Urteil des AG Offenbach vom 21.12.2007
AG Offenbach: höhere gewalt, ausschluss der haftung, diagnose, ehepaar, erfüllungsgehilfe, vollstreckung, alkohol, reiseveranstalter, sorgfalt, schadenersatz
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Gericht:
AG Offenbach
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
39 C 317/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 278 BGB, § 651a Abs 1 BGB,
§ 651f BGB, § 651j Abs 1 BGB
Reiseveranstalterhaftung bei einer Kreuzfahrt-Reise:
Reisepreisminderung und Schadenersatz wegen
behaupteter Fehldiagnose des Schiffsarztes;
Haftungsausschluss für höhere Gewalt bei Ausfall eines
Landausfluges infolge Umkehr des Schiffes wegen eines
kranken Passagiers
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Teilrückerstattung des gezahlten
Reisepreises.
Der Kläger buchte zusammen mit seiner Ehefrau, der Zeugin ... bei der Beklagten
eine Kreuzfahrt vom 14. bis zum 30.04.2007 auf dem Kreuzfahrtschiff der
Beklagten "C A". Veranstalterin war die Beklagte. Die Ehefrau des Klägers ließ sich
auf Grund eines Hautausschlages am 17.04.2007 von dem Schiffsarzt behandeln.
Dabei stellte der Arzt, der nur italienisch konnte, neben dem Hautausschlag auch
eine Lebervergrößerung fest. Das Ausmaß der Vergrößerung, ob "leicht" oder
"stark" ist zwischen den Parteien umstritten. Neben Medikamenten verordnete der
Arzt der Ehefrau des Klägers eine strenge Diät (keine Sonne, kein Wasser, kein
Alkohol, keine fettigen Speisen). Auf Grund dieser Diagnose stornierten der Kläger
und seine Ehefrau 3 bereits gebuchte Landausflüge. Weiterhin musste das Schiff
nach 18stündiger Fahrt auf dem offenen Meer umkehren, da ein Mann an Bord
erkrankt war. Dies hatte zur Folge, dass das Schiff einen Tag später in Barcelona
ankam und die Besichtigung der Stadt abgesagt werden musste.
Der Kläger behauptet, dass seine Ehefrau auf Grund der Diagnose des
Schiffsarztes in ein psychisches Tief gefallen sei. Außerdem habe das Ehepaar an
der Diagnose des Schiffsarztes nach zeit- und kostenaufwändiger
Internetrecherche derart Zweifel gehegt, dass es sich in Tortola zu einem zweiten
Arzt begeben habe. Dieser habe anhand eines Blutbildes festgestellt, dass sich die
Leberwerte im Normalbereich befänden. Der Arzt habe eine einfache allergische
Reaktion als Ursache für den Hautausschlag diagnostiziert. Auf Grund dieser
Diagnose habe sich das Ehepaar bemüht, die drei stornierten Ausflüge erneut zu
buchen, diese seien jedoch ausgebucht gewesen, so dass es allein von Bord habe
gehen müssen. Durch die Fehldiagnose des Schiffsarztes und die damit
verbundene Stornierung der Ausflüge sei für das Ehepaar ein maßgeblicher
Gesichtspunkt für den Antritt der Reise entfallen; außerdem sei der Urlaubsgenuss
dadurch stark beeinträchtigt gewesen, dass die Besichtigung Barcelonas entfallen
sei. Weiterhin behauptet der Kläger, dass Essen an Bord sei für westeuropäische
Standards unzumutbar gewesen.
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Der Kläger verlangt eine Minderung des Reisepreises in Höhe von 25 %, also Euro
1.127,–, Telefonkosten in Höhe von Euro 175,76, die nach seiner Behauptung im
Zusammenhang mit der Klärung des Gesundheitszustandes seiner Ehefrau
geführt worden seien, Auskunftsgebühren in Höhe von 35,– Euro, insgesamt Euro
1.337,76, teilweise aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau, der Zeugin ....
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 1.337,76 nebst Zinsen hieraus in Höhe
von 5 Prozentpunkten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, der Kläger sei nicht aktiv legitimiert, soweit er zum Teil aus
abgetretenem Recht klage, weil nach den dem Vertrage zugrunde liegenden
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Ansprüche nur mit ihrer
Zustimmung abgetreten werden könnten, eine solche liege nicht vor. Die Beklagte
behauptet, der Schiffsarzt habe sich sachgerecht und ordnungsgemäß verhalten.
Die verordnete Medikation sei genau die, die bei dem Krankheitsbild der Ehefrau
des Klägers verschrieben werden müsse. Auch der Rat, den Konsum von Alkohol
und starke Sonneneinstrahlung zu vermeiden, sei sachgerecht gewesen und
hänge mit der Behandlung des Hautausschlages zusammen. Angesichts der
Diagnose des Schiffsarztes habe dieser die richtigen Maßnahmen verordnet. Aus
dieser Behandlung sei ersichtlich, dass die Ehefrau des Klägers nicht wegen eines
Leberleidens, sondern wegen des Hautausschlages behandelt worden sei; die
Diagnose der "leicht vergrößerten Leber" sei außerdem in die schriftliche Diagnose
aufgenommen worden, somit habe es zwei Diagnosen gegeben, die Diagnose des
Hautausschlages und die Diagnose der vergrößerten Leber. Desweiteren
bestreitet die Beklagte, dass der Arzt auf Tortola der Diagnose des Schiffsarztes
widersprochen habe, sie behauptet, es sei außerdem möglich, dass, selbst wenn
eine vergrößerte Leber vorgelegen habe, diese sich bis zu dem Besuch des
zweiten Arztes wieder verkleinert habe. Außerdem behauptet die Beklagte, der
Schiffsarzt habe dem Ehepaar nicht geraten, nicht an den Ausflügen
teilzunehmen, dies sei möglich gewesen, z.B. durch das Tragen eines
Sonnenhutes. Der Kläger und seine Ehefrau seien zudem trotzdem in den Genuss
des Erlebniswertes gekommen, da sie auf eigene Faust an Land gegangen seien.
Weiterhin behauptet die Beklagte, dass das Umkehren des Schiffes auf Grund des
erkrankten Mannes ein Fall höherer Gewalt gewesen sei. Schließlich hält sie die
Behauptung, dass das Essen an Bord für westeuropäische Standards ungenießbar
sei, für unsubstantiiert.
Demgegenüber macht der Kläger geltend, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
seien nicht einbezogen worden, die Buchung sei telefonisch erfolgt.
Aller weiteren Einzelheiten wegen wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der
Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger zur Geltendmachung
von Ansprüchen für seine Ehefrau, die Zeugin, aktivlegitimiert sei, braucht
vorliegend nicht entschieden zu werden, denn es bestehen ohnehin weder
Minderungs- noch Schadensersatzansprüche. Die Klage ist unschlüssig, für das
klägerische Begehren greifen keine Anspruchsgrundlagen ein.
Die Beklagte muss nicht für den Schiffsarzt nach § 278 BGB haften. § 278 BGB
sieht zwar generell eine Haftung für alle Personen vor, die der Schuldner zur
Erfüllung seiner Verbindlichkeiten einsetzt; der Schiffsarzt ist aber nicht als
Erfüllungsgehilfe der Beklagten aus dem Reisevertrag anzusehen. Insoweit wird auf
die Entscheidung des Amtsgerichts Offenbach vom 23.03.2005, Aktenzeichen 38 C
415/04 (abgedruckt in RRa 2005, 219, 220) verwiesen. Das Gericht hatte im
Verlauf des Rechtsstreits zweimal auf diese Entscheidung ausdrücklich
hingewiesen und Klagerücknahme angeregt, um unnötige weitere Kosten zu
ersparen. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen. Ergänzend ist noch
auszuführen, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Offenbach in dem
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auszuführen, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Offenbach in dem
genannten Parallelverfahren, dem sich der hier entscheidende Richter vollinhaltlich
anschließt, auch Gegenstand einer Überprüfung durch die zuständige
Berufungskammer des Landgerichts Darmstadt war, auch dort hatte das Urteil
Bestand. Die Berufungskammer teilte die Rechtsauffassung des Amtsgerichts
Offenbach.
Ein Schiffsarzt ist zum einen schon deshalb kein Erfüllungsgehilfe des
Reiseunternehmers, weil er kein Hilfspersonal des Reiseunternehmers ist, sondern
selbständig tätig wird. Das Reiseunternehmen ist nicht befugt, dem Arzt
medizinische Weisungen zu erteilen, noch kann es sich einer Anordnung des
Arztes widersetzen. Weiterhin handelt es sich bei dem Schiffsarzt nicht um einen
Erfüllungsgehilfen, weil es um eine Verbindlichkeit geht, bei der der Schuldner
bestenfalls dazu verpflichtet ist, einen Dritten zu beauftragen, nicht aber auf die
Tätigkeit des Dritten. Dies ist bei Ärzten regelmäßig der Fall (Palandt, BGB-
Kommentar, 65. Auflage, § 278 Randnr. 17; AG Offenbach Aktenzeichen 38 C
415/04). In diesem Zusammenhang kommt es auf die Einbeziehung der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen entscheidend nicht an. Hierauf hatte das
Gericht bereits im Sitzungsprotokoll vom 21.12.2007 hingewiesen. Entgegen der
Auffassung des Klägers im Schriftsatz vom 06.12.2007 ist der hier zur
Entscheidung stehende Sachverhalt nicht anders gelagert als der vom
Amtsgericht Offenbach in dem früheren Verfahren entschiedene Fall. Die Frage, ob
Schiffsarztleistungen nicht zu einem Teil des Reisevertrages werden, ist rechtlich
ohne Bedeutung, bereits das Amtsgericht Offenbach hat in der früheren
Entscheidung 38 C 415/04 darauf hingewiesen, dass eine Haftung für den
Schiffsarzt nach § 278 BGB überhaupt nicht eingreift, demnach kommt es auf die
Frage des Einbezugs der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ob diese
Vertragsgegenstand geworden sind, rechtlich überhaupt nicht an. Eine
Einstandspflicht für ein Fehlverhalten eines Arztes nach § 278 ist schon aus
Rechtsgründen nicht gegeben (so auch OLG Celle NJW-RR 2004, 562). Der
Schiffsarzt ist als selbständige Hilfsperson kein Erfüllungsgehilfe im Sinne von §
278 BGB, das Reiseunternehmen haftet nicht. Es ist daher nicht relevant, ob der
Schiffsarzt hier eine falsche Diagnose gestellt hat oder nicht. Aus den
Nebenpflichten des Reisevertrages ergibt sich jedoch als Aufgabe der Beklagten,
den Schiffsarzt nachvollziehbar auszuwählen (vgl. AG Offenbach, Aktenzeichen 38
C 415/04). Dies bedeutet, dass der Reiseunternehmer keine völlig inkompetente
Person als Arzt auswählen darf. Anhaltspunkte hierfür sind aber in keiner Weise
ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen worden. Schließlich führt auch
die Tatsache, dass der Schiffsarzt nur italienisch sprach, hier nicht zu einer
Haftung, auch insoweit wird auf die bereits mehrfach zitierte Entscheidung des AG
Offenbach, Aktenzeichen 38 C 415/04, verwiesen.
Es ist auch nicht ersichtlich und dargetan, dass der Schiffsarzt von der Beklagten
nicht ausreichend überwacht worden sei. Es ist nicht vorgetragen worden, dass es
bereits mehrere Beschwerden über die Tätigkeiten des Arztes gegeben habe.
Nach alledem liegt kein Auswahlverschulden auf Seiten der Beklagten vor.
Bezüglich des Essens wird vom Kläger nicht dargelegt, inwiefern dieses "für
westeuropäische Standards" unzumutbar gewesen sei. Zum einen verkennt der
Kläger, dass man im Ausland bei der Verpflegung gewisse Abstriche hinnehmen
muss. Zum anderen ist festzustellen, dass dieser angebliche Mangel in keiner
Weise substantiiert dargelegt worden oder irgendwann jemals gerügt worden wäre,
so dass der klägerische Vortrag gänzlich unsubstantiiert ist. Die Beklagte hatte
dies in der Klageerwiderung ausdrücklich gerügt und vorgetragen, dass der
klägerische Vortrag "nicht einlassungsfähig" sei, was zutrifft. Hierzu hat der Kläger
in der Folgezeit nichts mehr vorgetragen.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch daraus zu, dass das Schiff nach 18stündiger
Fahrt auf dem offenen Meer umdrehen musste, weil sich ein kranker Mann an Bord
befand und deshalb die Besichtigung Barcelonas entfallen musste. Es handelt es
sich hier um einen Fall von höherer Gewalt. "Höhere Gewalt" ist ein von außen
kommendes und keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, nicht
voraussehbares, auch durch äußerste, vernünftiger Weise zu erwartende Sorgfalt
nicht abwendbares Ereignis (vgl. Palandt aaO § 651 j Randnr. 3). Für den
Reiseveranstalter kam das Ereignis, dass ein Mann an Bord erkrankte und das
Schiff deshalb umkehren musste, von außen. Dieses Ereignis weist auch keinen
betrieblichen Zusammenhang auf. Dieser Vorfall hätte auch durch äußerste
Sorgfalt nicht abgewendet werden können. Für kleinere Notfälle war ein Arzt an
Bord, so dass kleinere Krankheiten an Bord hätten behandelt werden können. Es
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Bord, so dass kleinere Krankheiten an Bord hätten behandelt werden können. Es
war für den Reiseveranstalter nicht vorhersehbar, dass jemand an Bord, derart
schlimm erkranken könnte, dass er mit dem Helikopter ins Krankenhaus gebracht
werden musste und das Schiff deshalb umdrehen musste. Für einen Ausschluss
der Haftung muss jedoch nicht einmal "höhere Gewalt" vorliegen; es reicht aus,
wenn es sich bei dem Ereignis um die Verwirklichung des allgemeinen
Lebensrisikos handelt. Von einem solchen Fall kann vorliegend hier jedenfalls
ausgegangen werden.
Da die Beklagte nicht für das Verhalten des Schiffsarztes haftet, kann sie auch
nicht für die vom Kläger geltend gemachten Kosten für Telefongespräche im
Zusammenhang mit der Klärung des Gesundheitszustandes haftbar gemacht
werden, ebenso wenig schuldet sie Auskunftsgebühren, weil die Klage ohnehin
unbegründet ist.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.