Urteil des AG Recklinghausen vom 17.06.2008

AG Recklinghausen: versammlung, verwalter, verwaltung, reparaturkosten, einberufung, rechtssicherheit, ermächtigung, form, abstimmung, sicherheitsleistung

Amtsgericht Recklinghausen, 90 C 31/08
Datum:
17.06.2008
Gericht:
Amtsgericht Recklinghausen
Spruchkörper:
Abteilung 90
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
90 C 31/08
Tenor:
1.
Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 31.03.2008 zum TOP
8 wird insoweit für ungültig erklärt, soweit die folgende Regelung im
Verwaltervertrag anerkannt worden und der Verwaltungsbeirat
beauftragt und bevollmächtigt worden ist, den Verwaltervertrag
stellvertretend für die Eigentümergemeinschaft zu unterzeichnen:
„Kleinreparaturen, pro Maßnahme bis zu einem Betrag von 2.500,00
Euro netto bedürfen keines besonderen Eigentümerbeschlusses.“
2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten
gesamtschuldnerisch auferlegt.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Kläger zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Sicherheit kann auch durch Stellung einer selbstschuldnerischen
Bürgschaft einer deutschen Großbank geleistet werden.
4.
Der Streitwert wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
1
Mit einer am 28. April 2008 beim Amtsgericht Recklinghausen eingegangenen
Klageschrift wenden sich die beiden Kläger, welche Mitglied der
Wohnungseigentümergemeinschaft O in S sind, gegen eine Beschlussfassung der
Wohnungseigentümerversammlung vom 31.03.2008 zum Tagesordnungspunkt 8. Unter
diesem Tagesordnungspunkt fasste die Wohnungseigentümerversammlung einen
Beschluss über den Abschluss eines Verwaltervertrages mit dem jetzigen Verwalter,
Herrn T.
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird insofern auf den Inhalt des Protokolls zum
Tagesordnungspunkt 8 der Versammlung verwiesen.
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Der zur Abstimmung gestellte Verwaltervertrag enthält eine Passage, in der es heißt:
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"Kleinere Reparaturen, pro Maßnahmen bis zu einem Betrag von 2.500,00 Euro netto
bedürfen keines besonderen Eigentümerbeschlusses."
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Die Kläger machen geltend, diese Formulierung im Verwaltervertrag sei nicht eindeutig
und deshalb abzulehnen. So fehle in der genannten Bestimmung im Verwaltervertrag
eine Begrenzung des ohne besonderen Beschluss der Eigentümerversammlung für
kleinere Reparaturen aufzuwendende Betrag pro Kalenderjahr.
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Aufgrund der bislang im Vertrag vorgesehenen Regelung sei es zumindest theoretisch
möglich, dass die Instandhaltungssumme von bis zu 2.500,00 Euro monatlich
ausgeschöpft wird, was zu einer erheblichen finanziellen Belastung der
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Wohnungseigentümergemeinschaft bezogen auf das Kalenderjahr führe. Auch sei es
bedenklich, dass der Wohnungseigentümergemeinschaft in einem solchen Fall die
Beschlusskompetenz für die Vornahme von Reparaturen – bezogen auf das Gesamtjahr
– in erheblichem Umfange faktisch entzogen werde.
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Die Kläger beantragen,
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den Beschluss gem. Tagesordnungspunkt 8 der Eigentümerversammlung vom
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31.03.2008 für ungültig zu erklären, soweit durch den Beschluss folgende
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Regelung im Verwaltervertrag anerkannt wurde und der Verwaltungsbeirat
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beauftragt und bevollmächtigt wurde, den Verwaltervertrag stellvertretend für die
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Eigentümergemeinschaft zu unterzeichnen: "Kleine Reparaturen pro Maßnahme
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bis zu einem Betrag von 2.500,00 Euro netto bedürfen keines besonderen
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Eigentümerbeschlusses."; hilfsweise beantragen die Kläger, den Beschluss gemäß
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Tagesordnungspunkt 8 der Eigentümerversammlung vom 31.03.2008 insgesamt
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für ungültig zu erklären.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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In einer auf den 10. Juni 2008 anberaumten weiteren Eigentümerversammlung sollte
sodann die streitgegenständliche Klausel in dem Verwaltervertrag inhaltlich
dahingehend abgeändert werden, als dass der Gesamtbetrag in Höhe von 2.500,00
Euro netto auf ein Wirtschaftsjahr begrenzt werde. In der Versammlung vom 10.06.2008
ist diesbezüglich hinsichtlich der Änderung des Verwaltervertrages jedoch kein
Beschluss zustande gekommen.
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Im übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist in der Sache begründet.
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Die Anfechtungsklage ist form- und fristgerecht beim Amtsgericht Recklinghausen
eingegangen.
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Sie ist auch in der Sache begründet. Denn der angegriffene Passus in dem
Verwaltervertrag entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und ist auch mit den
Grundsätzen des Wohnungseigentumsrecht nicht zu vereinbaren.
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Zumindest ist die Formulierung in dem Verwaltervertrag nicht hinreichend eindeutig.
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Grundsätzlich obliegt es der Wohnungseigentümergemeinschaft als solcher, über die
Bewilligung von Reparaturkosten selbständig zu entscheiden. Aus
Praxisgesichtspunkten heraus begegnet es jedoch keinen Bedenken, wenn die
Wohnungseigentümergemeinschaft den Verwalter im Verwaltervertrag selbst
ermächtigt, bis zu einer festgelegten Obergrenze ohne Beschlussfassung der
Wohnungseigentümergemeinschaft selbständig Reparaturaufträge zu vergeben.
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Diese Regelung ist deshalb praxisgerecht, weil eine jeweils notwendige Einberufung
der Wohnungseigentümergemeinschaft verbunden mit einer entsprechenden
Beschlussfassung notwendige Kleinreparaturen erheblich verzögern würde und darüber
hinaus auch die Wohnungseigentümergemeinschaft mit Versammlungen belasten
werde, welches außerverhältnismäßig zum Nutzen der dort gefassten Beschlüsse
stünde.
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Allerdings ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, dass diese vorgenannte
Ermächtigung des Verwalters im Verwaltervertrag unzweideutig und unmissverständlich
abgefasst werden müsste, um zumindest die theoretische Möglichkeit eines
Missbrauchs dieser Ermächtigungsklausel auszuschließen. Wie die ergänzende
Beschlussvorlage der Verwaltung zu der Versammlung vom 10.06.2008 hinreichend
deutlich macht, ist die Klarstellung der in der Versammlung vom 31.03.2008 unter dem
TOP 8 beschlossenen Klausel im Rahmen des Verwaltungsvertrages durchaus
angestrebt worden. Bekanntlich sollte in der Versammlung vom 10.06.2008 der in der
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streitgegenständlichen Klausel angeführte Betrag in Höhe von 2.500,00 Euro netto
nunmehr als Obergrenze bezogen auch auf das Wirtschaftsjahr im Verwaltervertrag
festgeschrieben werden.
Eine solche Obergrenze bezogen auf ein Wirtschaftsjahr würde zur Rechtssicherheit
beitragen. Auch vom Betrag her bestehen keine Bedenken, dass der vorbezeichnete
Betrag in Höhe von 2.500,00 Euro netto pro Wirtschaftsjahr die Befugnisse der
Wohnungseigentümergemeinschaft als solcher nicht unzulässig einengt; vielmehr ist
dieser Betrag eingemessen, aber auch erforderlich, um dem Verwalter im
Zusammenhang mit notwendigen kleineren Reparaturen freie Hand für ein rasches
Tätigwerden zu ermöglichen.
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Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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