Urteil des AG Schöneberg vom 02.04.2017

AG Schöneberg: verwaltung, abtretung, versicherer, wohnung, verwalter, beratung, anzeige, versammlung, ausnahme, versicherungsvertrag

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Gericht:
AG Schöneberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
76 II 577/05 WEG
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 21 WoEigG, § 23 WoEigG
Wohnungseigentümerversammlung: Zulässige Teilnahme eines
Rechtsanwalts des Verwalters; Wirksamkeit eines Beschlusses
über die Abtretung von Ansprüchen gegen die
Wohngebäudeversicherung an den von einem Wasserschaden
betroffenen Sondereigentümer
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller. Außergerichtliche
Kosten werden nicht erstattet.
3 . Der Geschäftswert wird auf 7.300,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten bilden mit Ausnahme der Verwalterin die aus dem Rubrum ersichtliche
Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Antragsteller sind Eigentümer der Wohnung Nr.
... . Gemäß § 1 I) des Verwaltervertrages ist der Verwalter berechtigt, die Dienste von
Hilfskräften (Hausmeister, Putzfrauen, Architekten, Sachverständige, Rechtsanwälte
Heizkostenabrechnungs-firmen, Handwerker u.a.) in erforderlichem Umfange zur
Erfüllung der Verwaltertätigkeit in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 1 o) des
Verwaltervertrages ist der Verwalter u.a. berechtigt, die Eigentümergemeinschaft im
Außenverhältnis gerichtlich zu vertreten.
Anfang Januar 2005 ereignete sich in der Wohnung der Antragsteller ein Wasserschaden.
Die Antragsteller beauftragten unverzüglich die Firma H. , ... GmbH mit der Ermittlung
der Schadensursache und deren Beseitigung, welche am 7. und 8. Januar 2005 erfolgte.
Die eingeflieste Badewanne wurde herausgenommen, die Fliesen wurden zerstört und
die Wand eingestemmt. In der Folgezeit erfolgte eine Instandsetzung des Badezimmers.
Die Wohnanlage war im Zeitpunkt des Wasserschadens bei der A. Versicherung
versichert. Am 8. Februar 2005 meldeten die Antragsteller den Wasserschaden der
Verwalterin. Die Verwalterin zeigte den Schaden am 14. Februar 2005 bei der A.
Versicherung an. Am 18. März 2005 erfolgte eine Besichtigung durch einen
Schadenssachbearbeiter. Ein am 10. Juni 2005 geführtes Regulierungsgespräch, in
welchem den Antragstellern eine Teilschadenregulierung angeboten wurde, scheiterte.
In der Eigentümerversammlung vom 21. Oktober 2005 beschlossen die Eigentümer
ausweislich des Versammlungsprotokolls hinsichtlich des Schadensereignisses in der
Wohnung der Antragsteller,
zu TOP 1 A,
dass durch die Verwalterin keine Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen
die Wohngebäudeversicherung eingereicht werden soll,
zu TOP 1 B,
dass die evtl. noch vorhandenen Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft
gegen die Wohngebäudeversicherung an die Antragsteller abgetreten werden,
zu TOP 1 C,
dass die Antragsteller gleichzeitig ermächtigt werden, die vermeintlichen Ansprüche aus
dem Schadensereignis auf eigene Kosten und Risiko geltend zu machen,
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zu TOP 1 D,
für den Fall der Nichtannahme der Abtretung zu TOP 1 B, dass die
Wohnungseigentümergemeinschaft den vermeintlichen Anspruch gegen
Kostenübernahme durch die Antragsteller geltend gemacht hat.
Wegen des genauen Beschlussinhalts wird auf das Protokoll der
Eigentümerversammlung vom 21. Oktober 2005 (Vl. 16 f d.A.) Bezug genommen.
Die Antragsteller tragen vor:
Der Antragsgegnervertreter sei nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt. Die
Wohnungseigentümer seien an den Verwaltervertrag mangels Eigentümerbeschlusses
hierüber nicht gebunden.
Die Beschlüsse zu TOP 1 seien formell rechtswidrig.
Der Antragsgegnervertreter habe an der Versammlung mangels Zulassung durch
Beschluss der Eigentümer nicht teilnehmen dürfen.
Die Beschlüsse zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 21. Oktober 2005
widersprächen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
Die Gemeinschaft sei verpflichtet, Schäden einzelner Eigentümer gegen den Versicherer
geltend zu machen, sofern das Verfahren nicht aussichtslos sei. Dies sei hier nicht der
Fall. In der Wohnung Nr. ... sei durch den Wasserschaden die Wand zwischen Schlaf- und
Badezimmer durchfeuchtet worden. Die Schadensursache sei zunächst nicht erkennbar
gewesen. Zur Schadensminderung hätten die Antragsteller die Schadensursache sofort
feststellen und beseitigen lassen. Ursache für den Wasserschaden sei ein Rohrbruch
innerhalb der Wasserzuleitungen gewesen. Durch die erforderliche Instandsetzung sei
ein Gesamtschaden in Höhe von 10.029,96 Euro entstanden.
Die Antragsteller hätten den Schaden am 12. Januar 2005 der ihnen bis dahin bekannten
Gebäudeversicherung, der Feuersozietät, angezeigt. Die Verwalterin habe
unzulässigerweise ohne entsprechenden Beschluss und Kenntnis der Gemeinschaft den
Versicherer gewechselt. Hierdurch sei späte Anzeige bei der Gebäudeversicherung
verursacht worden.
Die Antragsteller beantragen mit am 21. November 2005 bei Gericht eingegangener
Antragsschrift,
die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 21. Oktober 2005 zu TOP 1 A bis D für
ungültig zu erklären.
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie tragen vor:
Der Verwaltervertrag ermächtigte den Verwalter zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes.
Die anwesenden Eigentümer seien mit der Anwesenheit des Antragsgegnervertreters
einverstanden gewesen. Eines entsprechenden Beschlusses habe es nicht bedurft. Der
Antragsgegnervertreter habe im Interesse der Gemeinschaft, nicht der Verwalterin, die
Eigentümerversammlung beraten.
Die ordnungsgemäße Verwaltung im Sinne des WEG umfasse nicht die Verwaltung des
Sonder-eigentums. Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag stünden zwar auch
hinsichtlich des Sondereigentums der Gemeinschaft zu, diese sei aber nicht zur
Durchsetzung der Ansprüche, sondern lediglich zu deren Abtretung verpflichtet.
Die Antragsteller hätten den Schaden unverzüglich über die Verwalterin der zuständigen
Gebäudeversicherung melden müssen. Aufgrund der verspäteten Anzeige habe die
Versicherung keine Möglichkeit mehr gehabt, den Schaden zu untersuchen. Eine
Schadensregulierung sei aussichtslos.
II.
Der gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG zulässige Antrag ist innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4
WEG gestellt.
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Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die Antragsgegner sind ordnungsgemäß vertreten. Entgegen der Ansicht der
Antragsteller ist die Verwalterin nach dem Verwaltervertrag berechtigt, einen
Rechtsanwalt mit der Vertretung vor Gericht zu beauftragen. Die Verwalterin ist nach
dem Verwaltervertrag berechtigt, die Gemeinschaft vor Gericht zu vertreten und darüber
hinaus für die Ausübung ihrer Verwaltertätigkeit einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Der
Verwaltervertrag bindet sämtliche Mitglieder der Eigentümergemeinschaft. In dem
Beschluss über die Verwalterbestellung liegt regelmäßig auch der Wille, mit der
gewählten Verwaltung einen Verwaltervertrag abzuschließen. Dieser Vertrag bindet die
gesamte Gemeinschaft unabhängig davon, ob jeder einzelne Miteigentümer den Vertrag
unterzeichnet hat.
Die Beschlüsse zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 21. Oktober 2005 sind nicht
formell rechtswidrig.
Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit ist durch die Teilnahme des
Antragsgegnervertreters nicht verletzt. Dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit
widerspricht es nicht, wenn die Verwalterin als Berater einen Rechtsanwalt zur
Meinungsbildung der Gemeinschaft unangekündigt zu der Eigentümerversammlung
heranzieht (vgl. BayOLG, Beschluss vom 19.02.2004, 2Z BR 212/03). Dass eine konkrete
Willensbildung zu den unterschiedlichen Positionen zwischen den Antragstellern bereits
zu Beginn der Versammlung festgestanden hätte, ist nicht ersichtlich. Im Ergebnis hat
die Beratung durch den Antragsgegnervertreter auch für die Antragsteller von Interesse
ist. Dass sie sich dieser rechtlichen Bewertung letztlich nicht angeschlossen haben,
ändert daran nichts.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegnervertreter seine Beratungstätigkeit
einseitig zu Lasten einzelner Eigentümer ausgeübt hätte. Vielmehr ist von einer
sachlichen Einschätzung der Rechtslage, welche im Interesse der Gemeinschaft liegt,
auszugehen. Dass Ergebnis der Beratung nicht im Sinne der Antragsteller ausgefallen
ist, lässt nicht den Schluss auf eine einseitige oder parteiische Beratung zu.
Die Beschlüsse zu TOP 1 Eigentümerversammlung vom 21. Oktober 2005 widersprechen
auch nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, § 21 Abs. 4 WEG.
Die Gemeinschaft ist im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung nicht verpflichtet, ihr
gegen Dritte zustehende Ansprüche aus dem Sondereigentum gerichtlich
durchzusetzen.
Die Gemeinschaft ist zwar aufgrund des abgeschlossenen
Gebäudeversicherungsvertrages Inhaberin der Schadensausgleichsansprüche, die am
Sondereigentum entstehen. Denn ausnahmsweise sind die Schäden am
Sondereigentum in den Versicherungsschutz des Gemeinschaftseigentums mit
einbezogen. Hieraus folgt jedoch nicht die Verpflichtung, derartige Ansprüche auch
gerichtlich gegen den Versicherer mit dem entsprechenden Prozessrisiko
durchzusetzen. Nutznießer der vertraglichen Einbeziehung des Sondereigentums in den
Versicherungsvertrag ist allein der Sondereigentümer. Es entspricht insoweit nur seinem
eigenen Interesse, Ansprüche gegen den Versicherer geltend zu machen. Eine
verschuldensunabhängige Verpflichtung der Gemeinschaft, ein Prozessrisiko zu Gunsten
eines einzelnen Miteigentümers auf sich zu nehmen, besteht nicht. Die aus der
vertraglichen Einbeziehung folgenden Pflichten der Gemeinschaft sind ausreichend
dadurch erfüllt, dass diese ihre Ansprüche gegen den Versicherer an den
Sondereigentümer – wie hier geschehen – abtritt. Der Sondereigentümer wird dadurch in
die Lage versetzt, alle bestehenden Ansprüche geltend zu machen. Ein darüber hinaus
gehender Anspruch auf Kostenbefreiung besteht nicht. Die Antragsteller sind nach
alledem durch die Abtretung der Ansprüche der Gemeinschaft gegen die Aachener und
Münchener Versicherung bzw. durch die Übernahme des Kostenrisikos hinreichend
geschützt.
Es ist insoweit unerheblich, welche konkreten Erfolgsaussichten das Verfahren gegen die
A...... Versicherung hat. Für den Fall, dass die Verwalterin – wie von den Antragstellern
vorgetragen – ihre Obliegenheitspflichten durch Wechsel der Gebäudeversicherung
verletzt hätte, ginge die Obliegenheitsverpflichtung nicht zu Lasten der Antragsgegner.
Diese haben – wie ausgeführt – ihren Verpflichtungen durch Abtretung der Ansprüche
hinreichend genügt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Anhaltspunkte für eine Ausnahme vom
Grundsatz der Nichterstattung außergerichtlicher Kosten liegen nicht vor.
40 Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 48 Abs. 3 WEG. Das Gericht hat die
möglichen Prozesskosten für zwei Instanzen zur gerichtlichen Geltendmachung des
Wasserschadens in Höhe von 10.029,96 Euro angesetzt.
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