Urteil des AG Schöneberg vom 14.03.2017

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Gericht:
AG Schöneberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 C 472/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 133 BGB, § 140 BGB, § 535
BGB
Mietvertrag: Bruttokaltmiete bei Unwirksamkeit einer
Vereinbarung über Betriebskostenvorauszahlung
Leitsatz
Bei Unwirksamkeit des im Mietvertrag vereinbarten Betriebskostenvorschusses ist im
Regelfall davon auszugehen, dass die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit eine
Bruttokaltmiete vereinbart hätten. Die Bruttokaltmiete kommt dem Wunsch der Parteien
nach einer möglichen Anpassung der Zahlung bei geänderten Betriebskosten am ehesten
entgegen, da auch hier nicht der Vermieter, sondern der Mieter das Veränderungsrisiko trägt.
Tenor
1. Die Beklagten werden verurteilt, einer Erhöhung der Bruttokaltmiete für die von ihnen
innegehaltene Wohnung in der G.straße in B., Vorderhaus, 4. OG links, von bisher 698,30
€ brutto/kalt um 139,66 € auf 837,96 € brutto/kalt mit Wirkung ab dem 01. Juli 2008
zuzustimmen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Vermieter, die Beklagten sind auf Grund des Vertrages vom 07. April 2002
Mieter der im 4. OG links des Vorderhauses auf dem Grundstück G.straße in B.
gelegenen Viereinhalbzimmerwohnung mit Küche, Gäste-WC, Bad mit WC, Flur, Diele
und Balkon sowie einem Kellerraum, deren Fläche 124,93 m² beträgt. Im Mietvertrag ist
vereinbart, dass die Mieter berechtigt sind, den Fahrradkeller mit zu benutzen. Es war
eine Nettokaltmiete von 552,45 € sowie die Zahlung von Nebenkostenvorschüssen für
kalte Betriebskosten, Heizungs- und Warmwasserkosten sowie Kabelfernsehen
vereinbart.
Nach dem Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – … – vom 24. April 2008 ist die
Vereinbarung zu den kalten Betriebskosten aus dem Mietvertrag unwirksam, weil eine
Vereinbarung über die umzulegenden Betriebskosten fehlt.
Mit Schreiben vom 29. April 208 verlangte der Kläger die Erhöhung „Ihrer
Bruttokaltmiete“ um 139,66 € auf 837,96 €. Er legte dabei Betriebskosten in Höhe von
1,19 €/m² zu Grunde und berief sich auf das Feld L 2 des Berliner Mietspiegels 2007.
Mit der am 30. September 2008 eingegangenen und am 23. Oktober 2008 zugestellten
Klage verlangt der Kläger die Zustimmung und trägt vor, nach der Entscheidung des
Landgerichts Berlin vom 14.12.2006 (MM 2007, 111) sei eine unwirksame Vereinbarung
über eine Betriebskostenvorauszahlung im Mietvertrag als Vereinbarung einer
Bruttokaltmiete anzusehen. Die Beklagten hätten sich im Vorprozess selbst auf diesen
Standpunkt gestellt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, einer Erhöhung der Bruttokaltmiete für die von
ihnen inne gehaltene Wohnung in der G.straße in B., Vorderhaus 4. OG links, von bisher
698,30 € brutto/kalt um 139,66 € brutto/kalt auf 837,96 € brutto/kalt mit Wirkung ab dem
01. Juli 2008 zuzustimmen.
Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen vor, der im Mietvertrag als Vorschuss bezeichnete Betrag sei als
Betriebskostenpauschale zu behandeln. Die Parteien hätten ausweislich des schriftlichen
Vertrags eine Nettokaltmiete vereinbaren wollen. Das Mieterhöhungsverlangen sei
unwirksam, weil es eine Änderung der Mietzinsstruktur beinhalte. Jedenfalls sei die
Kappungsgrenze nicht eingehalten, da diese sich von der Nettokaltmiete berechne.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zu einer Erhöhung der
Miete um 139,66 € auf 837,96 € ab 01. Juli 2008 gemäß § 558 BGB.
Das Zustimmungsverlangen des Klägers vom 29. April 2008 ist formell wirksam. Es ist
nachvollziehbar berechnet und erläutert und mit der Bezugnahme auf ein Feld des
Berliner Mietspiegels 2007 ausreichend begründet. Eine gleichzeitige Änderung der
Mietzinsstruktur enthält das Schreiben nicht.
Nach der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung einer
Betriebskosten ist gemäß §§ 133, 140 BGB zu ermitteln, was die Parteien
bei Kenntnis der Nichtigkeit vereinbart hätten. Hier kommt es auf die wesentlichen
Merkmale der vorgesehenen Betriebskostenvorauszahlung an. Diese zeichnet sich
dadurch aus, dass sie die flexibelste Möglichkeit der Anpassung der Zahlung des Mieters
an die tatsächlich entstehenden Betriebskosten ermöglicht. Auch dem sich
verändernden Umfang der verbrauchsabhängigen Betriebskosten trägt die
Betriebskostenvorauszahlung Rechnung. Bei der Betriebskosten trägt
demgegenüber der Vermieter das Kalkulationsrisiko, da eine Änderung der Pauschale
nur dann zulässig ist, wenn die Parteien darüber eine besondere Vereinbarung getroffen
haben. Die Bruttokaltmiete kommt den Intentionen der Parteien am ehesten entgegen,
da sie – unabhängig von einer zusätzlichen Vereinbarung im Mietvertrag, die hier fehlt –
auch eine Anpassung des Betriebskostenanteils der Miete ermöglicht. Dies gilt
zumindest im Rahmen der Kappungsgrenze, die sich nach der Bruttokaltmiete
berechnet (BGH NJW 2004, 1380 ff.).
Die ortsübliche Vergleichsmiete, die sich aus dem Feld L 2 des Berliner Mietspiegels
2007 mit einem Mittelwert von 5,28 €/m² ergibt, übersteigt diesen um 60 % der Differenz
zwischen dem mittleren und oberem Wert, weil in den Merkmalsgruppen 1, 3 und 4 der
Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung mit dem zweiten WC, dem
rückkanalfähigen Breitbandkabelanschluss und dem abschließbaren Fahrradabstellraum
in drei Gruppen positive Merkmale vorliegen. Die verlangte Miete von 5,55 €/m² liegt
deshalb noch unter der ortsüblichen Vergleichsmiete.
Die Kappungsgrenze, die sich von der Bruttokaltmiete von 698,30 € berechnet, ist
eingehalten, § 558 Ab. 3 BGB.
Gemäß § 558 b Abs. 1 BGB tritt die Erhöhung zum 01. Juli 2008 ein, da das
Zustimmungsverlangen den Beklagten noch im April 2008 zugegangen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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