Urteil des AG Offenbach vom 27.05.2008

AG Offenbach: vorsicht, russland, hafen, unfall, sorgfalt, gefahr, schmerzensgeld, vollstreckung, rechtshängigkeit, baurecht

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
AG Offenbach
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
36 C 477/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 253 BGB, § 651d BGB, § 651f
Abs 1 BGB, § 823 Abs 1 BGB
Haftung des Reiseveranstalters: Sturzunfall auf einem
Kreuzfahrtschiff
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Klägerin darf die Vollstreckung der
Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leisten.
Tatbestand
(abgekürzt gem. § 313 Abs. 2 ZPO)
Die Klägerin macht Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld gegenüber der
Beklagten geltend.
Die Klägerin buchte über die Beklagte eine Kreuzfahrt mit dem Schiff in der Zeit
vom 24.06. – 01.07.2007 zum Gesamtreisepreis von Euro 1.964,00. An der Reise
nahm sie mit ihrem Ehemann und der Tochter teil.
Am 27.06.2007, im Hafen von St. Petersburg/Russland, hatte die Klägerin morgens
gegen 08:15 Uhr einen Unfall. Im Bereich zwischen Außendeck und dem vorderen
Treppenhaus auf Deck 9 rutschte sie aus und brach sich nach einem Sturz das
rechte Handgelenk.
Die Klägerin trägt insbesondere vor, auf Deck 9 sei im Bereich der Unfallstelle ein
zu glatter Fußbodenbelag verlegt. Bereits dies sei auf einem Schiff der
vorliegenden Art nicht zulässig. An der Unfallstelle hätten nicht Granitfliesen mit
hochglänzender geschliffener Oberfläche verlegt sein dürfen. In dem Unfallbereich,
einem Durchgangsbereich, hätten sich im übrigen an den Wänden Haltegriffen
oder Handläufe befinden müssen. Ferner sei im Bereich der Unfallstelle eine
feuchte Stelle gewesen, die die Klägerin nicht habe erkennen können.
Zum Unfallzeitpunkt – das ist zwischen den Parteien unstreitig – war es im
Außenbereich nass. Passagiere, die vom Außenbereich in das Innere des
Fahrzeuges gingen, trugen mit ihren Schuhsohlen Feuchtigkeit in den Innenbereich
hinein, welche sich auch auf den Bereich der Unfallstelle verteilte. Die Klägerin sei,
insoweit ist ihr Vortrag richtig gestellt worden, zwar vom Außenbereich in den
Innenbereich des Schiffs gelaufen. Im Außenbereich hätten sich allerdings lediglich
Pfützen befunden, es habe nicht unmittelbar geregnet. Die Klägerin und ihr Mann
hätten vor dem Betreten des Innenbereichs des Schiffes im übrigen ihre Füße
vollständig abgetrocknet. Es habe der Beklagten oblegen, dafür zu sorgen, dass
Feuchtigkeitsstellen im Bereich der Unfallstelle nicht auftraten.
Wegen der erlittenen Verletzungen, insoweit wird auf den schriftsätzlichen Vortrag
verwiesen, sei ein Schmerzensgeldbetrag in Höhe von mindestens Euro 3.500,00
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
verwiesen, sei ein Schmerzensgeldbetrag in Höhe von mindestens Euro 3.500,00
angebracht. Es könne ferner eine Minderung des Reisepreises geltend gemacht
werden. Ferner werden unnütz aufgewandte Hotelübernachtungskosten für einen
Hotelaufenthalt geltend gemacht, der für die Zeit nach der Schiffsreise in K
gebucht gewesen sei. Insoweit wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin
im Schriftsatz vom 01.04.2008 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, wegen des Unfallereignisses vom 27.06.2007 auf
Deck 9 des Kreuzfahrtschiffes im Hafen von St. P/Russland ein angemessenes
Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe die Klägerin in das Ermessen des
Gerichts stellt (angemessen hält die Klägerin einen Betrag in Höhe von Euro
3.500,00) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 28.06.2007;
ferner,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Euro
1.112,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 07.08.2007 zu zahlen;
ferner,
an die Klägerin Euro 402,82 Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten insbesondere, der im Unfallbereich verlegte
Fußbodenbelag sei keineswegs äußerst glatt oder rutschig. Die Klägerin sei
überdies von dem nassen Außenbereich – der gleichzeitig Poolbereich sei – nach
innen in das Schiff gelaufen. Vor dem Eintreten in das Schiff sei, was nicht konkret
bestritten worden ist, im Bereich der Eingangstür auch noch ein Warnschild
vorhanden gewesen, dass auf Rutschgefahr bei Nässe wegen des damals
herrschenden Regens hingewiesen habe. Die Klägerin habe gewusst, dass das
Außendeck nass war und habe damit rechnen müssen, dass eventuell auch im
Innenbereich nasse Stellen vorhanden gewesen seien. Die Tatsache, dass sie sich
vor dem Unfall mit großer Sorgfalt im Bereich der Glastüre und der dort
vorhandenen Schmutzmatte ihre Schuhe gesäubert haben will, zeige ganz
deutlich, dass die Klägerin ihr Augenmerk ganz unbedingt auf nasse Stellen im
Eingangsbereich hätte richten müssen. Diese seien auch deutlich zu erkennen
gewesen, da Tageslicht geherrscht habe und eine Beleuchtung vorhanden
gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin besitzt keine reisevertraglichen Ansprüche oder
Schmerzensgeldansprüche gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldnern aus
§§ 651 d, 651 f, 253 BGB.
Ein von den Beklagten zu vertretender Mangel bzw. eine
Verkehrssicherungspflichtverletzung liegt nicht vor.
Die Klägerin trägt selbst nicht vor, dass sie auf dem trockenen Fußbodenbelag
ausgerutscht sei. Insoweit kommt es darauf an, ob dieser durch eine nicht zu
erkennende nasse Stelle derart glatt war, dass die Klägerin dort stürzen musste
und die Beklagte dies nicht verhindern konnte.
Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie von dem nassen Außenbereich des Schiffes
– der unstreitig zugleich ein Poolbereich war – in den Innenbereich des Schiffes
ging. In dem Übergangsbereich vom Außen- in den Innenbereich fand der Sturz
statt. Ihr war auch klar, dass zahlreiche Reisegäste von dem nassen Außenbereich
23
24
25
26
27
statt. Ihr war auch klar, dass zahlreiche Reisegäste von dem nassen Außenbereich
durch den Übergangsbereich in den Innenbereich hinein gingen. Ferner ist sie
durch ein Warnschild auf die Nässe und die damit verbundenen Gefahren
hingewiesen worden.
Hier hätte sie den Übergangsbereich nur mit äußerster Vorsicht und mit dem
Hauptaugenmerk auf Feuchtigkeitsstellen auf dem Fußbodenbelag betreten
dürfen, um einen Sturz zu vermeiden. Ihr musste klar sein, dass einige Fahrgäste
die Feuchtigkeit an ihren Schuhen aus dem Außenbereich in den
Übergangsbereich des Schiffes mit hinein tragen würden, da nicht damit zu
rechnen war, dass jeder Reisegast sein Schuhwerk beim Betreten des
Übergangsbereichs völlig trockenreiben würde. Die Klägerin war auf diese Gefahr
nach ihrem eigenen Vortrag ja gerade aufmerksam geworden, da sie selbst
vorträgt, sie habe vor dem Eintreten in den Übergangsbereich ihr Schuhwerk mit
großer Sorgfalt an der dort vorhandenen Schmutzmatte gesäubert.
Ähnlich wie in einem Bereich um einen Swimmingpool kann nicht jedes Risiko
durch Feuchtigkeitsstellen von Seiten des Reiseveranstalters ausgeschlossen
werden. In Eingangsbereichen muss bei entsprechender Witterung – insbesondere
nach einem Regen – mit feuchten und glatten Stellen gerechnet werden. Dies gilt
auch für den Übergangsbereich eines Schiffes, der von dem nassen Außenbereich
in den Innenbereich führt. Die Feuchtigkeitsstelle war aufgrund der
Lichtverhältnisse in dem Übergangsbereich für die Klägerin bei gehöriger Vorsicht
auch zu erkennen gewesen.
Es ist schließlich nicht vorgetragen worden, dass im vorliegenden Fall eine für das
Kreuzfahrtschiff typische Gefahr noch hinzugekommen wäre, etwa dahingehend,
dass Schwankungen oder Schräglagen ein sicheres Betreten des
Übergangsbereiches noch erschwert hätten. Insoweit war das Betreten des
Übergangsbereichs mit der Situation vergleichbar, wie sie bei dem Betreten des
Zugangsbereiches eines Wohnhauses oder anderen Gebäudes bei Regenwetter
besteht. Auch hier muss dann mit gelegentlichen feuchten und glatten Stellen auf
dem Boden gerechnet werden, so dass entsprechende Vorsicht beim Betreten
solcher Eingangsbereiche zu walten hat.
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.