Urteil des AG Pankow-Weißensee vom 30.05.1994

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Gericht:
AG Pankow-
Weißensee
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
100 C 461/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 305c BGB, § 307 Abs 1 S 1
BGB, § 535 BGB, § 536 BGB, §
536aF BGB
Allgemeine Vertragsbedingungen im Dauernutzungsvertrag
einer Wohnungsgenossenschaft: Unwirksamkeit einer
Schönheitsreparaturpflicht nach Fristenplan
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM)
Die Beklagte war auf Grundlage des schriftlichen Dauernutzungsvertrages vom
30.5.1994 seit dem 1.6.1994 Mieterin, die Klägerin Vermieterin der Wohnung in Berlin.
Nach § 6 des Mietvertrages sind Bestandteile des Nutzungsvertrages die Allgemeinen
Vertragsbestimmungen (AVB) der Klägerin in der Fassung August 1993.
Gemäß § 2 Abs. 4 des Mietvertrages sind vom Mitglied (Mieter) nach Maßgabe der
Allgemeinen Vertragsbestimmungen die Schönheitsreparaturen auszuführen (vgl. Nr. 4
und 11 AVB).
Nummer 4 („Erhaltung der überlassenen Wohnung“) der AVB lautet wie folgt:
(1) (…)
(2) Schönheitsreparaturen sind fachgerecht auszuführen. Die Schönheitsreparaturen
umfassen das Anstreichen, Kalken oder Tapezieren der Wände und Decken, das
Streichen der Fußböden und den Innenanstrich der Fenster, das Streichen der Türen und
der Außentüren von innen sowie der Heizkörper einschließlich der Heizrohre.
Die Schönheitsreparaturen sind spätestens nach Ablauf folgender Zeiträume
auszuführen: in Küchen, Bädern und Duschen alle drei Jahre, dabei sind die
Innenanstriche der Fenster sowie die die Anstriche der Türen, Heizkörper und Heizrohre
spätestens alle vier Jahre durchzuführen, in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und
Toiletten alle fünf Jahre, in anderen Nebenräumen alle sieben Jahre.
Das Mitglied ist für den Umfang der im Laufe der Nutzungszeit ausgeführten
Schönheitsreparaturen beweispflichtig.
(3) Läßt in besonderen Ausnahmefällen der Zustand der Wohnung eine
Verlängerung der nach Abs.2 vereinbarten Fristen zu oder erfordert der Grad der
Abnutzung eine Verkürzung, so ist die Genossenschaft auf Antrag des Mitglieds
verpflichtet, im anderen Fall aber berechtigt, nach billigem Ermessen die Fristen des
Planes bezüglich der Durchführung einzelner Schönheitsreparaturen zu verlängern oder
zu verkürzen.
(4) (…)
Nummer 11 (Rückgabe der überlassenen Wohnung) der AVB lautet wie folgt:
(1) Bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses ist die überlassene Wohnung in
ordnungsgemäßem Zustand zu übergeben.
(2) (…)
(3) Hat das Mitglied die Schönheitsreparaturen übernommen, so sind die nach Nr. 4
Abs. 2 fälligen Schönheitsreparaturen rechtzeitig vor Beendigung des
Nutzungsverhältnisses nachzuholen.
(4) Sind bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses Schönheitsreparaturen noch
nicht fällig im Sinne von Nr. 4 Abs. 2 AVB, so hat das Mitglied an die Genossenschaft
einen Kostenanteil zu zahlen, da die Übernahme der Schönheitsreparaturen durch das
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einen Kostenanteil zu zahlen, da die Übernahme der Schönheitsreparaturen durch das
Mitglied bei der Berechnung der Nutzungsgebühr berücksichtigt worden ist. Zur
Berechnung des Kostenanteils werden die Kosten einer im Sinne der Nr. 4 Abs.3
umfassenden und fachgerechten Schönheitsreparatur im Zeitpunkt der Beendigung des
Nutzungsverhältnisses ermittelt.
Der zu zahlende Anteil entspricht in der Regel dem Verhältnis zwischen den vollen
Fristen lt. Nr. 4 Abs. 2 und den seit Ausführung der letzten Schönheitsreparaturen bis
zur Räumung abgelaufenen Zeiträumen.
Die Kostenanteile des Mitglieds werden zur Durchführung von Schönheitsreparaturen
verwendet (vgl. Nr. 3 Abs. 2). Soweit das Mitglied noch nicht fällige
Schönheitsreparaturen rechtzeitig vor Beendigung des Nutzungsverhältnisses
durchführt, ist es von der Zahlung des Kostenanteils befreit.
(5) (…)
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Dauernutzungsvertrag vom 30.5.1994
nebst Allgemeinen Vertragsbestimmungen (Fassung August 1993) verwiesen.
Die Wohnung war bei Mietvertragsbeginn unrenoviert an die Beklagte übergeben worden.
Die Beklagte ließ die Wohnung bei Mietvertragsbeginn von einem Malermeister für
3943,24 DM renovieren.
Das Mietverhältnis endete infolge ordentlicher Kündigung der Beklagten zum 30.6.2006.
Am 9.5.2006 fand ein ,,Vorabnahmetermin“ statt, bei dem ein Protokoll gefertigt wurde.
Die Wohnungsrückgabe erfolgte am 21.6.2006. Auf einem Vordruck der Klägerin wurde
ein Wohnungsübergabeprotokoll gefertigt, in dem die Mitarbeiterin der Klägerin
handschriftlich Eintragungen unter anderem zum Zustand der einzelnen Räume nebst
Ausstattungsmerkmalen fertigte und diverse Eintragungen unter der jeweiligen Rubrik
„folgende Schönheitsreparaturen sind zu Lasten des Mieters auszuführen“ vornahm.
Die Beklagte verweigerte ihre Unterschrift unter die Seiten des
Wohnungsübernahmeprotokolls. Mit Schreiben vom 27.6. 2006 forderte die Klägerin die
Beklagte unter Fristsetzung zum 3.7.2007 und Nachfristsetzung zum 15.7.2006 zur
Durchführung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Schönheitsreparaturen auf,
wobei die im einzelnen notwendigen Arbeiten zur Herstellung eines vertragsgemäßen
Zustands der Wohnung für die einzelnen Zimmer nochmals aufgeführt wurden. Die
Beklagte führte die geforderten Arbeiten nicht aus, so dass die Klägerin Arbeiten
ausführen ließ.
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten die Kosten für die Durchführung der
malermäßigen Schönheitsreparaturen in der Wohnung gemäß Rechnung des
Malermeisters in Höhe von 2071,05 EUR geltend, ferner die Kosten für den Austausch
zweier überlackierter Steckdosen im Schlafzimmer gemäß Rechnung der Firma E. GmbH
in Höhe von 71,61 EUR. Ferner macht die Klägerin für die Monate Juli und August 2006
Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von jeweils 298,81 EUR – der zuletzt gezahlten
Miete – geltend. Die Klägerin behauptet, aufgrund des schlechten malermäßigen
Zustands der Wohnung habe sie für die Monate Juli und August 2006 trotz
entsprechender Bemühungen keinen neuen Mieter finden können. Die Klägerin ist der
Ansicht, die vertragliche Überbürdung der Verpflichtung zur Durchführung von
Schönheitsreparaturen auf den Mieter sei wirksam.
Die Beklagte ist der Ansicht, die formularmäßige Überbürdung der Durchführung der
Schönheitsreparaturen sei aus mehreren Gründen unwirksam. Im übrigen seien – auch
bei unterstellter wirksamer Überbürdung der Verpflichtung zur Durchführung von
Schönheitsreparaturen – Schönheitsreparaturen allenfalls in Küche und Bad fällig
gewesen. Sie behauptet, die letzte Renovierung sei im Flur und im Schlafzimmer im April
2002 und in den übrigen Räumen Ende 2001 durchgeführt worden. Bei Rückgabe der
Wohnung sei diese entgegen der Darstellung der Klägerin insgesamt nicht
renovierungsbedürftig gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Zahlungsforderungen aus keinem
rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere nicht aus §§ 280 Abs.1 und 3, 281 BGB.
Die Überbürdung der Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter
im Mietvertragsformular und den AVB (Fassung 1993) ist gemäß § 9 AGBG (nunmehr §
307 BGB) wegen unangemessener Benachteilung unwirksam.
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Die Frage, wann die Beklagte zuletzt Schönheitsreparaturen in der Wohnung ausgeführt
hat, kann ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, in welchem Dekorationszustand
sich die Wohnung bei Wohnungsrückgabe befand.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist zwar eine Regelung mit einem starren
Fristenplan dann nicht unwirksam, wenn – wie vorliegend in Abs. 3 von Nr. 4 AVB – eine
Verlängerungsmöglichkeit durch den Vermieter nach billigem Ermessen besteht (vgl.
BGH Urt. v. 16.2.2005, VIII ZR 48/04, GE 2005, 427f [= WuM 2005, 241]).
Es kann dahingestellt bleiben, ob dies auch für den Zeitpunkt des Mietvertragsendes
bzw. unter Berücksichtigung der Regelung bei Mietvertragsende in Nr. 1 1 AVB gilt, in der
lediglich auf Nr. 4 Abs. 2 AVB, nicht aber auf Nr. 4 Abs. 3 AVB verwiesen wird.
Die Überbürdung der Durchführung der Schönheitsreparaturen gemäß dem Fristenplan
in Nr. 4 der AVB ist vorliegend gemäß § 9 AGBG bzw. § 307 BGB jedenfalls aus dem
Grunde unwirksam, dass die allgemein gültigen Fristen als Ausgangspunkt nicht
ausdrücklich den Beginn des Mietverhältnisses haben. Dies ist aber – wenn nicht
formularvertraglich festgelegt ist, dass Wohnungen bei Mietvertragsbeginn immer frisch
renoviert übergeben werden bzw. ein Anspruch des Mieters auf Anfangsrenovierung
durch den Vermieter besteht – erforderlich, weil andernfalls die Fristen bereits vor
Mietvertragsbeginn – nämlich mit dem Zeitpunkt der letzten Durchführung von
Schönheitsreparaturen in der Wohnung – zu laufen begannen, mit der Folge, dass eine
Verpflichtung zur Renovierung auch vorvertragliche Abnutzungszeiträume umfassen
würde, und die Fristen bereits kurz nach Beginn des Mietverhältnisses abgelaufen sein
können. Dies stellt jedoch eine unangemessene Benachteilung dar.
Die Klausel ist auch nicht dahingehend auszulegen, dass der verbindliche Fristenplan mit
Verlängerungsmöglichkeit erst ab Mietvertragsbeginn läuft. Hierzu wäre eine
Formulierung wie „während des Mietverhältnisses“ oder „während der Mietzeit“
erforderlich gewesen, die jedoch fehlt. Unklarheiten gehen gemäß § 5 AGBG (jetzt § 305
c Abs. 2 BGB) zu Lasten des Verwenders.
Wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion ist die gesamte klauselmäßige
Überbürdung der Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen unwirksam.
Ob die Abgeltungsklausel in Nr. 11 Abs. 4 der AVB den Mieter unangemessen
benachteiligt und die gesamte Überbürdung der Verpflichtung zur Durchführung von
Schönheitsreparaturen ungültig macht, kann damit ebenfalls dahingestellt bleiben.
Mangels Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen scheidet ein
Schadensersatzanspruch wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen aus.
Ein Schadensersatzanspruch für den Austausch überlackierter Steckdosen scheitert
bereits an der fehlenden Aufforderung zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung.
Mangels Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen fehlt es an einer
Grundlage für den geltend gemachten Nutzungsentschädigungsanspruch für die Monate
Juli und August 2006.
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