Urteil des AG Offenbach vom 19.03.2008

AG Offenbach: alleinstehende person, selbstbehalt, erwerbstätigkeit, deckung, pauschal, unterhalt, anteil, drittschuldner, zwangsvollstreckung, einziehung

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Gericht:
AG Offenbach
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
61 M 5033/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 20 Abs 2 SGB 2, § 850f Abs
1 Buchst a ZPO
Pfändungsschutz: Bemessung des notwendigen
Lebensunterhalts in Hinblick auf stetig steigende
Energiekosten
Tenor
In der Zwangsvollstreckungssache
...
gegen
...
wird bei der Ausführung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom
13.05.2005 angeordnet, daß dem / der Schuldner/in von dem gepfändeten
1.067,50
EUR
Von dem Drittschuldner aufgrund des einstweiligen Einstellungsbeschlusses vom
21.02.2008 eventuell zurückbehaltene Beträge sind den Parteien entsprechend
auszubezahlen; der Einstellungsbeschluß vom 21.02.2008 wird aufgehoben.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Eventuelle gerichtliche oder
außergerichtliche Auslagen trägt der / die Schuldner/in.
Gründe
Die Gläubigerseite betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des
Amtsgerichts Offenbach am Main vom 10.05.2004, Az.: 314 FH 16/04.
Mit Beschluß vom 13.05.2005 wurde aufgrund des Gläubigerantrags vom
03.05.2005 das Arbeitseinkommen des Schuldners beim ... gepfändet und der
Gläubigerseite zur Einziehung überwiesen.
Hiergegen richtet sich der Schutzantrag der Schuldnerseite vom 21.02.2008, der
auf § 850 f ZPO gestützt wird.
Die Schuldnerseite sagte aus, daß der pauschal angesetzte Selbstbehalt für
Erwerbstätige gemäß der Düsseldorfer Tabelle zur Deckung des notwendigen
bescheidenen Lebensunterhalts nicht ausreichend sei. Die Angaben wurden durch
Vorlage von entsprechenden Unterlagen nachgewiesen.
Das Vollstreckungsgericht kann dem / der Schuldner/in auf Antrag soviel belassen,
wie er/sie zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse und der tatsächlich
geleisteten gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen bedarf.
Die Anwendung dieser Sätze ergibt im vorliegenden Fall folgende Beträge:
Die Regelsätze bemessen sich nach den Regelungen in den §§ 20, 28 SGB II.
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Die Regelsätze bemessen sich nach den Regelungen in den §§ 20, 28 SGB II.
Die Wohnkosten konnten in voller Höhe angesetzt werden, da diese der Höhe nach
als angemessen anzusehen sind (§ 20 Abs. 1 SGB II).
Stromkosten waren hier im Ergebnis zur Hälfte gesondert anzusetzen. Bislang sind
Stromkosten generell nicht gesondert anerkannt worden, da diese als im
Regelsatz enthalten anzusehen waren. Aufgrund der stetig und merklich
steigenden Energiepreise ist es jedoch auch im Hinblick auf die nur mäßige
Erhöhung des Grundregelsatzes von 345,00 EUR auf 347,00 EUR zum 01.07.2007
nach hiesiger Ansicht nicht mehr angemessen, den Schuldner hinsichtlich der
Stromkosten weiterhin vollständig auf den Regelsatz zu verweisen. Das Gericht
nimmt hier zunächst einen Anteil von 5 % des Regelsatzes nach § 20 SGB II, somit
einen Betrag i.H.v. 17,35 EUR, als angemessenen Anteil zur Deckung der
Stromkosten an. Darüber hinausgehende Stromkosten sind nach hiesiger Ansicht
gesondert anzuerkennen, soweit die weiteren Kosten der Höhe nach noch als
angemessen angesehen werden können. Eine Stromkostenpauschale i.H.v. 40,00
EUR für eine alleinstehende Person kann gerade noch als der Höhe nach
angemessen angesehen werden, so daß dem Schuldner hier zusätzlich zu dem
Stromkostenanteil am Regelsatz ein weiterer Stromkostenanteil i.H.v. 22,65 EUR
zuzurechnen war.
Der Erhöhungsbetrag wegen Erwerbstätigkeit entspricht den in § 30 SGB II
getroffenen Regelungen zu Freibeträgen bei Erwerbstätigkeit.
Die angesetzten Pauschalen für Werbungskosten (§ 3 Nr. 3a Algll-VO i.V.m. § 9a
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EstG) sowie für angemessene Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung sowie zur Altersvorsorge (§ 11 II Nr. 3 SGB II; § 3 Nr. 1 Algll-VO)
entsprechenden der derzeitigen Rechtsprechung des Landgerichts Darmstadt und
waren daher anzuerkennen (hierzu Beschluß LG Darmstadt vom 27.07.2007, Az.:
5 T 253/07 und 5 T 331/07.
Die Gläubigerseite wurde gemäß Art. 103 GG zu dem Sachverhalt angehört. Der
Vortrag dahingehend, der Antrag des Schuldners sei zurückzuweisen, da der
Selbstbehalt des Schuldners mit 900,00 EUR "definiert" sei, ist unzutreffend.
Die Vorschrift des § 850 d ZPO trifft lediglich eine Regelung dahingehend, daß dem
Unterhaltsschuldner soviel verbleiben muß, als er für seinen notwendigen
Unterhalt und zur Erfüllung seiner nicht gegenüber dem Pfändungsgläubiger
nachrangigen, laufenden Unterhaltspflichten benötigt. Der notwendige Unterhalt
ist zunächst bei Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch das
Vollstreckungsgericht nach eigenem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung
näherer Kenntnisse über den tatsächlichen notwendigen Lebensbedarf des
Schuldners in Anlehnung an die Vorschriften des SGB II wird durch das hiesige
Gericht zunächst pauschal der Selbstbehalt des Schuldners für Erwerbstätige
gemäß der Düsseldorfer Tabelle angesetzt, der derzeit 900,00 EUR beträgt. Diese
Pauschale trifft jedoch keine Aussage über den tatsächlichen Bedarf des
Schuldners, der mithin die Möglichkeit hat, im Rahmen eines Antrags nach § 850 f
ZPO auf Erhöhung der Pfändungsfreigrenze seinen tatsächlichen Bedarf
nachzuweisen und durch das Vollstreckungsgericht festsetzen zu lassen, wenn er
die genannte Pauschale übersteigt.
Es war aus den genannten Gründen wie beschlossen zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 788 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.