Urteil des AG Neuss vom 14.09.2009

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Amtsgericht Neuss, 84 C 383/09
Datum:
14.09.2009
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
84. Abteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
84 C 383/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 70 % und die
Beklagte zu 30 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
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Entscheidungsgründe
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I.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der weiter geltend
gemachten Mietwagenkosten aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. 3 Nr. 1 und 2
PflVG a.F. (§ 1 PflVG i.V.m.§ 115Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 S. 2 VVG n.F.)
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Die Haftung der Beklagten für den aus dem Verkehrsunfall am 01.05.2007 in …
resultierenden Schaden der Klägerin ist dem Grunde nach unstreitig.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte jedoch nicht auch die gesamten
Kosten in Höhe von insgesamt 892,55 € für die Anmietung eines Mietfahrzeuges mit
dem amtlichen Kennzeichen … der … Autovermietung in der Zeit vom 01.05.2007 bis
zum 15.05.2007 zu tragen.
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Die Klägerin hat die ihr obliegende Schadensminderungspflicht verletzt.
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Der Schädiger hat Mietwagenkosten grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen, als dies
tatsächlich zur Herstellung des Zustands erforderlich ist, welcher ohne die Schädigung
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bestehen würde. Als Erforderlich sind dabei nur die Aufwendungen anzusehen, die ein
verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für
zweckmäßig und notwendig halten darf, wobei der Geschädigte unter dem
Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten ist, im Rahmen des ihm
Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der
Schadensbeseitigung zu wählen.
Unstreitig hat die Klägerin mit dem angemieteten Fahrzeug in dem Mietzeitraum von 15
Tagen lediglich eine Strecke von 73 Kilometer zurückgelegt, was einer
durchschnittlichen Fahrleistung in Höhe von 4,86 km pro Tag entspricht.
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Dies allein begründet zwar noch nicht eine Verletzung der der Klägerin obliegenden
Schadensminderungspflicht. Die von der Rechtsprechung zugrunde gelegte
Tageskilometerleistung von 20 km stellt nämlich keine starre Grenze dar. Vielmehr ist
der Klägerin zuzugeben, dass auch ein grundsätzlich nur geringfügiger Fahrbedarf bei
wertender Betrachtung dennoch einen nach § 249 BGB erforderlichen Fahrbedarf
darstellen kann, wenn bei Hinzutreten weiterer Umstände die Anmietung eines
Ersatzfahrzeuges zweckmäßig erscheint. Insoweit kommt ein pauschaler
Tageskilometermindestbedarf nicht in Betracht, wenn der konkrete
Tageskilometerbedarf auf Grund der Lebensumstände des Betroffenen nicht
vorhersehbar ist. Die - im Einzelfall wertend zu erfassende - Grenze ist also dann
überschritten, wenn die Anmietung des Ersatzfahrzeugs allein der Befriedigung der
Bequemlichkeit oder eines beharrlichen Statusdenkens dient. (LG Stendal Urteil v.
20.10.2005, Az.: 22 S 86/05)
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Besondere Lebensumstände der Klägerin, die hier die Anmietung eines
Ersatzfahrzeuges zweckmäßig erscheinen lassen, sind jedoch bei der Klägerin nicht
ersichtlich.
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Nach dem unbestrittenen Vortrag der 87-jährigen Klägerin hat diese das Unfallfahrzeug
bereits am 03.01.1994 als Neufahrzeug erworben und legte damit bis Mai 2007 lediglich
39.460 km zurück. Insoweit erscheint es nach Ansicht des Gerichts für die Klägerin
vorhersehbar gewesen zu sein, dass sie das Fahrzeug nicht ausgiebig nutzen würde.
Auch lebt die Klägerin nicht etwa im ländlichen Bereich, sondern in … . Insoweit ist es
ihr nach Ansicht des Gerichts möglich und auch zumutbar gewesen, zu den Fahrten ein
Taxi – welches in einer städtischen Gegend eher zu bekommen ist, als in einer
ländlichen - zu gebrauchen. An der vorliegenden Wertung ändert auch der unbestrittene
Vortrag der Klägerin, dass sie zu 40 % behindert und in ständiger ärztlicher Behandlung
ist, nichts. Nicht vorgetragen wurde, inwieweit etwaige Arztbesuche für die Klägerin
nicht planbar sind. Im Übrigen fehlt es an Vortrag, wie häufig etwaige Arztbesuche
vorgenommen werden müssen. Hierüber wird durch den Vortrag einer "ständigen
Behandlung" keine Aussage getroffen. Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie ihr
Fahrzeug für "Notfälle" unterhält, stellt dieses nach Ansicht des Gerichts ebenfalls
keinen in der Person der Klägerin begründeten zu berücksichtigenden besonderen
Umstand dar. Von Notfällen kann jeder Mensch betroffen sein. Es ist deswegen aber
nicht notwendig ein Fahrzeug zu unterhalten. Dieses ist alleine eine Entscheidung der
Klägerin. Auch nicht mit Erfolg kann darauf verwiesen werden, dass der Sohn der
Klägerin diese zu den Arztbesuchen begleitet und auch für den Transport des
benötigten Rollators sorgt. Dieser könnte nämlich auch in einem Taxi die Klägerin
begleiten.
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Das im Ergebnis auf ein Sicherheitsinteresse der 87-jährigen Klägerin
zurückzuführende Vorhalten eines eigenen Fahrzeuges ist für das Gericht
nachvollziehbar, jedoch begründet es im Ergebnis keinen Anspruch gegen die Beklagte
auf Ersatz der gesamten Mietwagenkosten.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO.
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III.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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IV.
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Die Berufung wird in Ermangelung der Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht
zugelassen.
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V.
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Streitwert:
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bis 27.05.2009: bis 900 €
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danach: bis 600 €
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Richterin
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