Urteil des AG Neuss vom 21.03.1986

AG Neuss (haftung, verjährungsfrist, schaden, verjährung, vergleich, sicherheitsleistung, einrede, zeitpunkt, höhe, klageerhebung)

Amtsgericht Neuss, 36 C 737/85
Datum:
21.03.1986
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
Richter am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
36 C 737/85
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des
Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 400,00 DM
abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorab in gleicher Höhe Sicherheit
leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische
Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder Sparkasse erbracht
werden.
Tatbestand:
1
Der Beklagte hatte die Vertretung der Klägerin in einem Kündigungsschutzverfahren vor
dem Arbeitsgericht E übernommen. In Abwesenheit der Klägerin schloss der Beklagte
am 06.10.1981 einen Vergleich, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Blatt 4
d.A. a) - e)).
2
Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in
Anspruch.
3
Sie trägt vor, der Beklagte habe sie über den Inhalt des Vergleichs falsch beraten.
Hierdurch sei ihr ein Schaden in Höhe von 1893,80 DM entstanden.
4
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 31.10.1985 (Bl. 1 ff d.A.)
und 25.02.1986 (Bl. 72 ff d.A.) verwiesen.
5
Die Klägerin beantragt,
6
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.893,80 DM nebst 4 % Zinsen
seit Klageerhebung zu zahlen,
7
hilfsweise,
8
der Klägerin nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung - auch Bank- oder Sparkassenbürgschaft - abzuwenden.
9
Der Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Im übrigen bestreitet er, dass der
Klägerin infolge einer unrichtigen Mitteilung des Vergleichsinhaltes ein Schaden
entstanden sei.
12
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 30.01.1986 (Bl. 33 d.A.)
Bezug genommen.
13
Entscheidungsgründe:
14
Ein Anspruch auf Zahlung von 1.893,80 DM steht der Klägerin gegen den Beklagten
nicht zu.
15
Etwaige aus dem Mandatsverhältnis der Parteien herrührende
Schadensersatzansprüche der Klägerin sind jedenfalls verjährt, §§ 222 BGB, 51 BRAO.
Die dreijährige Verjährungsfrist des § 51 BRAO war im Zeitpunkt der Klageerhebung
bereits abgelaufen. Gemäß § 51 BRAO verjähren Schadensersatzansprüche des
Auftraggebers gegen den REchtsanwalt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der
Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in drei Jahren nach der Beendigung des
Auftrages. Vorliegend war der von der Klägerin behauptete Schaden, die Richtigkeit
ihres Sachvortrages unterstellt, mit Rechtskraft des Vergleichs vom 06.10.1981, die am
17.10.1981 eintrat, dem Grunde nach entstanden, denn die in dem Vergleich
niedergelegten Daten waren, wie die Sozialgerichtsprozesse gezeigt haben, Grundlage
für die Bemessung des Arbeitslosen- und Rentenversicherungsentgeltes. Stellt man
demgegenüber auf die Beendigung des Mandats ab, so war auch hier die dreijährige
Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen, denn wie die Klägerin
einräumt, war das Mandat spätestens im März 1982 beendet. Die Klägerin kann die von
dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede auch nicht mit einem sogenannten
"sekundären" Schadensersatzanspruch zu Fall bringen. Die Gläubigerin eines aus
Verletzung des Mandatsvertrages haftenden Anwalts erlangt gegen diesen einen
sogenannten Sekundäranspruch darauf, dass die Einrede der Verjährung nach § 51
BRAO nicht erhoben werde, wenn der Anwalt ein während des Laufs der
Verjährungsfrist des § 51 BRAO bestehendes Mandatsverhältnis erneut dadurch
schuldhaft verletzt, dass er trotz gegebenen Anlasses seine Auftraggeberin nicht auf
seine Verpflichtung, sie im Wege des Schadensersatzes von ihren Verbindlichkeiten zu
befreien, hinweist und nicht über die Verjährung dieses gegen ihn gerichteten
Anspruchs zutreffend belehrt. Auf diese erneuten Pflichtverletzungen muss der Eintritt
der Verjährung nach § 51 BRAO beruhen, anderenfalls entsteht der
Schadensersatzanspruch auf Unterlassung der Einrede nicht (vgl. BGH NJW 1986, 583,
16
582). Diese Voraussetzung kann nur dann erfüllt sein, wenn der Mandant innerhalb der
Verjährungsfrist des Primäranspruchs überhaupt keine ausreichende rechtliche
Belehrung erhält und ihm im übrigen die Haftung des Anwalts auch sonst unbekannt ist.
So entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich der
Anwalt trotz vorheriger Versäumung des Hinweises auf das
Leistungsverweigerungsrecht des § 222 BGB berufen kann, wenn die Gläubigerin durch
einen anderen Rechtsanwalt über seine Haftung beraten wird. Das Gleiche muss aber
auch dann gelten, wenn die Gläubigerin aus einer gerichtlichen Entscheidung
entnehmen muss, dass der Anwalt von dem ihm erteilten Auftrag zu Ungunsten seines
Mandanten abgewichen ist und sich dementsprechend die Annahme einer Haftung
auch für einen Laien geradezu aufdrängen muss. So liegt der Fall hier. Der Klägerin war
spätestens seit dem Urteil des Sozialgerichts E vom 19.08.1983 und dem dieses Urteil
bestätigenden Urteil des Landessozialgerichts vom 06.06.1984 bekannt, dass der
Beklagte entgegen der von ihr behaupteten Anweisung in dem Vergleich vom
06.10.1981 nicht die von ihr angegebenen Tariferhöhungen ab dem 01.05.1981
berücksichtigt hatte und ihr deswegen ein geringeres Arbeitslosengeld und
Rentenversicherungsentgelt zuerkannt worden war. Die Klägerin hat demnach noch
innerhalb der Verjährungsfrist des § 51 BRAO von einem möglichen Fehler des
Beklagten Kenntnis erlangt. Der Klägerin war aufgrund der Entscheidung des
Sozialgerichts E vom 19.08.1983 auch eine Haftung des Beklagten bewusst. Dies ergibt
sich eindeutig aus dem Schreiben vom 28.05.1984. Wenn es darin am Ende heißt:
"....dürfte der schriftlich abgefasste Vergleich vor dem Arbeitsgericht im Wortlaut falsch
sein. Für diesen Fall darf ich Sie bitten, den eingetretenen Schaden Ihrer
Haftpflichtversicherung anzuzeigen.", so kann dies nur bedeuten, dass der Klägerin eine
Haftung des Beklagten bewusst und sie dementsprechend nicht mehr im Sinne der
vorgenannten BGH-Rechtsprechung belehrungsbedürftig war. Dementsprechend kann
sich der Beklagte trotz vorheriger Versäumung des Hinweises auf eine etwaige eigene
Haftung auf das Leistungsverweigerungsrecht des § 222 BGB berufen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
17