Urteil des AG Pankow-Weißensee vom 14.03.2017

AG Pankow-Weißensee: wohnung, gebäude, akte, bad, treppenhaus, mieter, zustand, lärm, klagefrist, zugang

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Gericht:
AG Pankow-
Weißensee
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 C 42/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 558 BGB, §§ 558ff BGB
Wohnraummieterhöhung in Berlin: Ermittlung der ortsüblichen
Vergleichsmiete nach dem Berliner Mietspiegel 2005 oder nach
dem Berliner Mietspiegel 2007
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Tatbestand
Mit Vertrag vom 18. November 1999 mietete die Beklagte von der damaligen
Hauseigentümerin die im ersten Obergeschoss rechts des vor 1910 errichteten Hauses
... in ... B gelegene, 77,06 m² große Dreizimmerwohnung. Die Wohnung war mit
innenliegendem WC, Bad und Sammelheizung ausgestattet. Nach 1994 war eine
moderne Heizanlage in das Gebäude installiert worden. Nachdem die damalige
Hauseigentümerin das Anwesen an die Kläger verkauft und aufgelassen hatte, wurden
diese am 25. September 2006 als neue Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Mit
Schreiben gleichen Datums, zu dessen Einzelheiten auf die zur Akte gereichte
Ablichtung (Blatt 38 und 39 der Akte) Bezug genommen wird, forderte die von den
Klägern beauftragte Hausverwalterin die Beklagte auf, einer Erhöhung der seinerzeit
323,58 Euro betragenden monatlichen Nettokaltmiete um 33,16 Euro auf 356,74 Euro
mit Wirkung zum 01. Dezember 2006 zuzustimmen. Die Hausverwalterin warf dieses
Mieterhöhungsverlangen noch am 25. September 2006 in den zur Wohnung der
Beklagten gehörenden Briefkasten ein.
Die Kläger machen unter anderem geltend, die zur Wohnung gehörenden Räume seien
überwiegend gut belichtet und besonnt. Das Gebäude befinde sich überdies in
überdurchschnittlichem Instandhaltungszustand. Insoweit führen die Kläger den –
unstreitigen – Umstand an, dass das Dach des Hauses 1999 abgedeckt, abgedichtet
und danach neu eingedeckt worden ist. Ferner behaupten sie, die gesamte Fassade sei
im Jahr 2004 renoviert worden. Der gesamte Putz sei erneuert und malermäßig
"runderneuert" worden. Die Außenseiten der Fenster seien vollständig überarbeitet,
abgeschliffen, ausgebessert und neu gestrichen worden.
Mit ihrer bei Gericht am 01. Februar 2007 eingegangenen Klage beantragen die Kläger,
die Beklagte zu verurteilen, einer Mieterhöhung für die vorgenannte
Wohnung von monatlich 323,58 Euro Kaltmiete um 33,16 Euro auf 356,74 Euro ab dem
01. Dezember 2006 zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Klage sei mangels Bestimmtheit unzulässig. Sie behauptet, das
Badezimmer ihrer Wohnung sei lediglich mit einer freistehenden Badewanne ohne
Verblendung ausgestattet. Eingangsbereich und Treppenhaus befänden sich
überwiegend in schlechtem Zustand, da jahrzehntelang nicht renoviert. Die Wohnung sei
wegen ihrer Lage in der Einflugschneise zum Flughafen Tegel erheblich durch Fluglärm
belastet. Von dem in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Biergarten gingen
erhebliche Lärm- und Geruchsbelästigungen aus.
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Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 14. Juni 2007 Beweis durch die
Einnahme richterlichen Augenscheins erhoben. Zu den Einzelheiten des
Beweisbeschlusses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14. Juni 2007 (Blatt 86 der
Akte), zum Ergebnis der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Juli 2007
(Blatt 93 bis 95 der Akte) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die
zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Kläger haben die Zustimmungsklage unter Beachtung der in § 558 b Abs. 2 Satz 2
BGB bestimmten, insgesamt fünfmonatigen Klagefrist erhoben. Diese Frist endet nach
der vorgenannten Regelung mit Ablauf des fünften Monats, der auf den Zugang des
Mieterhöhungsverlangens folgt. Da das Mieterhöhungsverlangen vom 25. September
2006 noch am gleichen Tag in den zur Wohnung der Beklagten gehörenden Briefkasten
eingeworfen worden und damit im Rechtssinne des § 130 Abs. 1 BGB zugegangen ist,
endete die Klagefrist hier erst mit Ablauf des 28. Februar 2007. Der Beklagten ist die
Zustimmungsklage aber bereits am 09. Februar 2007 zugestellt und damit im
Rechtssinne erhoben worden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten begründet auch der von den Klägern –
allerdings: recht umständlich – formulierte Klageantrag keine durchgreifenden
Zulässigkeitsbedenken. Er ist insbesondere im Rechtssinne des § 253 Abs. 2 Ziffer 2
ZPO bestimmt. Er lässt nämlich zweifelsfrei erkennen, was die Kläger von der Beklagten
begehren. Im Klageantrag ist nicht nur das Zustimmungsbegehren eindeutig
ausgesprochen; es ist auch durch die Angabe der vollständigen Anschrift sowie der Lage
der Wohnung hinreichend auf eine bestimmte Wohnung bezogen und durch die Angabe
eines bestimmten Zeitpunktes des Wirksamwerdens der Mieterhöhung weiter
konkretisiert. Durch Angabe der Ausgangsmiete als "... von bisher monatlich 323,58
Euro Kaltmiete ..." ist auch hinreichend klargestellt, dass die Zustimmung zur Erhöhung
der Nettokaltmiete begehrt wird. Das ergibt sich im Übrigen auch hinreichend aus dem
Mieterhöhungsverlangen vom 25. September 2006, welches das Gericht, so denn
erforderlich, zur Auslegung des Klageantrages ergänzend heranziehen könnte.
2. Die Klage ist aber nicht begründet. Gemäß § 558 Abs. 1 BGB ist die Beklagte nur dann
verpflichtet, einer Mieterhöhung zuzustimmen, wenn und soweit die ortsübliche
Vergleichsmiete nicht überschritten wird. Im vorliegenden Fall war die ortsübliche
Vergleichsmiete zum maßgeblichen Zeitpunkt aber nicht höher als die von der
Beklagten bislang monatlich bezahlten 323,58 Euro netto kalt.
a) Für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist entgegen der
Auffassung der Kläger maßgeblich derjenige Zeitpunkt, zu dem dem Mieter das
Mieterhöhungsverlangen zugeht (vgl. LG Berlin, MM01, 151; Schmidt-
Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Auflage, § 558 a BGB Rz. 67).
Da der Beklagten das Mieterhöhungsverlangen vom 25. September 2006 noch
am gleichen Tag zugegangen ist, richtet sich die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem
Berliner Mietspiegel 2005. Zwar liegt dessen Bewertungsstichtag mit dem 01. Oktober
2004 erheblich früher, während der Bewertungsstichtag des Berliner Mietspiegels 2007
mit dem Bewertungsstichtag 01. Oktober 2006 nur um eine Woche nach dem
maßgeblichen Zeitpunkt liegt. Das ändert indes nichts daran, dass die ortsübliche
Vergleichsmiete im vorliegenden Fall allein unter Heranziehung des Berliner Mietspiegels
2005 zu bestimmt ist. Verlässliche Daten zu der am 25. September 2006 zu
ermittelnden ortsüblichen Vergleichsmiete ergaben sich seinerzeit ausschließlich aus
den Ermittlungen, die dem Berliner Mietspiegel 2005 mit dem Bewertungsstichtag 01.
Oktober 2004 zugrunde lagen. Die tatsächlichen Grundlagen des Berliner Mietspiegels
2007 konnten dem gegenüber erst später, nämlich zum 01. Oktober 2006 ausgewertet
und zu einer konkreten Bewertung formuliert werden.
Gegen die Heranziehung eines erst nach dem Zugang des
Mieterhöhungsverlangens aufgestellten Mietspiegels sprechen im Übrigen auch
rechtspraktische Erwägungen. Der Mieter wäre zu einer sachgemäßen Prüfung des
Erhöhungsverlangens des Vermieters nicht in der Lage, weil das in dem
Mieterhöhungsverlangen angegebene Begründungsmittel – hier der Berliner Mietspiegel
2005 – keine, jedenfalls keine hinreichend zuverlässige Auskunft über die Begründetheit
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2005 – keine, jedenfalls keine hinreichend zuverlässige Auskunft über die Begründetheit
des Mieterhöhungsverlangens geben könnte. Der jeweils aktuelle Mietspiegel wäre
danach kein taugliches Begründungsmittel mehr. Das wäre mit seinem objektiven Zweck
und § 558 a Abs. 2 Ziff. 1 BGB unvereinbar.
b) Da das Anwesen ... nach dem Straßenverzeichnis zum Berliner Mietspiegel 2005
eine einfache Wohnlage darstellt, ist es nach Bezugsfertigkeit, Ausstattung, Größe und
Lage in das Mietspiegelfeld G 2 des Berliner Mietspiegels 2005 einzuordnen.
Danach ergibt sich für die Wohnung der Beklagten eine ortsübliche
Nettokaltmiete, die noch unter den von ihr bislang gezahlten 4,20 Euro je Quadratmeter
(323,58 Euro für 77,06 m²) liegt. Unter Anwendung der Spanneneinordnung ist von dem
Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete des Mietspiegelfeldes G 2 nämlich
zumindest ein 20%iger Abschlag zu machen, was eine Quadratmetermiete von nicht
mehr als 4,12 Euro (4,39 – 3,06 : 5 – 4,39) ergibt.
aa) In der Merkmalgruppe Bad/WC überwiegen die wohnwertmindernden
Merkmale, weil das Bad lediglich eine freistehende Wanne ohne Verblendung aufweist.
Das hat die Einnahme richterlichen Augenscheins zweifelsfrei ergeben; das
diesbezügliche Bestreiten der Kläger war also zumindest objektiv unrichtig.
bb) Zwar mag dieser Minderwert noch dadurch ausgeglichen werden können,
dass in der Merkmalgruppe Wohnung die wohnwerterhöhenden Merkmale überwiegen,
weil die Wohnräume überwiegend gut belichtet/besonnt sind.
cc) Indes überwiegen auch in der Merkmalgruppe Wohnumfeld die
wohnwertmindernden Merkmale, weil die Wohnung durch Flugverkehr belastet und
außerdem durch die vom benachbarten Biergarten ausgehenden Geräusche
beeinträchtigt ist.
Bei der Einnahme gerichtlichen Augenscheins konnte das Gericht schon bei
der Annäherung an das Anwesen ... feststellen, dass die bei der vorherrschenden
Westwindlage aus östlicher Richtung herannahenden Verkehrsjets mehr oder weniger
zielgenau über das Anwesen und den sich in westlicher Richtung anschließenden
Bürgerpark hinweg zur Landung auf der etwa 6.000 m entfernten Bahn des Flughafens
Tegel ansetzen. Dabei sind die Flugzeuge noch etwa 1 ½ Minuten vom so genannten
touch down entfernt und sinken rasch, während Fahrwerk und Klappen voll ausgefahren
sind. In etwa beim Passieren des von der Beklagten bewohnten Anwesens erhöhen die
Piloten die Schubleistung. Dies konnte das Gericht durch ein deutlich vernehmbares
Aufheulen der Triebwerte ohne weiteres feststellen.
Zwar ist der von einem solchen Überfliegen ausgehende Lärm in der
Wohnung der Beklagten nicht so intensiv, dass man sein eigenes Wort nicht mehr
versteht. Er ist allerdings sehr deutlich wahrnehmbar, weshalb die Wohnung der
Beklagten ungeachtet einer fehlenden Kennzeichnung im Straßenverzeichnis zum
Berliner Mietspiegel 2005 nach Auffassung des Gerichts als erheblich fluglärmbelastet zu
bewerten ist.
Darüber hinaus gehen von dem in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen
Biergarten wohnwertbeeinträchtigende Geräusche aus. Dazu hat das Gericht bei der
Einnahme des Augenscheins zunächst feststellen können, dass im Vorgarten des
unmittelbar benachbarten Eckhauses Nr. 5 ein Biergarten betrieben wird, der allein an
der zur ... gelegenen Seite 70 bis 80 Plätze aufweist. Zwar konnte ... das Gericht
anlässlich der Inaugenscheinnahme keinen konkreten Biergartenlärm feststellen.
Allerdings war der Biergarten am Ende eines regnerischen Tages auch nur mit sieben
oder acht Plätzen besetzt. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass der
Biergarten bei günstigeren Wetterbedingungen erheblich besser besucht ist und von den
Gästen, ihren Unterhaltungen, ihrer An- und Abfahrt usw. erhebliche
Geräuschbelästigungen ausgehen. Das gilt umso mehr, als dieser Biergarten in idealer
Nähe zum sogleich auf der gegenüberliegenden Straßenseite beginnenden Bürgerpark
Pankow liegt, dessen Ostportal sich in direkter Verlängerung der ... weniger als 100 m
entfernt befindet
dd) Das insgesamt wohnwertmindernde Wohnumfeld wird – entgegen der
Auffassung der Kläger – von der Beschaffenheit des Gebäudes nicht ausgeglichen.
Zwar weist das Gebäude eine nach dem Jahre 1994 eingebaute moderne
Heizanlage als wohnwerterhöhendes Merkmal auf.
Nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins kann von einem
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Nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins kann von einem
überdurchschnittlichen Instandhaltungszustand des Gebäudes aber keine Rede sein.
Zwar mag das Dach im Jahre 1999 erneuert und fünf Jahre später auch die
straßenseitige Außenfassade gestrichen worden sein. Dem gegenüber weist die
Hoffassade Grauputz ohne jeden Farbanstrich auf, der im Sockelbereich durch
zahlreiche Abplatzungen und Ausblühungen beschädigt und im Übrigen auch dort nicht
vervollständigt worden ist, wo früher vorhandene Außenwandheizer entfernt worden
waren.
Die Fassadenrenovierung hat danach nur zur Hälfte, nämlich auf der
Straßenseite stattgefunden und steht im Übrigen noch – im Sockelbereich der
Hoffassade dringend – aus. Allein wegen einer Instandsetzung des Daches lässt sich
aber kein insgesamt überdurchschnittlicher Instandhaltungszustand des Gebäudes
feststellen.
Der wohnwerterhöhenden Heizanlage steht der wohnwertmindernd schlechte
Zustand von Treppenhaus und Eingangsbereich entgegen, so dass die Merkmalgruppe
Gebäude unter Wohnwertgesichtspunkten allenfalls als ausgeglichen bezeichnet werden
kann. Treppen, Wände, Türen und Decken des gesamten Treppenhauses sind
jahrzehntelang nicht instand gesetzt worden. Sie weisen nämlich zahlreiche
Farbabplatzungen und Beschädigungen, durchweg einen – in den oberen Bereichen
kaum noch zu erkennenden – Altanstrich sowie zahlreiche, teilweise nur notdürftig
ausgebesserte Putzschäden auf. Dies verleiht sowohl dem Eingangsbereich als auch
dem Treppenhaus einen insgesamt ungepflegten, stark abgenutzten und düsteren
Charakter. Der heruntergekommene Eindruck wird durch ungestrichene
Putzausbesserungen und auf Putz verlegte graue Kabelkanäle aus Plastik noch
verstärkt.
Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob, wie die Beklagte geltend macht, auch
die Merkmalgruppe Küche als wohnwertmindernd zu bewerten ist. Da Bad und
Wohnumfeld wohnwertmindernd und lediglich die Wohnung selbst als wohnwerterhöhend,
das Gebäude hingegen lediglich als neutral zu bewerten ist, ergibt sich per Saldo
zumindest eine wohnwertmindernde Merkmalgruppe, was einen 20%igen Abzug vom
Mittelwert zur Folge hat.
c) Dem von den Klägern für eine höhere Vergleichsmiete angetretenen
Sachverständigenbeweis war hier nicht nachzugehen. Der Berliner Mietspiegel 2005
stellt einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne § 558 d BGB dar, der als
vorweggenommenes Sachverständigengutachten zu bewerten ist. Da für Anwesen wie
das hier streitige hinreichend Daten erhoben werden konnten, trifft der Berliner
Mietspiegel 2005 zur ortsüblichen Vergleichsmiete auch hinreichend verlässliche
Aussagen, so dass die zusätzliche Heranziehung eines gerichtlich bestellten
Sachverständigen ermessensfehlerhaft wäre.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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