Urteil des AG Neukölln vom 06.04.2006

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Gericht:
AG Neukölln
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 C 141/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 535 BGB
Wohnraummiete: Mietminderung wegen des Bordellbetriebs in
einem großstädtischen Wohnhaus
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Euro 875,25
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf Euro
77,07 seit dem 06.04.2006 und auf jeweils Euro 133,03 seit dem 05.05., 07.06., 06.07.,
04.08., 06.09. und 05.10.2006 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 9/20 und die Beklagten als
Gesamtschuldner zu 11/20 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn
nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Mit Vertrag vom 05.09.2003 vermietete die Klägerin die Wohnung in der ..., in ... Berlin
an die Beklagten. Die monatliche Bruttomiete beträgt Euro 889,72. Mit Telefonat vom
05.01.2006 und Schreiben vom 23.02.2006 kündigten die Beklagten eine Mietminderung
an. Zur Begründung verwiesen sie darauf, dass sich in der Erdgeschosswohnung des
Hauses ein Bordell befinde. In den Monaten März bis Oktober 2006 minderten die
Beklagten sodann die Miete um monatlich jeweils Euro 222,00. Bis auf einen Betrag in
Höhe von Euro 33,01 verrechnete die Klägerin das Guthaben der Beklagten aus einer
Betriebskostenabrechnung mit der verbliebenen Mietforderung für März 2006.
Der Zugang zur betreffenden Gewerbemieteinheit im Erdgeschoss erfolgt über den
Hausflur. Ihr Eingang liegt neben den Hausbriefkästen. Der Hausflur wird ein Mal
wöchentlich gereinigt. Das Haus verfügt über eine Gegensprechanlage mit
automatischer Türöffnung.
Die Klägerin behauptet, in der Erdgeschosswohnung werde ein Wellness-Salon betrieben.
Zu Beeinträchtigungen der Mieter durch Kunden komme es nicht. Die Reinigung des
Hausflurs werde regelmäßig kontrolliert. Zu Beanstandungen der Sauberkeit sei es nicht
gekommen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Euro 1.587,01
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf Euro
33,01 seit dem 04.03.2006 und auf jeweils Euro 222,00 seit dem 06.04., 05.05., 07.06.,
06.07., 04.08., 06.09. und 05.10.2006 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, in der Erdgeschosswohnung werde ein Bordell betrieben.
Kunden würden teilweise im Hausflur neben den Briefkästen anstehen und sich die Zeit
vertreiben, was täglich mehrfach zu peinlichen Begegnungen führe. Sie würden dort
rauchen und Zigarettenkippen wegwerfen. Die Haustür sei nachts zwischen 20.00 und
6.00 Uhr regelmäßig nicht abgeschlossen, insbesondere würden die Mieter der
Erdgeschosseinheit die angeschlossene Tür wieder aufschließen. Sofern die Tür nach
20.00 Uhr angeschlossen sei, würden Kunden laut gegen die Hauseingangstür schlagen,
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20.00 Uhr angeschlossen sei, würden Kunden laut gegen die Hauseingangstür schlagen,
um Einlass zu erhalten. In der Nacht vom 20.07.2006 gegen 23.00 Uhr und am
21.07.2006 gegen 1.00 Uhr sei aus dem Fenster der Wohnung lautes anhaltendes
Stöhnen und Quietschen einer Matratze in den Innenhof des Hauses gedrungen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 03.11.2006 durch
Vernehmung der Zeugen ..., ..., ..., ... und ... Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 05.01. und 09.02.2007
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten gemäß § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf
Zahlung rückständiger Mieten für die Monate März bis Oktober 2006 in Höhe von
insgesamt lediglich Euro 875,25.
Den Beklagten steht für diese Zeit eine Mietminderung von 10% der Bruttomiete zu.
Dies entspricht einer Höhe von monatlich Euro 88,97, insgesamt Euro 711,76.
Die Mietminderung ist gerechtfertigt, weil in der Erdgeschosswohnung ein Bordell
betrieben wird. Dies wird von der Klägerin zwar mit der Behauptung bestritten, es
handele sich lediglich um einen Wellness-Salon. Das Gericht ist jedoch angesichts der
von den Beklagten eingereichten Unterlagen überzeugt, dass dort ein Bordell betrieben
wird. Aus diesen Unterlagen geht hervor, dass der Erdgeschossmieter im ... und im ...
unter der Rubrik ... sowie auf Internetseiten wie "www.... oder "www.... einschlägig wirbt.
Insbesondere die ausgedruckten Internetseiten lassen keinen Zweifel an der Art des
Geschäftsbetriebes aufkommen. In Übereinstimmung hiermit hat die Zeugin ...
bekundet, bei einem Besuch bei ihrer Tochter am 20.07.2006 Stöhn- und
Quietschgeräusche im Innenhof gehört zu haben. Zugleich hat sie dargelegt, dass sie
aufgrund der Richtung, aus der die Geräusche kamen, sicher sei, dass diese der
Gewerbeeinheit im Erdgeschoss zuzuordnen waren. Das Gericht hat keine Zweifel an der
Richtigkeit dieser Aussage. Zwar wird angenommen, dass allein das Vorhandensein
eines Bordells in einer Großstadt ohne Sperrbezirk nicht zu einer Mietminderung führen
könne, sondern dass konkrete bordelltypische Störungen vorliegen müssten (LG Berlin,
NJW-RR 2000, 601). Das Gericht vertritt demgegenüber jedoch die Ansicht, dass allein
das Vorhandensein eines Bordells eine Mietminderung in Höhe von 10% rechtfertigt (so
auch LG Berlin, NJW-RR 1996, 264; LG Berlin, WuM 2004, 233). Denn aufgrund des
Umstandes, dass der Zugang zum Bordell vorliegend über den Hausflur erfolgt, besteht
grundsätzlich die Möglichkeit von Belästigungen der Mieter durch wartende Kunden.
Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge ... ausschließt, dass Kunden in der
Vergangenheit im Hausflur gewartet haben. Denn dies schließt ein Zusammentreffen
während des Kommens und Gehens der Kunden nicht aus. Darüber hinaus liegt eine
Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens der Mieter vor. Dies mag in Großstädten, wo
mit Bordellen gerechnet werden muss, geringfügiger beeinträchtigt sein als in einer
ländlichen Gegend. Dass diese Beeinträchtigung aber dennoch vorhanden ist, bestätigt
die Aussage der Zeugin ..., die glaubhaft bekundet hat, dass gerade der Umstand des
im Wohnhaus befindlichen Bordells zu ihrem vorzeitigen Auszug aus dem Haus geführt
hat. Eine Beeinträchtigung des Wohnwertes liegt daher bereits aufgrund des bloßen
Betriebs eines Bordells im Mietshaus vor.
Die Mietminderung ist von der Bruttomiete zu berechnen (BGH NJW 2005, 1713, 2773)
und beträgt vorliegend monatlich Euro 88,97.
Eine darüber hinausgehende Mietminderung steht den Beklagten nicht zu. Sie wäre nur
dann anzunehmen, wenn der Betrieb des Bordells zu andauernden und gravierenden
Belästigungen der Mieter führen würde, etwa durch wartende Kunden im Hausflur (LG
Berlin, NJW-RR 1996, 264; LG Berlin, WuM 2004, 233). Derartige Belästigungen, die es
rechtfertigen würden, den Beklagten eine über 10% hinausgehende Mietminderung
zuzugestehen, hat die Beweisaufnahme jedoch nicht bestätigt.
Die Zeugen ... und ... haben zwar ausgesagt, mehrfach im Hausflur auf wartende
Kunden getroffen zu sein. Dies kam jedoch nur gelegentlich vor. Der Zeuge ... traf
lediglich 5 bis 15 Mal in 4 Monaten wartende Kunden an. Dies entspricht einem
Zusammentreffen von maximal 1 Mal in der Woche. Auch der Zeuge ... begegnete
lediglich ein Mal wöchentlich Kunden. Die Zeugin ... hingegen hat nie anstehende Kunden
angetroffen. Sofern die Zeugen mit Kunden zusammentrafen, konnten sie keine
konkreten Belästigungen durch diese Kunden darlegen. Vielmehr hat die Zeugin ...
mitgeteilt, dass die Kunden eine Begegnung mit ihr eher zu vermeiden suchten. Beim
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mitgeteilt, dass die Kunden eine Begegnung mit ihr eher zu vermeiden suchten. Beim
Zeugen ... verursachten Begegnungen lediglich ein unangenehmes Gefühl. Soweit die
Zeugin ... angab, es 3 Mal in einem halben Jahr erlebt zu haben, dass Kunden am
Samstag Vormittag, wenn das Etablissement geschlossen hat, heftig geklingelt und an
die Tür geschlagen haben, handelt es sich, auch wenn die Zeugin hierdurch bewogen
wurde, Samstags einen anderen Ausgang aus dem Haus zu nutzen, nur um
gelegentliche Vorfälle.
Die Zeugen ... und ... haben bestätigt, dass im Hausflur geraucht wurde, ohne jedoch
den konkreten Verursacher angeben zu können. Einen Zusammenhang mit dem
Erdgeschossmieter konnten sie lediglich vermuten. Doch selbst wenn die Kunden des
Bordells dort geraucht hätten, geht das Gericht insofern nicht von einer bordelltypischen
Störung aus, da dies auch bei anderen Gewerbemietern vorkommen kann,
beispielsweise bei einer Arztpraxis, wenn Patienten oder Angehörige während der
Wartezeit zum Rauchen in den Hausflur gehen. Doch selbst dann, wenn das Haus keine
Gewerbemieter beherbergen würde, könnte es zu Zigarettenrauch im Treppenhaus
kommen. Denn ausweislich der in der Hausordnung niedergelegten
Brandschutzbestimmungen ist es den Mietern des Hauses vorliegend nicht verwehrt,
dort zu rauchen.
Die Zeugen haben zwar angegeben, seit der Aufnahme des Gewerbes in der
Erdgeschosswohnung verstärkt Dreck im Hausflur bemerkt zu haben. Nach Angaben des
Zeugen ... ging die Verschmutzung über das übliche Maß hinaus. Auf die Aufforderung
an den Zeugen, seine Aussage zu konkretisieren, teilte er lediglich mit, dass es in einem
sonst sauberen Treppenhaus bereits wenige Zigarettenkippen auffallen. Angesichts
dieser Aussage ist das Gericht nicht überzeugt, dass hier eine gravierende
Beeinträchtigung vorliegt, zumal der Hausflur unstreitig wöchentlich gereinigt wird.
Überdies ist hier ebenso wie im Zusammenhang mit dem Rauchen im Hausflur davon
auszugehen, dass keine bordelltypische Störung vorliegt. Dass, wie die Beklagten
vortragen, Einlass begehrende Kunden nach 20.00 Uhr an die Haustür schlagen, hat
keiner der Zeugen bestätigt.
Soweit die Beklagten vortragen, die Haustür sei zwischen 20.00 und 6.00 Uhr oftmals
nicht abgeschlossen, kann das Gericht hierin keinen Mangel sehen. Das Gericht ist der
Ansicht, dass dem Sicherheitsbedürfnis der Mieter grundsätzlich Genüge getan ist, wenn
die Haustür ins Schloss gezogen wurde, so dass das Haus nicht von beliebigen Personen
betreten werden kann. Ein zusätzliches Abschließen hält das Gericht nicht für
erforderlich, zumal dies den – insbesondere in den oberen Stockwerken wohnenden –
Mietern den Empfang von Besuch erschweren würde. Soweit die Zeugen ... und ...
angegeben haben, die Hauseingangstür habe offen gestanden, weil verhindert worden
sei, dass sie ins Schloss fallen kann, hat das Gericht Zweifel an einer gravierenden
Beeinträchtigung. Insbesondere hat der Zeuge ... mitgeteilt, dies lediglich 5 Mal bemerkt
zu haben. Hinzu kommt, dass die Zeugen nicht angeben konnten, wer dies verursachte,
so dass sich ein Zusammenhang mit dem Bordell lediglich vermuten lässt.
Zwar hat die Zeugin ... bestätigt, dass sie am Abend des 20.07.2006 aus dem
geöffneten Fenster der Wohnung lautes anhaltendes Stöhnen und Quietschen einer
Matratze gehört hat und dass sich die anderen Mieter hierdurch belästigt fühlten. Jedoch
konnte sich die Zeugin nur an einen Vorfall in dieser Nacht erinnern. Die Beklagten
haben keine regelmäßige Wiederholung dieser Störung vorgetragen, so dass von einer
nur gelegentlichen Beeinträchtigung ausgegangen werden muss.
Zusammenfassend kann das Gericht nicht von Beeinträchtigungen ausgehen, die über
das Maß gelegentlicher geringfügiger Belästigungen hinausgehen. Dies gilt selbst dann,
wenn man die von den Zeugen bestätigten Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit
betrachtet. Aus diesem Grund erübrigte sich die Vernehmung der weiteren von der
Klägerin benannten Zeugin ....
Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 4, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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