Urteil des AG Neuss vom 27.03.2009

AG Neuss: verwaltung, verwalter, firma, amt, miteigentümer, mehrheit, abstimmungsergebnis, zwangsvollstreckung, verein, ungültigerklärung

Amtsgericht Neuss, 101 C 242/08
Datum:
27.03.2009
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
durch den Richter am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
101 C 242/08
Tenor:
1. Die auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 15. Oktober 2008
zu den
Tagesordnungspunkten
TOP 2 - Bestellung eines Verwalters, Miteigentümer
bewirbt sich um dieses Amt -
und
TOP 4 - Wahl eines Zustellungsbevollmächtigten,
Herr bewirbt sich für dieses Amt -
gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten werden verpflichtet, der Bestellung der Firma , für einen
Bestellungszeitraum von drei Jahren zur Verwalterin der
Wohnungseigentümergemeinschaft zu einer monatlichen
Verwaltergrundvergütung je Sondereigentumseinheit in Höhe von 21,50
EUR zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer in der jeweils geltenden
Höhe, zuzustimmen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen
Sicher-heitsleistung in Höhe von 1.100 EUR abzuwenden, wenn nicht
die Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in derselben Höhe
leisten.
Tatbestand:
1
Die Prozessbeteiligten sind die Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage in . Diese
Wohnungseigentumsanlage besteht aus fünf Sondereigentumseinheiten.
2
Die Kläger halten 426/1.000stel Miteigentumsanteile. Die Beklagten halten
574/1.000stel Miteigentumsanteile an der Wohnungseigentumsanlage.
3
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 15.10.2008 haben die
Versammlungsteilnehmer unter Tagesordnungspunkt 2 den nachfolgenden Beschluss
gefasst:
4
"TOP 2: Bestellung eines Verwalters, Miteigentümer bewirbt sich um dieses
Amt. Beschlussvorschlag:
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Herr wird zum Verwalter bestellt. Abstimmung ( per Handzeichen):
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Abstimmungsergebnis: 0.574 Ja-Stimmen-Anteile ( ) 0.426 Nein-Stimmen-
Anteile () 0.000 Stimmenenthaltungsanteile
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Beschlussergebnis: Es ist mehrheitlich gemäß Beschlussvorschlag
beschlossen.
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Hinweis
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Da Herr zum Verwalter bestellt wurde, kündigen die Miteigentümer ( ) die
Beschlussanfechtung des vorstehenden Beschlusses an. Herr sowie Herr
bezweifeln die Fachkompetenz von Herrn und weisen nochmals darauf hin,
dass ein Angebot einer kompetenten Firma (Firma) vorliegt.
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Unter Tagesordnungspunkt 4 haben die Versammlungsteilnehmer den nachfolgenden
Beschluss gefasst:
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Top 4: Wahl eines Zustellungsbevollmächtigten, Herr bewirbt sich für dieses
Amt Beschlussvorschlag: Herr wird als Zustellungsbevollmächtigter gewählt.
Abstimmung (per Handzeichen)
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Abstimmungsergebnis: 0.574 Ja-Stimmen-Anteile () 0.426 Nein-Stimmen-
Anteile ( ) 0.000 Stimmenenthaltungsanteile
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Beschlussergebnis Es ist mehrheitlich gemäß Beschlussvorschlag
beschlossen.
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Die Kläger wenden sich gegen die Beschlussfassungen zu Tagesordnungspunkt 2 und
15
Tagesordnungspunkt 4 aus der Wohnungseigentümerversammlung vom 15.10.2008.
Die Kläger sind der Ansicht, der Beschluss über die Bestellung des Beklagten zu 2. zum
Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft widerspreche den Grundsätzen
ordnungsgemäßer Verwaltung, da die wesentlichen Eckdaten der Bestellung, nämlich
deren Laufzeit sowie die Verwaltervergütung nicht festgelegt worden sind.
Die Bestellung des Beklagten zu 2. als Zustellungsvertreter durch Beschluss
widerspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da der Verwalter nach §
45 Abs. 1 WEG ohnehin Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft ist.
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Zur Frage der Verwalterbestellung hat der Kläger Herr im Verhandlungstermin am
13.03.2009 glaubhaft erklärt, dass die Kläger 10 verschiedene Verwaltungsfirmen
angeschrieben haben, um ein Angebot zu erhalten. Nur die Firma hat sich überhaupt
bereit erklärt, die zerstrittene Gemeinschaft zu verwalten.
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Die Kläger beantragen:
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1. Die auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 15.10.2008 zu TOP 2 sowie
zu TOP 4 gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten werden verpflichtet, der Bestellung der Firma, für einen
Bestellungszeitraum von drei Jahren zur Verwalterin der
Wohnungseigentümergemeinschaft zu einer monatlichen
Verwaltergrundvergütung je Sondereigentumseinheit in Höhe 21,50 EUR zzgl.
gesetzlicher Umsatzsteuer in der jeweils geltenden Höhe, zuzustimmen.
3. Den Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
19
20
Die Beklagten beantragen,
21
die Klage abzuweisen.
22
Die Beklagten tragen vor, die Beschlüsse entsprächen den Grundsätzen
ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Verwaltervertrag sei durch die Mehrheit der
Wohnungseigentümer geschlossen worden, also durch die Eigentümer und .
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Auf das Parteivorbringen im Übrigen wird ergänzend verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet. Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom
15. Oktober 2008 zu den Tagesordnungspunkten 2 und 4 entsprechen nicht den
Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung und sind daher für ungültig zu erklären.
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Der Beklagte zu 2. hat sich im Zusammenwirken mit seiner Lebensgefährtin, der
Beklagten zu 1. selbst zum Verwalter bestellt. Bei der Verwalterwahl kann auch ein
Eigentümer, welcher sich selbst wählen will, mit abstimmen. Allerdings ruht das
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Stimmrecht des entsprechenden Miteigentümers, wenn darüber entschieden werden
soll, ob und in welchem Umfang und mit welchen Modalitäten ein Verwaltervertrag mit
ihm abgeschlossen werden soll.
Entsprechend haben die Versammlungsteilnehmer am 15.10.2008 mit der Mehrheit der
Miteigentumsanteile lediglich beschlossen: " Herr wird zum Verwalter bestellt", ohne
Bestellungszeitraum, Vergütung oder sonstige Vertragsbestandteile zum Inhalt der
Beschlussfassung zu machen. Der Beklagte hat als Mehrheitseigentümer im Verein mit
seiner Lebensgefährtin sein absolutes Stimmenübergewicht dafür eingesetzt, seine
eigenen Interessen gegen den Willen der übrigen, jetzt zahlenmäßig überlegenen
Wohnungseigentümer durchzusetzen. Dieses Verhalten führt im vorliegenden Fall nicht
zum Stimmrechtsausschluss, weil über den Inhalt eines Verwaltervertrags gar nicht
abgestimmt worden ist. Das Verhalten führt aber zur inhaltlichen Unwirksamkeit des
entsprechenden Beschlusses. Die Verwalterbestellung des Miteigentümers bezeichnet
keinen Bestellungszeitraum und legt keine Verwaltervergütung fest. Außerdem ist die
Bestellung durch Majorisierung seitens des Beklagten zu 2 zustande gekommen.
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Der Bestellungsbeschluss war daher für ungültig zu erklären.
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Entsprechend dem Antrag der Kläger waren die Beklagten zu verpflichten, der
Bestellung der Fa. für den Zeitraum von drei Jahren zu einer monatlichen
Verwaltergrundvergütung je Sondereigentumseinheit in Höhe von netto 21,50 EUR
zuzustimmen. Der Kläger hat glaubhaft erklärt, dass bei gehöriger Nachsuche eine
weitere Verwalterfirma sich nicht gefunden hat, welche bereit gewesen wäre, die
Verwaltertätigkeit zu übernehmen.
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Es war auch nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft darauf zu verweisen, nach
Ungültigerklärung der Beschlüsse vom 15.10.2008 zunächst selbst erneut eine
Wohnungseigentümerversammlung durchzuführen, um eine Beschlussfassung über
eine Verwalterbestellung einschließlich Festlegung der Vertragsbestandteile
durchzuführen. Der 82 Jahre alte Beklagte zu 2. welcher in wohnt, möchte die
Verwaltung von dort aus selbst übernehmen. Die Verwaltertätigkeit einer Einzelperson,
welche dermaßen weit entfernt von der Wohnungseigentumsanlage wohnt, widerspricht
den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Gerade bei der Verwaltung von
Wohnungseigentumsanlagen trifft nicht der allgemeine Satz zu, dass jeder Ort der Welt
nur einen Telefonanruf weit entfernt ist. Die in § 27 WEG festgeschriebenen Aufgaben
eines Verwalters bedingen es, dass dieser regelmäßig sein Auge auf der
Wohnungseigentumsanlage hat. Dieses ist bei einem derart entfernten Wohnort nicht
gewährleistet.
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Dem Begehren der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, der Bestellung der Fa. unter
den genannten Bedingungen zuzustimmen, war daher stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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Richter am Amtsgericht
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