Urteil des AG Offenbach vom 19.03.2007

AG Offenbach: sachmangel, verfügung, fahrzeug, reparaturkosten, importeur, beweisführung, rückzahlung, niederlassung, beweislastumkehr, gewährleistung

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Gericht:
AG Offenbach
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
340 C 23/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 434 BGB, § 437 BGB, § 286
ZPO
Gebrauchtwagenkauf: Beweislastumkehr bei Vereitelung
des Beweises eines Sachmangels durch den Verkäufer
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
2.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 05.01.2006 zu zahlen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu
tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Streitwert: 2.500,00 Euro.
Tatbestand
Die Beklagte zu 3) ist eine Renault-Fachhändlerin. Sie ist in der Rechtsform der
offenen Handelsgesellschaft organisiert; die Beklagten zu 1) und 2) sind ihre
Gesellschafter.
Mit verbindlicher Bestellung vom 24. Juni 2005 erwarb der Kläger von der Beklagten
zu 3) ein gebrauchtes Kraftfahrzeug der Marke Renault Espace Elysee mit einem
Kilometerstand von 125500. Der Verkauf erfolgte im Rahmen der gesetzlichen
Gewährleistung. Darüber hinaus wurde noch eine einjährige Car-Garantie gewährt.
Am 04.07.2005 trat ein Fehler an dem Elektroventil des Automatikgetriebes bei
Kilometerstand 126055 auf. Das Fahrzeug wurde repariert. Anfang Dezember
2005 trat ein Totalschaden des Automatikgetriebes auf. Nach Abzug der
Leistungen aus der Car-Garantie in Höhe von 1.250,00 Euro verblieb ein
Reparaturkostenbetrag von Brutto 3.056,07 Euro. Die Reparatur wurde bei der
Beklagten zu 3) durchgeführt. Eingebaut wurde im Fahrzeug des Klägers ein
Austauschgetriebe. Hierüber verhält sich die Rechnung vom 13.12.2005 (Bl. 8 d.
A.). Um das Fahrzeug mitnehmen zu können, zahlte der Kläger unter Vorbehalt
einen Betrag von 2.500,00 Euro an die Beklagte zu 3) (vgl. Bl. 9 d. A.).
Im vorliegenden Klageverfahren möchte der Kläger die von ihm unter Vorbehalt
gezahlten 2.500,00 Euro zurückerhalten. Er macht geltend, dass im Hinblick auf
das kaputtgegangene Getriebe das gekaufte Fahrzeug an einem Sachmangel
gelitten habe, für den die Beklagte zu 3) im Zuge ihrer gesetzlichen
Gewährleistung habe einstehen müssen. Deswegen sei er von den
Reparaturkosten freizustellen, deren Rückzahlung er, soweit von ihm bislang
getragen, vorliegend begehrt.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten machen geltend, dass der aufgetretene Getriebeschaden nicht auf
einem Sachmangel des gekauften Kfz beruhe. Vielmehr liege diesem Defekt ein in
Anbetracht des Alters und der hohen Laufleistung des Fahrzeuges bereits zum
Kaufzeitpunkt normaler Verschleiß zu Grunde. Gemäß den Beschlüssen vom 31.03
und 26.05.2006 sollte Beweis erhoben werden über die Frage, ob der aufgetretene
Getriebeschaden sich (noch) als Folge üblichen Verschleißes darstellt oder nicht.
Die Beweiserhebung war undurchführbar, weil das streitgegenständliche Getriebe
nicht mehr zur Verfügung stand.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger kann von den Beklagten – insoweit haften die Beklagten zu 1) und 2)
als Gesellschafter der beklagten OHG (Beklagte zu 3)) mit dieser zusammen als
Gesamtschuldner, §§ 124 in Verbindung mit 128 HGB – Rückzahlung der von ihm
am 13.12.2005 unter Vorbehalt gezahlten 2.500,00 Euro gemäß § 812 Abs. 1 BGB
verlangen. Der Kläger hatte am genannten Tag 2.500,00 Euro an die Beklagte zu
3) unter Vorbehalt gezahlt, da er sonst das reparierte Auto nicht herausgegeben
bekommen hätte (vgl. Bl. 9 d. A.). Hierin liegt eine Vereinbarung der Parteien
dahingehend, dass dem Kläger die Rückforderung der unter Vorbehalt gezahlten
Summe dann möglich sein sollte, wenn er im Verhältnis zur Beklagten zu 3) die
Reparaturkosten nicht zu tragen hätte. Dies ist vorliegend der Fall. Denn dem
Reparaturauftrag des Klägers lag vorliegend ein Sachmangel des gekauften Kfz zu
Grunde, für den die Beklagte zu 3) einzustehen hat. Hierzu wird später noch
ausgeführt.
Gemäß § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB hatte die Beklagte zu 3) dem Kläger das Kfz frei
von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Wie noch auszuführen sein wird,
wies das Kfz einen rechtlich beachtlichen Sachmangel auf, als welcher der
Getriebeschaden einzustufen ist. Auch wenn der Getriebeschaden erst knapp
innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang auftrat, so gilt doch zu
Gunsten des Klägers § 476 BGB, wonach vermutet wird, dass die Sache bereits bei
Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit
Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt. Diese Vermutung ist durch die Beklagte
vorliegend nicht widerlegt. Daher konnte der Kläger gemäß den §§ 437 in
Verbindung mit 439 BGB von der Beklagten Mangelbeseitigung verlangen, welche
im Rahmen der Gewährleistung kostenfrei zu erfolgen hat, so dass im Ergebnis die
Beklagte die Reparaturkosten selbst zu übernehmen und den Kläger von diesen
Kosten freizustellen hatte. Der Kläger konnte damit von der Beklagten gemäß §
812 Abs. 1 BGB Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten 2.500,00 Euro
verlangen.
Wie bereits ausgeführt, legt das Gericht vorliegend einen rechtlich beachtlichen
Sachmangel im Hinblick auf den aufgetretenen Getriebeschaden zu Grunde.
Diesen bereits bei Gefahrübergang vorhandenen Sachmangel hätte der Kläger
zwar trotz § 476 BGB vollumfänglich beweisen müssen, da die genannte Vorschrift
nur die Vermutung ausspricht, dass ein Sachmangel bereits bei Gefahrübergang
vorhanden war, wenn er sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang
zeigt. Nicht vermutet wird durch die genannte Bestimmung jedoch, dass ein
Sachmangel überhaupt vorliegt. Insoweit hatte die Beklagtenseite sich damit
verteidigt, dass lediglich normaler Verschleiß zu dem Auftreten des
Getriebeschadens geführt habe. Den ihm an sich obliegenden Beweis des
Vorliegens eines Sachmangels konnte der Kläger jedoch nicht führen, weil das
defekte Getriebe für eine Begutachtung durch den Sachverständigen nicht mehr
zur Verfügung stand. Ausweislich der vorgelegten Bestätigung der Renault
Niederlassung Frankfurt erhielt diese am 13.12.1005 das defekte Getriebe,
welches am 15.12.2005 an den Importeur zurückgesandt wurde. Damit ging das
Beweismittel verloren, auf das es vorliegend ankam. Dies geht hier zu Lasten der
Beklagten.
Die Beklagte hat nämlich fahrlässig die dem Kläger obliegende Beweisführung
vereitelt. Denn sie überließ das streitgegenständliche defekte Getriebe der Renault
Niederlassung F, von wo aus es an den Importeur zurückging. Zu diesem
Zeitpunkt hätte die Beklagte zu 3) jedoch erkennen können und müssen, dass das
Getriebe noch für Zwecke der Beweisführung, gerade auch in einem Rechtsstreit,
benötigt werden könnte und deswegen für eine eventuelle Untersuchung noch zur
Verfügung stehen können müsste. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der
Verfügung stehen können müsste. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der
Kläger bei Erteilung des Reparaturauftrags oder bei Bezahlung darauf hingewiesen
hat, dass das defekte Getriebe aufzubewahren sei. Denn aus dem Umstand, dass
der Kläger lediglich "nur unter Vorbehalt" den "hohen Betrag von 2.500,00 Euro" an
die Beklagte zu 3) zahlte, musste für diese ersichtlich sein, dass der Kläger
beabsichtigte, diesen Betrag von der Beklagten zu 3) zurückzuerhalten. Dies gilt
insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits einige Zeit zuvor schon ein Fehler
an dem Elektroventil des Automatikgetriebes aufgetreten war, so dass sich die
Frage nach der Ursache des neuerlichen Getriebedefektes aufdrängte, mögen
beide Defekte technisch miteinander auch nicht im Zusammenhang gestanden
haben. Für die Beklagte zu 3) letztlich hätte es jedoch auf der Hand liegen
müssen, dass sich jedenfalls der Kläger fragen würde, inwieweit er seinerzeit ein
mangelfreies oder ein mangelbehaftetes gebrauchtes Kfz bei der Beklagten zu 3)
erworben hatte. Ferner tritt hinzu, dass die genauen Abläufe im Hinblick auf die
Rückgabe des defekten Getriebes und den Erhalt eines Austauschgetriebes
lediglich der Beklagten zu 3) bekannt waren, nicht aber dem Kläger bekannt sein
mussten. Von daher wäre es Sache der Beklagten zu 3) gewesen, ihrerseits den
Kläger darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit bestand, das ausgebaute, defekte
Getriebe gegen eine Pfandzahlung aufzubewahren. Dann hätte es für
Begutachtungszwecke zur Verfügung gestanden. Ein solcher Hinweis wäre für die
Beklagte zu 3) auch geboten gewesen, weil eine derartige Hinweispflicht als
Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag, der ja auch Gewährleistungsansprüche
beinhaltet, als Nebenpflicht anzuerkennen ist. Hier handelte es sich um
Umstände, die der Beklagten zu 3) bekannt waren, nicht aber dem Kläger bekannt
sein mussten. Danach ergibt sich, dass die schuldhafte Nichterfüllung einer
nebenvertraglichen Hinweispflicht durch die Beklagte zu 3) dazu geführt hat, dass
darauf verzichtet wurde, das defekte Getriebe aufzubewahren. Dass das Getriebe
noch benötigt werden würde für Begutachtungszwecke, war für die Beklagte auch
erkennbar, da der Kläger nur unter Vorbehalt gezahlt hatte, so dass die
Geltendmachung der Rückforderung durch den Kläger gegenüber der Beklagten
auf der Hand lag. In diesen Zusammenhang war für die Beklagte weiter auch
erkennbar, dass es dann darauf ankommen würde, dass das Getriebe untersucht
werden könnte, um festzustellen, welche Ursache der aufgetretene Defekt hatte.
Dadurch, dass die Beklagte durch ihr Vorgehen diese Beweisführung für den Kläger
unmöglich gemacht hat, hat sie fahrlässig die Möglichkeit des Klägers vereitelt, ein
Beweis dahingehend zu führen, dass ein rechtlich relevanter Sachmangel an dem
Fahrzeug vorlag (und nicht nur normaler Verschleiß). In diesem Zusammenhang
ist zu beachten, dass am 13.12.2005 der Kläger unter Vorbehalt Zahlung leistete,
jedoch erst am 15.12.2005 das defekte Getriebe an den Importeur zurückging, wie
die von der Beklagten vorgelegte Bescheinigung der Renault Niederlassung F
ergibt. Am 13.12.2005 hätte daher für die Beklagte zu 3) die Möglichkeit
bestanden, ggf. nach einer entsprechenden Rückfrage an den Kläger die
Rücksendung des defekten Getriebes an den Importeur zu verhindern; dann hätte
das Getriebe im vorliegenden Rechtsstreit auch noch untersucht werden können.
Die Folge der fahrlässigen Beweisvereitlung durch die Beklagte zu 3) ist hier, dass
eine Beweislastumkehr stattfindet. Somit hatte vorliegend die Beklagte zu 3) zu
beweisen, dass dem Getriebedefekt kein beachtlicher Sachmangel zu Grunde lag,
sondern lediglich normaler Verschleiß. Diesen Beweis wiederum kann die Beklagte
zu 3) nicht führen, da das zu untersuchende Getriebe nicht mehr zur Verfügung
steht. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf Basis lediglich
statistischer Erkenntnisse (vgl. den den Parteien zur Verfügung gestellten Vermerk
des Abteilungsrichters vom 26.05.2006 über ein Telefonat mit dem
Sachverständigen K) war vorliegend nicht veranlasst. Denn daraus hätten sich
allenfalls gewisse, auf Erfahrungswerten beruhende Wahrscheinlichkeiten für die
Ursache des Getriebedefekts ergeben, nicht aber der für den konkreten Fall
geforderten Nachweis einer bestimmten Ursache für den aufgetretenen
Getriebedefekt. Nach alledem konnten die Beklagten nicht beweisen, dass lediglich
normaler Verschleiß dem aufgetretenen Getriebedefekt zu Grunde gelegen hat.
Zu Gunsten des Klägers ist vielmehr davon auszugehen, dass ein Sachmangel im
Sinne des § 434 BGB bereits bei Übergabe des Kfz vorlag, der für den Kläger die
entsprechenden Gewährleistungsrechte auslöste und dazu führt, dass der Kläger
für die Reparaturkosten nicht einzustehen hat, so dass er die unter Vorbehalt
gezahlten 2.500,00 Euro von den Beklagten zurückverlangen kann. Im Übrigen
spricht hier für die Vorlage eines bereits bei Gefahrübergang vorliegenden Mangels
auch der Umstand, dass der Kläger nach Übergabe des Kfz nur ca. 6000 km damit
gefahren ist, bis der Getriebeschaden auftrat. Eine derartig kurze Fahrstrecke im
Vergleich zur Gesamtlaufleistung legt die Vermutung nahe, dass der
Getriebeschaden als "Grundmangel" bereits beim Kauf des Fahrzeuges angelegt
war und bei der seinerzeitigen Übergabe-Überprüfung lediglich noch nicht bemerkt
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war und bei der seinerzeitigen Übergabe-Überprüfung lediglich noch nicht bemerkt
wurde bzw. bemerkt werden konnte.
Hatte die Klage somit Erfolg, so beruht die Kostenentscheidung auf § 91 Abs. 1 in
Verbindung mit § 100 Abs. 4 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung gründet sich
auf § 709 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 43 Abs. 1 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.