Urteil des AG Neuss vom 02.08.2000

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Amtsgericht Neuss, 87/42 C 6702/99
Datum:
02.08.2000
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
durch den Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
87/42 C 6702/99
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.699,00 DM nebst 10 %
Zinsen seit dem 14.07.1999 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheit kann auch durch die Bürgschaft einer in der
Bundesrepublik Deutschland ansässigen großen Bank oder Sparkasse
erbracht werden
Tatbestand:
1
Der Kläger macht Ansprüche aus einem Reisevertrag zwischen Frau .. und der
Beklagten geltend. Erstere trat ihre diesbezüglichen Ansprüche unter dem 25.09.1999
an den Kläger ab.
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Am 19.05.1999 buchte Frau ... bei der Beklagten eine Reise in das Hotel ... in der
Türkei. Diese Reise dauerte vom 31.05. bis zum 07.06.1999.
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Am Morgen des Abreisetags zeigte Frau .. an, dass sie in der Nacht vergewaltigt worden
sei. Im Zuge der Ermittlungen wurde letztlich ein Bettlaken mit Spermaspuren im
Badezimmer ihres Hotelzimmers gefunden. Noch am Abreisetag wurde ihr ein Gärtner
der Hotelanlage, Herr ... vorgeführt, welchen sie als Täter identifizierte.
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Mit Schreiben vom 01.07.1999 zeigte Frau ... diese Vergewaltigung gegenüber der
Beklagten an und verlangte Rückerstattung des Reisepreises sowie Ersatz für nutzlos
aufgewendete Urlaubszeit. Mit Schreiben vom 13.07.1999 lehnte die Beklagte solche
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Zahlung ab.
Frau ... nimmt Bankkredit zumindest in Höhe der Klageforderung in Anspruch und zahlt
hierauf mindestens 10 % Zinsen.
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Der Kläger behauptet, dass Frau ... in der Nacht vom 06.06. auf den 07.06.1999 von
Herrn ... in ihrem Hotelzimmer vergewaltigt worden sei.
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Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.699,00 DM nebst 10 % Zinsen
seit dem 13.07.1999 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den
Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin ... (Blatt 59 ff
Gerichtsakte).
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung begründet.
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Der Kläger kann gem. §§ 398, 651 d Abs. 1, 472 BGB Rückerstattung des von Frau ....
an die Beklagte gezahlten Reisepreises in Höhe von 999,00 DM verlangen. Die von der
Beklagten erbrachte Reiseleistung war derart mangelhaft, dass der Reisepreis um 100
% zu mindern ist. Frau .... ist in der Nacht vom 06.06. auf den 07.06.1999 in ihrem
Hotelzimmer von einem Mitarbeiter der Hotelanlage vergewaltigt worden. Dies stellt
einen Reisemangel dar. Zwar kann von einem Reiseveranstalter nicht erwartet werden,
den Reisenden vor sämtlichen Gefahren im Zusammenhang mit der Reise zu schützen.
Jedoch hat er eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen, in der gewaltsame Übergriffe
seitens der Mitarbeiter dieser Unterkunft unterbleiben. Insbesondere kann eine
Reisende erwarten, dass der Reiseveranstalter ihr ein Hotel anbietet, welches Personal
auswählt, dass nicht nachts in die Zimmer der Reisenden eindringt und sie vergewaltigt.
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Dass Frau .... von Herrn ... vergewaltigt worden ist, steht nach Durchführung der
Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Die entsprechenden
Schilderungen der Zeugin waren in sich schlüssig. Insbesondere war die Zeugin
glaubwürdig. Sie erweckte auf das Gericht nicht den Eindruck einer Person, die am
Reiseort eine Vergewaltigung anzeigt, einen unschuldigen Gärtner beschuldigt und ein
spermabeflecktes Bettlaken in ihr Badezimmer verbringt, nur um von der Beklagten den
Reisepreis zurückerstattet zu erhalten. Vielmehr fiel es ihr bei der Vernehmung
erkennbar schwer, die Fassung zu bewahren, was nicht gespielt wirkte.
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Auch dass es sich bei dem Täter um Herrn ..., einen Angestellten der Anlage handelte,
ist bewiesen. Angesichts der Tatsache, dass sich die Tat über mehrere Stunden
erstreckte, in denen die Zeugin mehrfach vergewaltigt wurde und jeweils von dem Täter
anschließend in das Badezimmer geführt wurde, gibt es keinen Grund, daran zu
zweifeln, dass die Zeugin am nächsten Tag in der Lage war, den Täter zu identifizieren.
Soweit die Beklagte vorträgt, dass ein Herr ... ausgesagt habe, dass er bis etwa 3.30 Uhr
oder 4.00 Uhr mit Herrn ... zusammen gewesen sei, so ist dies durchaus mit der
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Schilderung der Zeugin im Einklang zu bringen. Sie sagt aus, dass sie gegen 3.30 Uhr
durch einen fremden Mann geweckt wurde. Selbst wenn man den in der Klageschrift
genannten Zeitpunkt von 3.20 Uhr, den die Zeugin offensichtlich dem Kläger-Vertreter
mitgeteilt hatte, zugrundelegt, ergibt sich kein Widerspruch. Da weder Frau ... noch Herr
... die Zeit exakt gemessen haben dürften, sondern beide wohl nur ungefähre Angaben
machen konnten, kann durchaus Herr .... Herrn .... gegen 3.30 Uhr verlassen haben und
weiterhin gegen 3.30 Uhr in das Zimmer von Frau ... eingedrungen sein.
Die Minderung um 100 % ist gerechtfertigt, auch wenn sich die Vergewaltigung erst in
der letzten Nacht ereignete und bis dahin die Leistungen von der Beklagten
ordnungsgemäß erbracht worden sind. Das Ziel, dass ein Reisender mit einer
Pauschalreise ans Mittelmeer verfolgt, nämlich sich zu erholen und erholt und mit
angenehmen Erinnerungen nach Hause zurückzukehren, ist vorliegend vollkommen
verfehlt worden. Selbst wenn sich zwischenzeitlich ein Zustand der Erholung eingestellt
haben dürfte, wurde dieser durch die Ereignisse der letzten Nacht vollständig
ausgelöscht. Dieses ergibt sich ebenfalls aus der Aussage der Zeugin ... und versteht
sich im Übrigen von selbst.
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Ferner kann der Kläger aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Ersatz nutzlos
aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 700,00 DM gemäß § 651 f Abs. 2 BGB geltend
machen. Wie bereits ausgeführt, war die Reise für die Zedentin aufgrund des Mangels
völlig wertlos. Insofern steht ihr für die sieben aufgewendeten Urlaubstage eine
angemessene Entschädigung zu. Nach Ansicht des Gerichts erscheint es angemessen,
wie auch vom Kläger gefordert, von einem Pauschalbetrag von 100,00 DM pro
Urlaubstag auszugehen. Denkbare Kriterien zur Berechnung einer angemessenen
Entschädigung im Einzelfall, etwa der Reisepreis oder das Einkommen des Reisenden,
sind nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet, den Wert des Urlaubs für die
jeweilige Person zu bestimmen. Im Übrigen dürften diese Kriterien im vorliegenden Fall
auch nicht zu einem geringeren Betrag als dem beantragten führen.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Angesichts der
endgültigen Leistungsverweigerung seitens der Beklagten vom 13.07.1999 bedurfte es
keiner weiteren Mahnung mehr. Beginn der Zinslaufzeit ist allerdings entgegen dem
Klageantrag analog § 187 Abs. 1 BGB der Tag nach dem verzugsbegründenden
Ereignis. Im Hinblick auf den Zweck der Abtretung, nämlich Geltendmachung der
Ansprüche in einem gerichtlichen Prozess, ist davon auszugehen, dass die
Zinsansprüche mitzediert worden sind.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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Streitwert: 1.699,00 DM
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.... , Richter
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