Urteil des AG Pankow-Weißensee vom 13.03.2017

AG Pankow-Weißensee: einstweilige verfügung, bauarbeiten, neues vorbringen, wohnung, wiederholungsgefahr, auflage, erhaltung, mieter, aufschub, abmahnung

1
2
3
4
5
6
7
8
9
Gericht:
AG Pankow-
Weißensee
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 C 1014/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 554 Abs 2 BGB, § 554 Abs 3
BGB, § 554 Abs 4 BGB
Wohnraummiete: Einstweilige Verfügung des Mieters gegen
Modernisierungsarbeiten in einer Nachbarwohnung
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung vom ... wird bestätigt.
2. Den Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld
bis zu 250.000,00 Euro oder Ordnungshaft, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs
Monaten, angedroht.
3. Die Verfügungsbeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Verfügungsbeklagten vermieten dem Verfügungskläger die im ersten Obergeschoss
rechts des Seitenflügels im Anwesen ... gelegene Wohnung. Der Verfügungskläger wohnt
dort mit seiner Lebenspartnerin und seinen beiden ... und ... geborenen Kindern.
Im ... veranlassten die Verfügungsbeklagten ohne vorherige Benachrichtigung des
Verfügungsklägers die Durchführung von Bauarbeiten in der an das Wohn- und
Schlafzimmer angrenzenden Wohnung im ersten Obergeschoss links des Vorderhauses,
im zweiten Obergeschoss links des Vorderhauses sowie in den über der Wohnung des
Verfügungsklägers gelegenen Räumen im zweiten Obergeschoss rechts des
Seitenflügels. Über Zweck, Art und Umfang der Bauarbeiten, die jedenfalls bis zum ...
andauerten, herrscht Streit.
Der Verfügungskläger behauptet, aus den seinen Wohnräumen unmittelbar
benachbarten Räumen drängen ganztägig von 07.00 Uhr bis 17.00 Uhr Klopf-, Hammer-,
Schlag-, Scharr- und Sägegeräusche in für ihn und seine Familie unerträglicher
Intensität. Die von den Verfügungsbeklagten veranlassten Bauarbeiten umfassten u.a.
den Abriss der vorhandenen Öfen, Bäder und Elektroleitungen, die vollständige
Entfernung von Zwischenwänden und das Schaffen neuer Wanddurchbrüche. Die
Verfügungsbeklagten seien im Begriff, die Wohnungen im zweiten Obergeschoss des
Vorderhauses links und des Seitenflügels rechts zusammenzulegen und vollkommen
um- bzw. neuzugestalten.
Das erkennende Gericht hat den Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom ... untersagt,
die Bau-/Modernisierungsarbeiten in den Wohnungen bzw. Räumen im ersten und
zweiten Obergeschoss links des Vorderhauses sowie im zweiten Obergeschoss rechts
des Seitenflügels ... fortzusetzen.
In dem auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten anberaumten
Verhandlungstermin beantragt der Verfügungskläger,
zu entscheiden, wie erkannt.
Die Verfügungsbeklagten beantragen,
die einstweilige Verfügung vom ... aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass
zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagten meinen, aufgrund ihres Eigentums zur Durchführung der
Bauarbeiten berechtigt zu sein. Zum einen handele es sich lediglich um notwendige
Instandhaltungsmaßnahmen, die der Verfügungskläger dulden müsse. Soweit die
Maßnahmen als Modernisierung einzustufen seien, überwiege ihr Interesse an einer
Fortsetzung der Bauarbeiten, zumal seine Wohnung nicht unmittelbar betroffen ist.
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
Es bestehe auch keine Verfügungsgrund, weil sie die vom Verfügungskläger
beanstandeten Arbeiten bereits am ... eingestellt hätten.
Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die zur
Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Verfügungsantrag des Verfügungsklägers ist gemäß §§ 935, 937 Abs. 1, 29 a Abs. 1
ZPO zulässig und begründet, weshalb die einstweilige Verfügung vom ... auf den
Widerspruch der Verfügungsbeklagten gemäß § 925 Abs. 2 ZPO aufrechtzuerhalten war.
Dem Verfügungskläger steht ein Verfügungsanspruch aus § 862 Abs. 1 Satz 2 und § 535
Abs. 1 BGB zu.
Zwar können die Verfügungsbeklagten mit dem Anwesen ... gemäß § 903 BGB
grundsätzlich nach Belieben verfahren, dieses also auch nach ihrem Gutdünken um-
und/oder neu gestalten. Indes findet diese eigentumsrechtliche Herrschaftsbefugnis u.a.
an den Rechten Dritter, insbesondere der Mieter, ihre Grenze. Die Verfügungsbeklagten
sind dem Verfügungskläger mietvertraglich zur Überlassung und Erhaltung ungestörten
Mietgebrauchs und deshalb auch zur Unterlassung der hier streitigen Bauarbeiten
verpflichtet.
Der Verfügungskläger hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Wohnungen im
ersten und zweiten Obergeschoss des Vorderhauses links und im zweiten Obergeschoss
des Seitenflügels rechts – ohne vorherige Ankündigung seitens der Verfügungsbeklagten
– durch Entfernung der Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen, durch das
Entfernen von Wänden sowie durch die Schaffung von Wanddurchbrüchen grundlegend
um- und neugestaltet werden und damit jedenfalls in der Zeit zwischen dem ... und ...
eine erhebliche Belästigung durch Baulärm, insbesondere durch Klopf-, Hammer-,
Schlag-, Scharr- und Sägegeräusche verbunden gewesen ist. Diesen Sachverhalt hat
das Gericht seiner Entscheidung aufgrund der Glaubhaftmachung des
Verfügungsklägers durch eidesstattliche Versicherung gemäß §§ 936, 920 Abs. 2, 294
ZPO für seine Entscheidung zugrunde zu legen, zumal die Verfügungsbeklagten ihre
abweichende Darstellung von Zweck, Art und Umfang der Bauarbeiten nicht glaubhaft
gemacht haben.
Diese Lärmbeeinträchtigungen stellen sowohl einen Mietmangel im Sinne der §§ 535
Abs. 1, 536 BGB als auch eine Besitzstörung im Sinne der §§ 858 Abs. 1, 862 BGB dar.
Ob die Bauarbeiten zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung am ... oder
bei Schluss der mündlichen Verhandlung vom ... noch angedauert haben, ist entgegen
der Auffassung der Verfügungsbeklagten unerheblich. Die rechtswidrige Störung des
Mietgebrauchs und Mietbesitzes des Verfügungsklägers begründet eine
Wiederholungsgefahr im Sinne des § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB, weshalb dem
Verfügungskläger ein Unterlassungsanspruch zusteht. Dies gilt umso mehr, als die
Verfügungsbeklagten offenbar an ihrer Auffassung festhalten wollen, zur Fortsetzung der
Arbeiten berechtigt zu sein.
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist der Verfügungskläger auch nicht
verpflichtet, die Bauarbeiten zu dulden.
Die vom Verfügungskläger glaubhaft gemachte Entfernung der Heizungs-, Sanitär- und
Elektroinstallationen, das Entfernen von Wänden und die Schaffung von
Wanddurchbrüchen lassen sich nicht als Erhaltungsmaßnahme im Sinne § 554 Abs. 1
BGB bewerten, weil sie zur Erhaltung der Mietsache schlechterdings nicht erforderlich
sein können. Dass und inwiefern genau die von den Verfügungsbeklagten entfernten
Bauteile mangels Funktionstüchtigkeit ausgetauscht werden mussten, haben sie nicht
nachvollziehbar dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Allein die Tatsache,
dass sie nicht mehr neuzeitlichem Standard entsprachen, macht ihre Entfernung nicht
zu einer Erhaltungsmaßnahme.
Der Verfügungskläger müsste die Bauarbeiten aber auch dann nicht dulden, wenn und
soweit sie als Modernisierungsmaßnahme im Sinne § 554 Abs. 2 BGB zu bewerten
wären. Die Verfügungsbeklagten haben den Verfügungskläger mit den Bauarbeiten ohne
jede Ankündigung "überfallen", so dass es jedenfalls an der in § 554 Abs. 3 BGB
bestimmten Voraussetzung für eine Duldungspflicht fehlt.
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten und ursprünglicher Würdigung des
21
22
23
24
25
26
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten und ursprünglicher Würdigung des
Gerichts rechtfertigt der Umstand, dass die Bauarbeiten sämtlich außerhalb der vom
Verfügungskläger bewohnten Räume stattfinden, keine andere Beurteilung. Der Mieter
muss nämlich auch außerhalb seiner Wohnung durchgeführte Arbeiten nur unter den
Voraussetzungen des § 554 Abs. 2 bis 4 BGB dulden. Das gilt jedenfalls dann, wenn
diese Bauarbeiten auf den Mietgebrauch und Mietbesitz unmittelbar nachteilig einwirken
(vgl. LG Berlin, GE 1999, 317; GE 2004, 1233; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und
Mietprozessrecht, 3. Auflage, § 554 BGB Rdz. 80; Eisenschmid in Schmidt/Futterer,
Mietrecht, 9. Auflage, § 554 BGB Rdz. 361). So liegen die Dinge im vorliegenden Fall, weil
der Mietgebrauch und der Mietbesitz durch die vom Verfügungskläger glaubhaft
gemachten Lärmbeeinträchtigungen unmittelbar und nicht nur unerheblich im Sinne §
554 Abs. 3 Satz 3 BGB beeinträchtigt wurden.
Der Verfügungsgrund ist gegeben, weil die Wahrung der Rechte des Verfügungsklägers
keinen Aufschub duldet. Bereits der in der ankündigungslos erfolgten Aufnahme der
Bauarbeiten liegende Vertragsbruch indiziert die Wiederholungsgefahr. Zudem haben
die Verfügungsbeklagten die Bauarbeiten ungeachtet der Abmahnung des
Verfügungsklägers vom ... fortgesetzt. Schließlich haben sie im Prozess geltend
gemacht, zur Fortsetzung der Arbeiten ohne Modernisierungsankündigung berechtigt zu
sein.
Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO und dem Antrag des
Verfügungsklägers im Schriftsatz vom ....
Die von den Verfügungsbeklagten begehrte Erklärungsfrist auf den vorgenannten
Schriftsatz war hier nicht zu gewähren, weil dieser kein erhebliches neues Vorbringen
enthielt und ein Schriftsatznachlass im Verfügungsverfahren auch nicht möglich ist. Die
Verfügungsbeklagten hatten in der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit,
sich zum tatsächlichen Vorbringen der Gegenseite und auch in rechtlicher Hinsicht zu
äußern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Untersagungsverfügung ist kraft ihrer Eigenart sofort vollstreckbar.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum