit Zustellung der Umwandlung
ein Scheidungsverfahren rechtshängig. Die Trennungsklage ist nur eine Vorstufe
zur Scheidung (OLG Frankfurt FamRZ 1995, 375).
Das Gericht hat davon auszugehen, dass der Antragstellerin am 05.03.07 der
"Umwandlungsschriftsatz" zugestellt wurde. Sie räumte in der mündlichen
Verhandlung vom 02.10.07 ein, Schriftsätze in einem Scheidungs- oder im
Unterhaltsverfahren erhalten zu haben. Auf dem vorgelegten Empfangsbekenntnis
bestätigte die Antragstellerin, dass ihr am 05.03.07 eine Scheidungsklage
persönlich übergeben wurde. Wenn die Antragstellerin in dieser Situation sich
darauf beschränkt, die Zustellung gerade des Umwandlungsantrages zu
bestreiten, ist dies nicht ausreichend. Sie hätte hier schon konkret vortragen
müssen, was ihr am 05.03.07 zugestellt wurde.
Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der in Kanada geschlossenen Ehe war als
unzulässig zurückzuweisen.
Es fehlt an einem Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin. Es bedarf keiner
gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit. Nach den Ausführungen des
Sachverständigen, die von keiner Partei angegriffen werden, tritt die Nichtigkeit der
Eheschließung nach dem maßgebenden Recht von British Columbia ex lege ein.
Sowohl der Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs als auch der
Antrag auf Ehegattenunterhalt sind mit der Zurückweisung des
Scheidungsantrages als gegenstandslos zu betrachten (§ 629 III ZPO). Deren
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Scheidungsantrages als gegenstandslos zu betrachten (§ 629 III ZPO). Deren
Fortsetzung konnte nicht vorbehalten werden. Das Gesetz sieht einen vorzeitigen
Versorgungsausgleich ohne Ehesache nicht vor. Die Folgesache
Ehegattenunterhalt könnte nur fortgesetzt werden, wenn der Anspruch auf die §§
1360 ff. gestützt wird. Insoweit ist jedoch bereits ein Verfahren anhängig, welches
derzeit nicht betrieben wird.
Die Antragstellerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu
tragen (§ 91 ZPO).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in
den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.