Urteil des AG Schleswig vom 14.03.2017

AG Schleswig: mittelwert, vollkaskoversicherung, unfall, immaterialgüterrecht, verzicht, zivilprozessrecht, aufwand, freiheit, link, quelle

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Gericht:
AG Schleswig
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 C 117/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 249ff BGB, § 287 ZPO, § 17
StVG, § 7 StVG
Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten durch
Bildung eines Mittelwertes zwischen den Daten des
Schwacke-Automietpreisspiegels und dem
Marktpreisspiegel Deutschland des Fraunhofer Instituts
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Unter Verzicht auf den Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten keinen weiteren Schadensersatz auf
Erstattung von Mietwagenkosten verlangen.
1.
Gemäß § 249 Abs. 2 BGB hat der Schädiger dem Geschädigten nach einem Unfall
den erforderlichen Herstellungsaufwand zu ersetzen. Nach der ständigen
Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH NJW 2009, 58) sind als erforderlicher
Aufwand jedoch nur diejenigen Mietwagenkosten anzusehen, die ein verständiger,
wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig
und notwendig erachten durfte. Für den Bereich der Mietwagenkosten bedeutet
dies, dass der Geschädigte grundsätzlich nur den ortsüblichen Normaltarif ersetzt
verlangen kann.
2.
Für die Ermittlung des insoweit erstattungsfähigen Normaltarifs kommen als
Vergleichs- und Schätzgrundlage für die Mietpreise die „Schwacke-Liste“
(Automietpreisspiegel Deutschland) sowie der Fraunhofer Mietpreisspiegel in
Betracht. Die Klägerin beruft sich vorliegend auf die Schwacke-Liste als
Schätzgrundlage, während die Beklagte sich auf den Fraunhofer Mietpreisspiegel
beruft. Beide Listen weisen häufig, wie auch im hier zu entscheidenden Fall,
erhebliche Differenzen bei gleicher Anmietzeit und gleicher Fahrzeugklasse auf.
3.
Der BGH hat in mehreren Urteilen die Praxis der Instanzgerichte bestätigt, welche
die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage herangezogen haben. Über die
Zulässigkeit der Verwendung des Fraunhofer Mietpreisspiegels hatte der BGH
bislang noch nicht zu entscheiden. Allerdings haben bereits verschiedene
Obergerichte die Verwendung den Fraunhofer Mietpreisspiegels für zulässig
erachtet (z.B. OLG München, r+s 2008, 439; OLG Köln, r+s 2008, 528; OLG
Hamburg, MDR 2009, 800). Sowohl der BGH als auch die Obergerichte begründen
dies mit der richterlichen Freiheit der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO.
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Das Landgericht Bielefeld hat sich im Beschluss vom 20.05.2010 (21 S 46/09)
dafür entschieden, den ortsüblichen Normaltarif aus einem Mittelwert zwischen
dem Wert der Schwacke-Liste und dem Wert des Fraunhofer Mietpreisspiegels
berechnet. Dieser Auffassung des Landgerichts Bielefeld schließt sich das Gericht
– in Ausübung des ihm nach § 287 ZPO eingeräumten Ermessens – an.
Beide Listen sind grundsätzlich als Schätzgrundlage geeignet. Allerdings weisen
beide Listen jeweils Vor- und Nachteile gegenüber der anderen Liste auf.
Beispielhaft sei hier bezüglich der Schwacke-Liste insbesondere benannt, dass im
Rahmen der Erhebung der Daten nicht anonymisiert vorgegangen wurde, sondern
der Zweck der zu erstellenden Liste angegeben wurde. Es ist daher nicht
auszuschließen, dass einzelne Mietwagenanbieter im eigenen Interesse überhöhte
Preise angegeben haben.
Zu Lasten der Liste des Fraunhofer Instituts spricht, dass die regionale Einteilung
jeweils nur bezüglich der ersten zwei Ziffern der Postleitzahlen erfolgt, was zu sehr
großen Regionen bei der Ermittlung des ortsüblichen Normaltarifes führt.
Andererseits wurde dagegen die Erhebung des Fraunhofer Instituts anonymisiert
durchgeführt.
4.
Wegen der jeweiligen Probleme bezüglich der einzelnen Schätzgrundlagen sieht
sich das Gericht außer Stande, lediglich die eine oder die andere Liste zur
Schätzung heranzuziehen. Eine Beweiserhebung durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens hält das Gericht jedoch nicht für erforderlich, da eine
nach § 287 ZPO geeignete Schätzgrundlage dadurch erreicht werden kann, indem
der Mittelwert aus beiden Listen berechnet wird.
5.
Im konkreten Fall wurde ein Fahrzeug der Gruppe 7 für 4 Tage im
Postleitzahlengebiet 244(= Schwacke-Liste) bzw. 24 (= Fraunhofer) angemietet.
Nach der Schwacke-Liste (Anlage K 6) ergibt sich nach dem Vortrag der Klägerin
ein Mietpreis von netto 426,39 €. Hinzuzurechnen sind Kosten für die
Vollkaskoversicherung in Höhe von 87,39 € netto, so dass sich ein Mietpreis von
insgesamt 513,78 € netto ergibt.
Nach der Liste des Fraunhofer Instituts ergibt sich ein Mietpreis in Höhe von netto
285,91 €, wobei hierin die Kosten für die Vollkaskoversicherung bereits enthalten
sind.
Der Mittelwert der beiden Listen für die entstehende Mietdauer beträgt somit:
399,85 €.
Dieser Anspruch wurde durch die Beklagte jedoch bereits mit der Zahlung von
484,33 € erfüllt.
6.
Auf die Frage, ob hierauf wegen der unfallbedingten Mehraufwendungen ein
Aufschlag zu berechnen ist, kommt es vorliegend nicht an.
Einen derartigen Aufschlag würde das Gericht entsprechend der Rechtsprechung
des BGH mit 15 % auf den Normaltarif berechnen. Somit wäre im vorliegenden Fall
ein Aufschlag für die unfallbedingten Mehraufwendungen von 59,98 €
vorzunehmen, so dass sich ein Schadensersatzanspruch wegen der
Mietwagenkosten in Höhe von 459,83 € ergeben würde.
Selbst bei einer derartigen Berücksichtigung des Aufschlags wäre der zu
erstattende Betrag durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 484,33 € bereits
erfüllt, so dass sich ein weitergehender Zahlungsanspruch der Klägerin nicht
ergibt.
7.
Da es an einem berechtigten Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte
fehlt, besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen
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fehlt, besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Der Streitwert wird auf 157,36 € festgesetzt.