Urteil des AG Neuss vom 12.05.1998

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Amtsgericht Neuss, 27 II 244/97
Datum:
12.05.1998
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
Richter am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
27 II 244/97
Tenor:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die gerichtlichen Kosten des Verfahrens zu
tragen.
Die Erstattung außergerichtlicher Auslagen wird nicht angeordnet.
Gründe:
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Die Antragsteller sind Mitglieder der vorgenannten Wohnanlage.
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In der Eigentümerversammlung vom 29.10.1997 wurde unter TOP 4.3 (Umgestaltung
der straßenseitigen Gartenbereiche - Müllcontainer, Fahrradständer, Wege) mit 14
gegen 10 Stimmen folgendes beschlossen:
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"In Abstimmung mit dem Beirat ist eine Umgestaltung (einschließlich
Neupflastern der I-Weg, Verlegen des N-Platz zum Bürgersteig, Neuanlegen
der Fahrradstellplätze sowie Fällen diverser Büsche und Bäume) der
straßenseitigen Gartenbereiche gemäß in der Versammlung vorgestelltem
Entwurf in 1998 zu beauftragen; Finanzierung über Instandhaltungsrücklage."
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Die Kosten dieser Maßnahme sind mit 40.000,00 DM veranschlagt.
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Die vorhandene Situation stellt sich in etwa dar, wie aus der zur Teilungserklärung
gehörenden Skizze ersichtlich, siehe dazu Bl. 58 der Gerichtsakte. Bei den mit "MM"
bezeichneten Gebilden handelt es sich um die zwei vorhandenen Müllboxen für jeweils
einen Müllcontainer. Allerdings sind die Boxen seinerzeit - vor mehr als 20 Jahren -
nicht genau an der aus der Zeichnung ersichtlichen T errichtet worden, sondern
vielleicht rund zwei Meter nach links versetzt. Ferner sind aus der vorstehenden Skizze
die Y-Weg zu den I 26 und 28 sowie ein schmaler W-Weg zu erkennen.
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Zu den ursprünglich vorhandenen zwei Müllcontainern sind in den vergangenen Jahren
zwei weitere, für die keine Boxen vorhanden sind, hinzugekommen. Dies hat seinen
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Grund in der nunmehr allgemein üblichen Mülltrennung. Würde die
Eigentümergemeinschaft sich weiterhin auf zwei Müllcontainer beschränken, so würden
jährlich zusätzliche Müllentsorgungsgebühren in Höhe von 10.000,00 DM anfallen. Im
übrigen ist der Ist-Zustand aus den im Termin überreichten Fotos zu entnehmen, siehe
dazu Hülle Bl. 57 der Gerichtsakte.
Die neue Planung stellt sich dar wie aus der im Termin vorgelegten Skizze ersichtlich,
siehe dazu Bl. 58 der Gerichtsakte. Der Plan ist von einem Gartenarchitekten aufgestellt
worden. Die Einzelheiten des Plans sind der mündlichen Verhandlung erläutert worden.
Damit hat die Gemeinschaft das beschlossen, was am Nachbarhaus bereits verwirklicht
worden ist; ein entsprechendes Foto ist überreicht worden und befindet sich unter den
erwähnten Fotos.
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Soweit der Beschluss das Fällen von Büschen und Bäumen betrifft, handelt es sich um
die Hecke, die den gegenwärtig vorhandenen Müllboxen gegenüber steht, ferner um
eine Hainbuche, die derzeit hinter des bisherigen Containerboxen steht. Ferner sollen
die Fahrradabstellmöglichkeiten dem Bedarf angepasst werden. Die Neupflasterung der
Wege - wenigen qm - ist bedingt durch die Verlegung des C-Platz. Der neue D-Platz soll
nämlich weiter entfernt vom Gebäudekörper liegen als früher, also mehr zur ..... T-Straße
hin. Bezogen auf die zur Teilungserklärung gehörenden Skizze liegt der neue Standort
ansonsten etwas weiter links als bisher, die Mitte der Containeranlage etwa auf der
Mittelachse der mit "C" bezeichneten Gebäudeteile.
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Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit gleichlautenden Anträgen.
Die Anträge der Beteiligten zu 1) und 3) sind am 28.10.1997 bei Gericht eingegangen,
der Antrag des Beteiligten zu 2) am 01.12.1997.
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Die Antragsteller beantragen,
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den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 29.10.1997 zu TOP 4.3 aufzuheben.
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Die Antragsgegner beantragen,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat mündlich
verhandelt.
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Der Antrag ist zulässig. Gem. § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG entscheidet das Amtsgericht, in
dessen Bezirk das Grundstück liegt, auf Antrag eines Wohnungseigentümers oder des
Verwalters über die Gültigkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümer. Die gem. §
23 Abs. 4 WEG zu beachtende und nach §§ 188 Abs. 2, 193 BGB zu berechnende
Monatsfrist zur Stellung des Antrags auf Erklärung der Ungültigkeit des
Eigentümerbeschlusses ist gewahrt, da der 29.11.1997 auf einen Samstag fiel.
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Der Antrag ist aber nicht begründet.
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Der Beschluss ist mit Mehrheit verabschiedet worden, jedoch nicht einstimmig.
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Das Gericht neigt zu der Auffassung, dass es sich bei der beschlossenen Planung um
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eine - dringend notwendige ! - modernisierende Instandsetzung handelt, die mit
Mehrheit beschlossen werden kann. Einstimmigkeit ist bei solchen Maßnahmen nicht
erforderlich. Von einer modernisierenden Instandsetzung kann gesprochen werden,
wenn vorhandene defekte oder veraltete oder unzureichende Gerätschaften nicht durch
gleichartige, sondern durch technisch neuere, bessere und möglicherweise auch
kostspieligere ersetzt werden. Dies liegt hier nahe; die gegenwärtige Situation erinnert
an einen sozialen Brennpunkt, nicht an eine Wohnungseigentumsanlage. Für die
Annahme einer modernisierenden Instandsetzung ist das Vorhandensein eines
Mangels erforderlich; dies ist angesichts des gegenwärtigen unstreitigen Zustands
uneingeschränkt zu bejahen.
Selbst wenn aber eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG, die
grundsätzlich nur einstimmig beschlossen werden kann, anzunehmen wäre, ergibt sich
im Ergebnis nichts anderes. Nach § 22 WEG ist für bauliche Veränderungen, welche
über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen
Eigentums hinausgehen, die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich, es
sei denn gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG, dass durch die Änderung die Rechte der
übrigen Wohnungseigentümer nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus
beeinträchtigt werden.
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Allgemein heißt es, dass jede Veränderung des architektonisch-ästhetischen
Aussehens des Gebäudes die Gemeinschaft beeinträchtigt und damit die übrigen
Wohnungseigentümer. Allerdings setzt dies begrifflich voraus, dass "ästhetisches"
Aussehen (laut Duden: schön ausgewogen, geschmackvoll, ansprechend) vorhanden
ist. Dies ist im gegenwärtigen Zustand nicht zu bejahen. Allseitige Zustimmung ist nach
§§ 22, 14 WEG nicht erforderlich, wenn die übrigen Wohnungseigentümer zur Duldung
verpflichtet sind. Eine solche Duldungspflicht besteht nach § 14 WEG gegenüber einem
Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, der keinen der Wohnungseigentümer
über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus
beeinträchtigt. Für bauliche Veränderungen, welche den optischen Gesamteindruck
einer Wohnanlage beeinträchtigen, besteht in keinem Fall eine Duldungspflicht.
Vorliegend besteht die beschlossene Änderung im wesentlichen darin, dass unter einer
völlig geringfügigen, eher der Gemeinschaft günstigeren, Ortsveränderung nunmehr alle
Müllcontainer ordnungsgemäß untergebracht werden, (vgl. auch zur Verlegung von
Müllboxen Niedenführ-Schulze, WEG, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 9 mit weiteren Nachweisen).
Eine über das bisherige Maß hinausgehende Belästigung ist nicht erkennbar; im
Gegenteil, der Zustand verbessert sich deutlich.
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Soweit baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Belange berührt sein mögen, ist
das Vorbringen der Antragsteller nicht nachvollziehbar. Bei der Aufstellung der neuen
Müllboxen geht es sicherlich nicht um die Einhaltung eines Bauabstandes. Im Termin ist
auch nicht die angeforderte Bescheinigung der Baubehörde zur Unzulässigkeit des
Vorhabens vorgelegt worden. Ebensowenig kann bei der beschlossenen Maßnahme
die Rede davon sein, es handele sich um die gesamte Beseitigung eines
Baumbestandes.
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Ob es bessere Lösungen für die Unterbringung der Müllcontainer gibt, wie der Beteiligte
zu 2) meint, steht in diesem Verfahren nicht zur Debatte, da er keinen Beschlussantrag
eingebracht hat, über den abgestimmt worden wäre.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Für ein Abweichen von dem in § 47
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WEG niedergelegten Grundsatz, dass in Wohnungseigentumsverfahren die Beteiligten
ihre außergerichtlichen Kosten selber zu tragen haben, besteht keine Veranlassung.
Geschäftswert: 40.000,00 DM.
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