Urteil des AG Potsdam vom 14.03.2017

AG Potsdam: schlüssiges verhalten, mangel, kündigung, hotel, abend, aufenthalt, verfügung, link, sammlung, abreise

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Gericht:
AG Potsdam
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
22 C 58/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 651a BGB, § 651e BGB, § 651c
BGB
Kündigung des Reisevertrages bei überwiegender
Nichtverfügbarkeit der Wellnessangebote im gebuchten
Wellnesshotel
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Abfassung des Tatbestandes wird im Hinblick auf § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Zahlung des Reisepreises
gem. § 651 a BGB zu.
Der zwischen den Parteien geschlossene Reisevertrag ist durch die Kündigung der
Beklagten gem. § 651 e Abs. 1 S. 1 BGB beendet worden. Die Beklagte war zur
Kündigung gem. § 651 e BGB berechtigt, da die bei der Klägerin gebuchte Reiseleistung
mangelhaft im Sinne des § 651 c BGB war und dieser Mangel zu einer erheblichen
Beeinträchtigung der Reise führte.
Eine erhebliche Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn Mängel vorliegen, die eine
Minderung des Reisepreises von jedenfalls 20 % rechtfertigen (vgl. LG Frankfurt NJW
1989, 1399). Diese Quote ist im Streitfall erreicht und wohl auch überschritten.
Die Beurteilung der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vorliegt, setzt
eine am Reisezweck und am Reisecharakter orientierende Gesamtwürdigung aller
Umstände voraus. Maßgebend ist, ob dem Reisenden die Fortsetzung der Reise trotz
der Reisemängelunannehmlichkeiten zumutbar ist (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2005,
132).
Der Mangel bestand im Streitfall darin, dass sich der Beklagten und ihrem Ehemann in
dem gebuchten Wellnesshotel überwiegend nicht die versprochenen Möglichkeiten
boten, an dem dortigen Wellnessangebot teilzunehmen bzw. entsprechende
Anwendungen zu buchen und wahrzunehmen. Ihnen konnten lediglich noch zwei freie
Termine für Fußreflexzonenmassagen angeboten werden.
Die hierauf gestützte Mängeleinrede ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die
Beklagte die beabsichtigten Wellnessangebote nicht schon bei Buchung der Reise bei
der Klägerin mitgebucht hat. Auch ohne die von der Beklagten vorgenommene
Vorbuchung konkreter Wellnessanwendungen ist es jedoch Vertragsbestandteil und
damit Gegenstand der Leistungspflicht der Klägerin geworden, den Reisenden im
erforderlichen Umfang die Möglichkeit der Buchung und Wahrnehmung von vor Ort
befindlichen Wellnessanwendungen vorzuhalten. Dies ergibt sich aus den von beiden
Parteien vorgelegten Katalogauszügen der Klägerin als auch aus den sonstigen
Umständen des Vertragsschlusses. Nach dem insoweit unstreitigen Parteivorbringen
buchte die Beklagte am 22.07.2005 lediglich für 3 Nächte ein Hotelzimmer in Bad
Frankenhausen, in einem sogenannten Beauty und - Wellnesshotel. Aus diesem
Gesichtspunkt war von der Beklagten das betreffende Hotel ausgewählt worden. Auch
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Gesichtspunkt war von der Beklagten das betreffende Hotel ausgewählt worden. Auch
die Katalogbeschreibung des Hotels, welches nach Bekunden der Zeugin R. durch das
Heraussuchen des Hotels und die entsprechende Bezugnahme zur Grundlage des
Reisevertrages wurde, wirbt ausweislich der von den Parteien vorgelegten Kopien
schwerpunktmäßig mit den dort verfügbaren Wellness- und Beautyangeboten.
Ausweislich der Angaben in dem Prospekt sollten die dort angebotenen
Wellness/Beautybehandlungen täglich buchbar sein. Wird ein Aufenthalt in einem so
genannten Beauty- und Wellnesshotel gebucht, so kann und darf der Reisende davon
ausgehen, dass in diesem Hotel auch entsprechende Angebote zur Verfügung sind und
auch während seiner Urlaubszeit verfügbar sind. Aus den dort gegebenen
Beschreibungen ergibt sich auch eine tägliche Verfügbarkeit der Angebote.
Nach einer Gesamtschau dieser Umstände hätte die Klägerin die Beklagte auf die
Nichtverfügbarkeit diverser Anwendungen bei Vertragsschluss hinweisen müssen, wenn
sie gewollt hätte, dass die Möglichkeit zur Vorortbuchung nicht Vertragsbestandteil wird.
Der pauschale Hinweis auf die von der Klägerin vorgelegten Kopien der Katalogseiten 13
und 14 genügt dieser Hinweisobliegenheit nicht. Die Klägerin hat bereits nicht
hinreichend dargelegt, ob und auf welche Weise die dort abgedruckten Texte Bestandteil
des Reisevertrages geworden sein sollen. Selbst wenn sie Vertragsbestandteil geworden
sein sollten, wären sie jedoch nach dem Recht über die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen zu beurteilen, wonach Auslegungszweifel gem. § 305 Abs. 2 BGB
grundsätzlich zu Lasten des Verwenders gehen. Die Texthinweise lassen aber weder
erkennen, ob es sich bei den von der Beklagten ausgesuchten Wellnessanwendungen
um die von dem Text erfassten Special Care Pakete handelt, noch, was nur noch „Auf
Anfrage buchbar“ bedeuten solle. Ein konkreter Hinweis auf die mögliche
Nichtbuchbarkeit der gewünschten Wellnessanwendungen ist durch die Klägerin nicht
erfolgt.
Der in der Nichtbuchbarkeit der Anwendungen liegende Mangel führte entgegen der
Auffassung der Klägerin auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise. Ob bei
einer Reisebeeinträchtigung durch einen Mangel die Erheblichkeitsschwelle des § 651 e
Abs. 1 S. 2 BGB überschritten ist, muss dabei im Rahmen einer Gesamtschau und
Würdigung aller Umstände ermittelt werden. Besonderes Augenmerk ist auf den
Reisezweck und den Reisecharakter zu setzen (vgl. LG Frankfurt a. Main, RRA 2000, 52
f.).
Im Streitfall war, für die Klägerin erkennbar, von der Beklagten und ihrem Mann ein
sogenannter Wellnessaufenthalt mit der Wahrnehmung entsprechender Angebote
beabsichtigt. Zweck und Charakter einer solchen Reise werden aber vollständig
aufgehoben, wenn es am Reiseziel nahezu keine Möglichkeiten gibt,
Wellnessanwendungen wahrzunehmen. Wird ein Aufenthalt in einem so genannten
Beauty- und Wellnesshotel gebucht, so kann und darf der Reisende davon ausgehen,
dass in diesem Hotel auch entsprechende Angebote zur Verfügung sind und auch
während seiner Urlaubszeit verfügbar sind. Im Streitfall kann deshalb nicht mehr von
einem geringen Mangel gesprochen werden, selbst wenn das übrige Leistungsangebot
Übernachtung und Verpflegung tadellos waren. Ein den Reisezweck aufhebender Mangel
ist erheblich und berechtigt zur Kündigung nach § 651 e Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Bemühungen der Hotelleitung nach Ankunft der Beklagten zeigen, dass eine Abhilfe
unmöglich war, so dass es gem. § 651 e Abs. 2 S. 2 BGB auch nicht erst einer
Fristsetzung der Beklagten nach § 651 e Abs. 2 S. 1 BGB bedurfte. Aus dem gleichen
Grund war entgegen der Auffassung der Klägerin für den Fall der Reisepreisminderung
auch eine Mangelanzeige nach § 651 d Abs. 2 BGB entbehrlich und die Beklagte konnte
sofort kündigen.
Die Kündigung erfolgte seitens der Beklagten, indem sie mit ihrem Mann am Morgen
nach der Anreise wieder abreiste. Eine solche Kündigung durch schlüssiges Verhalten ist
als ausreichend anzusehen (vgl. LG Frankfurt a. Main, RRA 2002, 52 f; OLG Frankfurt a.
Main, NJW-RR 2005, 132).
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Entschädigung für bereits erbrachte
Leistungen nach § 651 e Abs. 3 S. 2 BGB. Zwar haben die Beklagte und ihr Ehemann für
die Übernachtung nach der Anreise bis zum Morgen des 30.07.2005 das gebuchte
Hotelzimmer genutzt und insofern eine von der Klägerin erbrachte Leistung in Anspruch
genommen. Diese Leistung war nach den Feststellungen des Gerichts infolge der
Vertragsaufhebung für die Beklagte und ihren Mann jedoch ohne Interesse. Die
Übernachtung erfolgte lediglich, weil die Anreise wie geplant erst am Abend des
29.07.2005 erfolgte und eine Abreise noch am gleichen Abend den Gästen, also auch
der Beklagten, nicht zumutbar war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht
vorliegen.
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