Urteil des AG Münster vom 19.08.2009

AG Münster (daten, versicherungsnehmer, verfügung, grund, informationssystem, prüfung, bezug, höhe, gerät, erlass)

Amtsgericht Münster, 48 C 2914/09
Datum:
19.08.2009
Gericht:
Amtsgericht Münster
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
48 C 2914/09
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungskläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Der Verfügungskläger wehrt sich gegen die Übermittlung seine Person betreffender
Daten in die sogenannte Uniwagnis-Datei.
2
Der Verfügungsbeklagten wurde am 27.2.2009 von ihrem Versicherungsnehmer ein
Schadensfall vom 21.2.2009 gemeldet. Es wurde angegeben, dass ihr
Versicherungsnehmer in der Wohnung des Verfügungsklägers beim Aufstehen gegen
ein hinter seiner Sitzgelegenheit befindliches Regal gestoßen sei. Es wurde weiter
angegeben, dass dadurch eine im Regal zur Hälfte mit Wasser gefüllte Blumenvase
umgestürzt und auf das ca. 40 cm tiefer auf dem Schreibtisch befindliche Laptop
gefallen sei. Hierdurch bedingt seien in erster Linie Schäden im Display des Laptops
entstanden und außerdem Blumenwasser in die Tastatur des Laptops eingedrungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Schadensschilderung des Verfügungsklägers an
die Verfügungsbeklagte wird auf die zur Antragserwiderung überreichten Anlagen B1
bis B3 Bezug genommen. Die Verfügungsbeklagte veranlasste eine gutachterliche
Überprüfung des Schadenshergangs zur Frage, ob durch den geschilderten Vorgang
die am Gerät festgestellten Schäden tatsächlich entstanden sein können. Zu diesem
Zweck übersandte der Verfügungskläger der Beklagten auf deren Bitte das Gerät,
welches an den beauftragten Sachverständigen weitergeleitet wurde. Das erstellte
Gutachten vom 2.7.2009 kam zu der folgenden Gesamtbewertung: "Die beträchtliche
Beschädigung des Displaypanels kann in einem Geschehensablauf nicht mit dem
3
gemeldeten Schaden –einem einmaligen Sturz einer Blumenvase aus geringer Höhe
von 40 cm – in Einklang gebracht werden. Es existieren mehrere Stoßstellen und
Knicke, insbesondere ein ausgeprägter Knick im oberen rechten Eckbereich. Es ist von
mehreren Ereignissen auszugehen. Die Ausfallzeit kann nicht bestätigt werden, weil mit
Eintritt des Wassers, das Teile des Mainboards erreicht und in Kontakten
Übergangswiderstände verursacht hat, Störungen bis zum Ausfall des Geräts zu
erwarten waren, die nicht protokolliert wurden. Die festgestellten Altschäden stehen in
keinem Zusammenhang mit dem gemeldeten Schadensereignis und mindern den Wert
des Gerätes."
Mit Schreiben vom 06.07.2009 teilte die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger mit,
dass der von ihr beauftragte Sachverständige festgestellt habe, dass der an dem Gerät
vorhandene Schaden nicht bei einem Ereignis entstanden sein könne. Der
Schadenshergang wurde bestritten. Die Verfügungsbeklagte teilte weiterhin wie folgt
mit:
4
"Bei der Prüfung unserer Leistungspflicht haben wir im Zusammenhang mit dem
Schadensfall Auffälligkeiten festgestellt. Ihre im Rahmen der Schadensbearbeitung
bekannt gewordenen Daten (i.e. Name und Anschrift) sollen daher in ein von dem
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Auftrag der
Versicherungen unterhaltenes Hinweis- und Informationssystem gegeben werden.
Zweck des Informationsaustausches zwischen den Versicherungen im Rahmen dieses
Systems sind die Bekämpfung von Versicherungsmissbrauch und die Aufklärung von
Versicherungsfällen unter Rückgriff auf frühere Schadensfälle. Ihre personenbezogenen
Daten liegen in den Hinweis- und Informationssystemen lediglich in verschlüsselter
Form vor. Erst im Fall einer künftigen Abfrage bei einer späteren Schadensbearbeitung
ist der anfragenden Versicherung ersichtlich, dass Sie in einem früheren Schadensfall
bei unserer Versicherung beteiligt waren." Die Verfügungsbeklagte leitete die Daten des
Verfügungsklägers nach Prüfung der "Checkliste für Meldungen an Uniwagnis aus der
Sparte Private Haftpflicht", wegen derer Einzelheiten auf die zur Antragerwiderung
überreichte Anlage B5 Bezug genommen wird, weiter.
5
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, er werde durch die Übermittlung der Daten zu
Unrecht als Versicherungsbetrüger hingestellt. Er sieht sich durch die Weiterleitung der
Daten in seinem Ruf beschädigt.
6
Der Verfügungskläger beantragt,
7
1. der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, die
8
9
angekündigte Übermittlung seiner Daten an ein von dem Gesamtverband
der Deutschen Versicherungswirtschaft
10
unterhaltenes Hinweis- und Informationssystem weiterzuleiten. Ggf. hat die
Verfügungsbeklagte dafür zu sorgen, dass bereits weitergeleitete Daten
11
umgehend wieder gelöscht werden.
2. der Verfügungsbeklagte soll für jeden Fall der Zuwiderhandlung
12
13
gegen das in Ziffer 1 ausgesprochene Gebot/Verbot ein Ordnungsgeld bis
zu 250.000,00 Euro und für den Fall diese nicht beigetrieben werden kann
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht werden.
14
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
15
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17
Entscheidungsgründe:
18
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet. Der
Verfügungskläger hat gegen die Verfügungsbeklagte keinen Anspruch aus §§ 1004
Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB bzw. § 35 BDSchG auf Sperrung bzw. Löschung der von der
Verfügungsbeklagten übermittelten Daten.
19
Zwar betrifft die Übermittlung von personenbezogenen Daten regelmäßig den Bereich
des grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung. Der gegenständliche Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht ist allerdings nicht rechtswidrig. Die Speicherung und Übermittlung
der den Verfügungskläger betreffenden Daten war gem. §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 1 Nr. 2
BDSchG zulässig und damit gerechtfertigt. Die Voraussetzungen der vorgenannten
Vorschriften liegen vor. Das Hinweis- und Informationssystem, die Uniwagnis-Datei,
dient der Risikoprüfung und der Prüfung im Leistungsfall durch die Versicherungen
sowie insbesondere der Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug und –
missbrauch. Bei dem Ziel der Führung eines solchen Hinweis- und Informationssystems
handelt es sich um die Wahrnehmung berechtigter Interessen der Versicherungen auch
im Sinne ihrer Versicherungsnehmer. Gerade im Bereich Haftpflichtversicherungen ist
der Versicherer nicht nur verpflichtet, berechtigte Ansprüche Dritter gegen den
Versicherungsnehmer auszugleichen, sondern auch unberechtigte Ansprüche
abzuwehren. Um dieses Ziel zuverlässig erreichen zu können, sind die Versicherer u.a.
auf den Zugriff weiterer Daten, die auf Grund von Unregelmäßigkeiten in einer
Schadensbearbeitung gewonnen worden sind, zurückzugreifen. Damit dient die
Speicherung derartiger Daten der Wahrung berechtigter Interessen im Sinne des § 28
Abs. 1 Nr. 2 BDSchG.
20
Es besteht weiterhin im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSchG kein Grund zu der
Annahme, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der
Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Insoweit ist eine Gesamtabwägung der
21
Interessen der Verfügungsbeklagten an der Erhebung und Speicherung der Daten
sowie der Interessen des Verfügungsklägers, insbesondere im Hinblick auf sein
Persönlichkeitsrecht, vorzunehmen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Interessen
des Verfügungsklägers ist allerdings jedenfalls dann nicht zu erkennen, wenn es sich
um die Weitergabe richtiger Daten handelt. Die Übermittlung der Daten erfolgt dabei
gerade nicht – wie der Verfügungskläger befürchtet – auf Grund eines feststehenden
Versicherungsbetruges. Vielmehr hat sich die Verfügungsbeklagte zur Übermittlung der
Daten auf Grund des Umstandes veranlasst gesehen, dass gutachterliche
Feststellungen vorlagen, die mit der Schadensschilderung des Verfügungsklägers nicht
in Einklang zu bringen waren. Gegen die, dem Verfügungskläger zur Verfügung
gestellten Feststellungen in dem Gutachten vom 02.07.2009 hat er keine Einwendungen
erhoben. Die von dem Sachverständigen getroffenen Feststellungen zu dem
Schadensbild an dem gegenständlichen Laptop hat der Verfügungskläger nicht
angegriffen. Der Verfügungskläger hat lediglich die Schlussfolgerungen des Gutachters
beanstandet. Das Gericht schließt sich allerdings den nachvollziehbaren und plausiblen
Ausführungen des von der Verfügungsbeklagten beauftragten Gutachters an, wonach
die an dem Laptop festgestellten Beschädigungen nicht auf ein Schadensereignis der
von dem Verfügungskläger beschriebenen Art zurückgeführt werden können. Bei der
Abwägung ist zudem zu berücksichtigten, dass bei einer etwaigen Abfrage der Daten
des Verfügungsklägers zunächst lediglich die Personendaten abzurufen sein werden.
Zur Erfragung weiterer Einzelheiten muss sich das anfragende Unternehmen an die
Verfügungsbeklagte wenden, die betreffend den Verfügungskläger nur die Umstände
der Unvereinbarkeit der Schadensschilderung mit einem eingeholten
Sachverständigengutachten weitergeben kann. Unter Berücksichtigung der
vorgenannten Umstände ist das Interesse des Verfügungsklägers nicht als derart
überwiegend anzusehen, dass dieses den Ausschluss der Weitergabe der Daten
rechtfertigen könnte.
Schließlich steht auch die Vorschrift des § 4 Abs. 3 BDSchG der Zulässigkeit der
Datenübermittlung nicht entgegen. Der Verfügungskläger wurde über die Weitergabe
der Daten durch das Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 06.07.2009 informiert.
22
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
23