Urteil des AG Potsdam vom 14.03.2017

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Gericht:
AG Potsdam
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
34 C 58/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 61 VVG
Kfz-Kaskoversicherung: Nichtbeachten der Durchfahrthöhe einer
Tiefgarage als grob fahrlässige Schadensherbeiführung
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Versicherungsnehmer bei einer Selbstbeteiligung von 300,00 €, die
Beklagte Vollkaskoversicherer des Pkws Seat mit dem amtlichen Kennzeichen ….
Etwa im April 2006 montierte der Kläger - wie jedes Jahr - seinen Dachgepäckträger für
Fahrräder auf das Fahrzeug. Mit diesem Dachgepäckträger werden die Fahrräder
stehend transportiert, wobei ein Teil des Dachgepäckträgers nach oben als Stütze
gestellt wird, um den Rahmen des Fahrrades zu halten.
Am 27.07.2006 holte der Kläger ein Fahrrad aus der Werkstatt und befestigte es auf
dem Dachgepäckträger. Zu Hause angekommen, stieß bei der Einfahrt in die Tiefgarage
stieß das Fahrrad gegen die Unterkante der Decke, sodann der als Fahrradstütze
dienende Halterungsarm des Gepäckträgers. Der dadurch bedingte Schaden am
Fahrzeug des Klägers beträgt nach gutachterlicher Schätzung 2.996,98 €.
In seiner Schadensmeldung vom 30.07.2006, zu deren Einzelheiten auf die Ablichtung
Blatt 13 und 15 der Akten Bezug genommen wird, verneinte der Kläger die Frage der
Beklagten nach Vorschäden. Tatsächlich hatte das Fahrzeug jedoch am 18.02.2006 bei
einem Parkplatzunfall einen Schaden hinten rechts und am 06.03.2006 einen
Steinschlagschaden an der Windschutzscheibe - beide durch die Beklagte reguliert bzw.
bearbeitet - erlitten.
Zum Unfallhergang gab der Kläger an, mit dem Fahrräderaufbau in die Tiefgarage
gefahren zu sein. Dabei seien Fahrradhalter und Grundträger aus der Verankerung
gerissen und zerbrochen und hätten Schäden am Dach verursacht.
Mit Datum vom 07.08.2006 lehnte die Beklagte Leistungen aus dem
Versicherungsvertrag ab. Eine weitere anwaltliche Mahnung blieb erfolglos; mit der am
04.12.2006 zugestellten Klageschrift verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.696,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 04.12.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich darauf, Schäden, die - wie hier - durch die Ladung des Fahrzeugs
verursacht seien, seien nicht versichert. Der Kläger habe den Schaden zudem grob
fahrlässig herbeigeführt. Schließlich habe er gegen seine Obliegenheiten verstoßen,
indem er den Schadenshergang unzutreffend geschildert und Vorschäden verschwiegen
habe.
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Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf
Leistungen aus dem Versicherungsvertrag nach § 1 Abs. 1 S. 1 VVG i.V.m. §§ 12, 13
AKB.
Es kann dahinstehen, ob der hier streitige Schaden überhaupt unter den
Versicherungsschutz fällt. Die Beklagte ist jedenfalls von der Verpflichtung zur Leistung
frei. Der Kläger hat den Versicherungsfall grob fahrlässig im Sinne des § 61 VVG
herbeigeführt.
Grob fahrlässig handelt, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem
Maße verletzt, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und
das nicht beachtet, was in gegebenem Fall jedem einleuchten muß. So liegt der Fall hier.
Der Kläger fuhr jedenfalls seit drei Monaten mit montiertem Dachgepäckträger, er hatte
das schadensstiftende Fahrrad am Unfalltag aus der Werkstatt geholt und auf dem
Dachgepäckträger befestigt. Er kann sich nicht auf ein so genanntes
„Augenblicksversagen“ berufen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände entbindet ein
Augenblicksversagen nicht vom Vorwurf grober Fahrlässigkeit (vgl. BGH VersR 1992,
1085, 1086). Derartige Umstände trägt der Kläger hingegen nicht vor. Der Kläger kann
sich für seine Auffassung auch nicht auf die Entscheidung des Amtsgerichts Würzburg,
veröffentlicht in DAR 1993, 473, 474, berufen. Diese Entscheidung ist auf den
vorliegenden Fall nicht übertragbar. Sie bezieht sich auf Kraftfahrer, die in der Regel nur
Pkw ohne Aufbauten benutzen. Der Kläger hingegen fährt nach eigenem Vortrag jeden
Sommer mit montierten Fahrradträger, zum Schadenszeitpunkt bereits seit drei
Monaten und hatte das Fahrrad kurz vor dem Unfall selbst auf dem Gepäckträger
befestigt.
Die Beklagte ist auch nach § 7 Abs. 3 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG von der Verpflichtung
zur Leistung frei. Der Kläger verletzte seine Aufklärungsobliegenheiten. Er schilderte den
Schadenshergang nicht vollständig, sondern verschwieg zunächst, dass er mit der
Ladung - dem transportierten Fahrrad - zunächst gegen die Decke der Tiefgarage stieß.
Zudem verletzte der Kläger noch vorsätzlich seine Aufklärungsobliegenheit nach § 7
Abs. 2 AKB, indem er Vorschäden seines Fahrzeugs verschwieg. Er gab weder den
Steinschlagschaden in der Windschutzscheibe noch den Seitenschaden hinten rechts an.
Die Offenbarungspflicht des Klägers war nicht dadurch herabgesetzt und gar beseitigt,
dass die Beklagte selber mit der Regulierung der beiden Schäden befaßt war. Ein
Versicherungsnehmer kann sich im Nachhinein nicht darauf berufen, der Versicherer
habe den Sachverhalt noch zeitig genug erfahren oder sich die erforderlichen
Informationen anderweitig - etwa durch Recherchen in eigenen Archiven - beschaffen
können (vgl. KG VersR 1993, 92; OLG Hamm VersR 1994, 590, 591; OLG Köln r+s 1995,
206).
Die Obliegenheitsverletzung war relevant. Das Verschweigen von Vorschäden ist generell
geeignet, die Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden. Anzahl und Umfang der
Vorschäden sind bedeutsam für den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs, der die
obere Leistungsgrenze der Beklagten bestimmt. Der Kläger kann sich nicht darauf
berufen, die Frage der Beklagten sei mißverständlich formuliert. Die Fragestellung der
Beklagten ist eindeutig. Sie fragt nach reparierten und unreparierten Schäden an dem
Kfz, mithin am gesamten Fahrzeug.
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit
folgt §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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