Urteil des AG Recklinghausen vom 17.02.2009

AG Recklinghausen: verwaltung, wohnung, versammlung, anteil, kostenverteilung, begriff, ausführung, vertreter, eingrenzung, anfechtungsklage

Amtsgericht Recklinghausen, 90 C 89/08
Datum:
17.02.2009
Gericht:
Amtsgericht Recklinghausen
Spruchkörper:
Abteilung 90
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
90 C 89/08
Tenor:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Die Sicherheit kann auch durch Stellung einer selbstschuldnerischen
Bürgschaft einer deutschen Großbank geleistet werden.
4.
Der Streitwert wird auf 700,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
1
Mit einer am 28. November 2008 beim Amtsgericht Recklinghausen eingegangenen
Klageschrift wendet sich die Klägerin gegen Beschlüsse der
Wohnungseigentümergemeinschaft in der Versammlung vom 30. November 2008.
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Unter dem TOP 6 b) der Versammlung trafen die Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft einen Mehrheitsbeschluss, wonach die Kosten des
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Allgemeinstroms künftig nach der Anzahl der Wohneinheiten in der Wohnanlage verteilt
werden.
Unter dem TOP 6 d) trafen die Miteigentümer ferner den Mehrheitsbeschluss, dass
abweichend von der Teilungserklärung die Kosten der Müllabfuhr künftig nach der
Anzahl der Personen in der Wohnanlage verteilt werden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insofern auf den Inhalt des Protokolls der
Eigentümerversammlung vom 30. Oktober 2008 verwiesen.
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Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die angefochtenen Beschlüsse nicht
ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. So sei der TOP Beschluss 6 d) nicht
hinreichend bestimmt und daher sogar nichtig. Es sei jedoch auf jeden Fall unwirksam,
da er ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche.
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Auch vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die Beschlussfassung zum TOP 6 b),
wonach der Allgemeinstrom nunmehr nach Wohnungen verteilt werde, ebenfalls nicht
ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche.
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Hinsichtlich der Einzelheiten und hinsichtlich der von der Klägerin geäußerten
Auffassung wird insofern auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beschluss gemäß TOP 6 b) "abweichend von der
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Teilungserklärung werden die Kosten des Allgemeinstroms
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künftig nach der Anzahl der Wohneinheiten in der Wohnanlage
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verteilt" der Eigentümerversammlung vom 30. Oktober 2008 für
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ungültig zu erklären und festzustellen, dass der Beschluss
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gemäß TOP 6 d) "abweichend von der Teilungserklärung
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werden die Kosten der Müllabfuhr künftig nach der Anzahl der
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Personen der Wohnanlage verteilt" der
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Eigentümerversammlung vom 30.10.2008 nichtig ist, hilfsweise
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den vorgenannten Beschluss gemäß TOP 6 d) für ungültig zu
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erklären.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie machen ihrerseits geltend, die getroffene Beschlussfassung stünde mit den
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gesetzlichen Vorschriften in Einklang und entspreche auch ordnungsgemäßer
Verwaltung.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die von der Klägerin erhobene
Anfechtungsklage fristgerecht bei Gericht eingereicht und sodann auch innerhalb der
vorgeschriebenen Frist begründet worden, § 46 WEG.
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In der Sache selbst greift die zulässige Anfechtung der Klägerin jedoch nicht durch. Die
Beschlussfassung zu den TOP 6 b) und auch 6 d) ist weder nichtig, noch widerspricht
sie ordnungsgemäßer Verwaltung, so dass die Beschlussfassung auch nicht ungültig
ist.
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Richtig ist allerdings, dass die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft in der
Eigentümerversammlung vom 30. Oktober 2008 zunächst in der Beschlussfassung zum
TOP 6 b) abweichend von der Teilungserklärung nunmehr durch Mehrheitsbeschluss
die Kosten des Allgemeinstroms nach der Anzahl der Wohneinheiten in der
Wohnanlage verteilt haben.
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Eine derartige Beschlusskompetenz der Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft folgt aus § 16 Abs. 3 WEG.
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Es ist zwischen den Parteien nicht umstritten und bedarf auch keiner weiteren
Ausführungen, dass auch die Verteilung der Kosten des Allgemeinstroms unter die
Beschlusskompetenz des § 16 Abs. 3 WEG fällt.
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Danach fällt es in das Ermessen der Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft
die hier wesentlichen Kosten des Allgemeinstroms nach einem Verteilungsschlüssel zu
verteilen, welcher von der ursprünglichen Verteilung nach den Maßgaben der
Teilungserklärung abweicht.
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Nach dem Willen des Gesetzgebers und nach dem Inhalt der gesetzlichen Vorschrift
des § 16 Abs. 3 WEG ist die Beschlusskompetenz und die Ausübung derselben durch
eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung begrenzt (vgl. dazu
Bundestagsdrucksache 16/887 Seite 22, 23).
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Nach dem Willen des Gesetzgebers muss die Beschlusskompetenz allerdings in
Übereinstimmung mit dem geltenden Recht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen.
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Das Gericht vermag vorliegend keine Anhaltspunkte zu sehen, welche die
Beschlussfassung hinsichtlich des TOP 6 b) gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer
Verwaltung verstoßen lassen.
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Richtig ist allerdings, dass für die Entscheidung, ob der Kostenverteilungsschlüssel
geändert werden soll, ein sachlicher Grund gegeben sein muss. Auch dies ist bereits
den Ausführungen in der bereits vorzitierten Deutschen Bundestagsdrucksache zu
entnehmen. Wie das erkennende Gericht aber bereits in der mündlichen Verhandlung
vom 17. Februar 2008 deutlich zum Ausdruck gebracht hat, ist die Voraussetzung des
sachlichen Grundes deshalb zu berücksichtigen, weil die Wohnungseigentümer keine
Willkürentscheidung in Bezug auf die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels
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vornehmen dürfen. Vielmehr sind sie bei der Auswahl des Verteilungsschlüssels
gehalten, denjenigen auszuwählen, welcher den Interessen der Gemeinschaft und
denen des einzelnen Wohnungseigentümers angemessen ist und insbesondere nicht
zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung einzelner führt. Eine weitergehende
Eingrenzung der Eigenverantwortlichkeit der Wohnungseigentümer ist weder nach dem
Inhalt des Gesetzeswortlautes noch nach dem Willen des Gesetzgebers angezeigt.
Dies bedeutet insbesondere, dass der getroffene und nunmehr neugewählte
Kostenverteilungsschlüssel gegenüber dem ursprünglichen Schlüssel nicht besser sein
muss, was der Begriff besser auch immer ausdrücken mag.
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Vorliegend ist in Bezug auf den Allgemeinstrom zunächst eine ursprüngliche
Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen gemäß der Vorgabe der Teilungserklärung
vorgesehen gewesen. Die nunmehr getroffene Mehrheitsbeschlussfassung, wonach
nunmehr die Kosten des Allgemeinstroms nach der Anzahl der Wohneinheiten
festgesetzt werden soll, ist den Interessen der Gemeinschaft und auch denen einzelner
Wohnungseigentümer angemessen. Eine ungerechtfertigte Benachteiligung einzelner
ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil dürfte die Verteilung der Kosten des Allgemeinstromes
auf die Anzahl der Wohneinheiten eher einer Einzelfallgerechtigkeit entsprechen. So ist
es im Einzelnen nicht recht nachvollziehbar, weshalb ein einzelner Bewohner einer
Wohnung, welcher zahlreiche Miteigentumsanteile zugeordnet ist, einen größeren Anteil
an dem Allgemeinstrom zahlen soll als derjenige, welcher in einer Wohnung mit nur
einem geringeren Anteil von Miteigentumsanteilen wohnt. So hat der Kläger-Vertreter
zur Erläuterung der Wohnumstände in der Wohnanlage in der mündlichen Verhandlung
vom 17. Februar 2009 ausdrücklich ausgeführt, dass seiner Kenntnis nach in jeder
Wohnung nur eine einzelne Person wohnt.
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Aus den vorgenannten Gründen heraus ist es daher durchaus gerechtfertigt und auch
den Interessen der Gemeinschaft entsprechend, wenn nunmehr auch die Kosten des
Allgemeinstroms nach den Wohneinheiten verteilt werden.
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Eine unangemessene Benachteiligung einzelner vermag das Gericht – wie bereits
ausgeführt – dadurch nicht zu erkennen.
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Auch hinsichtlich des weiteren Beschlusses zum TOP 6 d) ist eine entsprechende
Beschlusskompetenz der Gemeinschaft aus § 16 Abs. 3 WEG durchaus gegeben.
Insbesondere ist auch entgegen den Ausführungen der Klägerin die Beschlussfassung
durchaus hinreichend bestimmt. Insofern ist von der Wohnungseigentümergemeinschaft
sogar hinsichtlich der Ausführung der Beschlussfassung der Verteilung der Kosten der
Müllabfuhr festgelegt worden, dass am Ende des Jahres eine entsprechende Erfassung
der Personen durch eine Personenstandsliste erfolgen soll.
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Berücksichtigt man unter Hinweis auf die obigen Ausführungen wiederum, dass jede
Wohnung in der Wohnanlage lediglich von einer Person bewohnt wird, dann wird
dadurch hinreichend deutlich, dass die nunmehr getroffene Verteilung der Kosten der
Müllabfuhr den Interessen der Gemeinschaft sogar besser entspricht, als der
ursprüngliche Kostenverteilungsschlüssel, obwohl eine derartige Besserstellung nicht
Voraussetzung für eine Mehrheitsbeschlussfassung ist.
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Es ist nämlich nicht einzusehen, weshalb ein Eigentümer, der alleine in einer größeren
Wohnung wohnt mehr Anteile an der Müllabfuhr tragen soll als ein Eigentümer, der
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ebenfalls alleine, jedoch nur in einer kleinen Wohnung wohnt.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass bei der tatsächlichen Ausgestaltung und bei der
letztendlich wesentlichen Erfassung der tatsächlichen Anzahl der Bewohner einer
Wohnung über einen Jahreszyklus hinweg Probleme auftreten können. Diese Probleme
sind aber tatsächlicher Natur und beeinträchtigen nicht die grundsätzliche
Ermessensentscheidung der Wohnungseigentümergemeinschaft über den zu treffenden
Kostenverteilungsschlüssel.
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Das Gericht vermag hinsichtlich der beiden zur Überprüfung des Gerichts gestellten
Beschlüsse ebenfalls nicht zu erkennen, dass die Beschlussfassung von Seiten der
Wohnungseigentümergemeinschaft willkürlicher Natur ist.
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Die oben dargelegten Gründe sind durchaus sachlicher Natur und bewegen sich im
Rahmen dessen, was als ordnungsgemäßer Verwaltung betrachtet werden kann.
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Damit aber entsprechen die angefochtenen Beschlüsse insgesamt ordnungsgemäßer
Verwaltung, so dass die Anfechtung dieser Beschlussfassungen in der Sache selbst
nicht begründet ist.
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Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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