Urteil des AG Münster vom 05.12.2007

AG Münster: dispositionen, eigentümer, gewalt, verfügung, miete, vertragsabschluss, aktivlegitimation, reisevertrag, streik, form

Amtsgericht Münster, 55 C 2408/07
Datum:
05.12.2007
Gericht:
Amtsgericht Münster
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
55 C 2408/07
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.309,89 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
15.10.2005 zu zahlen sowie den Kläger von außergerichtlichen
Vergütungsansprüchen des Rechtsanwalts V, H in Höhe von 359,50 €
freizustellen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger ist ein Sportverein mit Sitz in H, der eine Skiabteilung unterhält und einmal
jährlich seinen jugendlichen Vereinsmitgliedern eine Skireise in die Alpen anbietet. Die
Beklagte vermietet Ferienhäuser für Klein- und Großgruppen. In ihrem
Ferienhauskatalog bewirbt sie mehr als 100 Objekte für Gruppengrößen zwischen 20
und 60 Personen, unter anderem auch das Gruppenhaus "A", welches in E in der S liegt
und nach dem Katalog für 25 bis 70 Personen geeignet ist.
2
Im Juni 2004 buchte der Kläger bei der Beklagten das Gruppenhaus "A" für die Zeit vom
12.3. bis 26.3.2005. Als Mietpreis gab die Beklagte in der Buchungsbestätigung vom
2.6.2004 (Bl. 9 d. A.) unter Zugrundelegung von 40 Reiseteilnehmern einen Preis von
6.770,00 € an. Darüber hinaus enthielt die Buchungsbestätigung den Hinweis: "Die
Miete ab der 41. Person beträgt 166,00 € pro Person für den angemieteten Zeitraum".
3
Der Kläger schrieb die Skireise für den Winter 2004/2005 aus; aufgrund der
Ausschreibung meldeten sich bis zum 10.1.2005 insgesamt 43 jugendliche Teilnehmer
im Alter zwischen 15 und 18 Jahren an. Zudem verpflichtete der Kläger insgesamt 6
Jugendgruppenleiter für die pädagogische und sportliche Leitung der Reise. Insgesamt
sollten 49 Personen an der Reise teilnehmen.
4
Im November 2004 erfuhr die Beklagte davon, dass sie aufgrund von baulichen
Veränderungen des Objekts durch den Eigentümer in dem Haus "A" nur noch Platz für
30 Personen zur Verfügung stellen konnte. Hiervon informierte eine Mitarbeiterin der
Beklagten einen Mitarbeiter des Klägers Anfang Dezember 2004. Mit Schreiben vom
10.1.2005 (Bl. 55 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger schließlich mit, dass das
gebuchte Ferienhaus "A" für den gewünschten Termin nicht zur Verfügung stünde;
gleichzeitig bot die Beklagte dem Kläger verschiedene Ersatzunterkünfte an; hinsichtlich
deren Auflistung wird Bezug genommen auf Blatt 86 d. A..
5
Eine Einigung hinsichtlich eines der von der Beklagten angebotenen Ersatzobjekte kam
nicht zustande. Der Kläger mietete schließlich eine Ersatzunterkunft, für die er einen
Gesamtpreis von 11.267,89 € zu zahlen hatte. Darüber hinaus verlangte der
Busunternehmer einen Mehraufwand in Höhe von 300,00 € gegenüber dem
ursprünglich veranschlagten Preis für 200 zusätzliche Auslandskilometer, die darauf
beruhten, dass die nunmehr gebuchte Unterkunft nicht mehr in E, sondern in G lag.
6
Der Kläger verlangt Ersatz der ihm entstandenen Mehrkosten, wobei er von der
ursprünglich festgelegten Grundmiete von 6.770,00 € ausgeht und einen Aufschlag für 9
weitere Teilnehmer in Höhe von jeweils 966,00 € aufaddieriert, die er bei
ordnungsgemäßer Durchführung des mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrages
ebenfalls hätte bezahlen müssen. Zuzüglich der Mehraufwendungen für den Bus in
Höhe von 300,00 € ermittelt der Kläger einen Gesamtschaden von 3.303,89 €, den er
von der Beklagten ersetzt verlangt; diese lehnte mit dem am 14.10.2005 beim
Klägervertreter eingegangenen Schreiben eine Zahlungspflicht ab.
7
Der Kläger behauptet, diejenigen Jugendlichen, die sich für die Reise nach Engelberg
angemeldet hätten, hätten auch an der Reise nach G teilgenommen. Die
Mehraufwendungen für die Busfahrt seien tatsächlich entstanden. Andere angemessene
Unterkünfte seien nicht vorhanden gewesen.
8
Der Kläger beantragt,
9
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.309,89 € nebst Zinsen in
10
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
11
15.10.2005 zu zahlen sowie den Kläger von außergerichtlichen
12
Vergütungsansprüchen des Rechtsanwalts V,
13
H, in Höhe von 359,50 € freizu-
14
stellen.
15
Die Beklagte beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Sie beruft sich auf Verjährung. Des Weiteren bestreitet sie die Aktivlegitimation des
Klägers sowie die Vergleichbarkeit und Angemessenheit der von dem Kläger
letztendlich angemieteten Unterkunft in G. Schließlich vertritt die Beklagte auch die
18
Auffassung, dass aufgrund der G Ersatzansprüche des Klägers ausgeschlossen seien.
Hinsichtlich des weiteren beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst allen Anlagen Bezug genommen.
19
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
20
Dem Kläger steht ein Anspruch aus §§ 280, 281 BGB auf Ersatz des ihm insgesamt
entstandenen Schadens zu.
21
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Kläger des vorliegenden Verfahrens ist der W e. V., mit
welchem die Beklagte den hier vorliegenden Mietvertrag abgeschlossen hat. Die
Buchungsbestätigung der Beklagten vom 2.6.2004 richtet sich an ebenfalls den W e. V.,
der Kläger des vorliegenden Verfahrens ist. Wer zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses bzw. zum Zeitpunkt der jetzigen Klageerhebung Mitglied des
Vorstands ist, ist für die Aktivlegitimation des Klägers selbst unerheblich.
22
Der Anspruch folgt aus §§ 280, 281 BGB und ist begründet, weil die Beklagte die ihr
obliegende Leistung, nämlich die Zurverfügungstellung des Hauses "A" für die Zeit vom
12.3. bis zum 26.3.2005 nicht erbracht hat. Die Nichterbringung dieser Leistung hat die
Beklagte auch zu vertreten, da die Beklagte bei Vertragsabschluss entweder sich selbst
Klarheit darüber hätte verschaffen müssen, ob das Haus im März 2005 in der gebuchten
Form zur Verfügung steht oder, sofern der Eigentümer erst nachträglich Umbaupläne
entwickelt hat, die Beklagte für das Fehlverhalten des Eigentümers als ihren
Erfüllungsgehilfen haftet.
23
Schadensersatzansprüche des Klägers sind durch die G der Beklagten nicht
ausgeschlossen. Die G sehen ein Rücktrittsrecht der Beklagten vor, "wenn die
Durchführung der Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer
Gewalt, Streik, geänderten Dispositionen seitens der Eigentümer oder ähnlich
zwingenden Gründen erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird". Die
Voraussetzungen dieser von der Beklagten selbst aufgestellten Geschäftsbedingungen
liegen nicht vor. Umbaupläne und andersartige wirtschaftliche Dispositionen des
Eigentümers einer Immobilie sind keine Fälle von nicht voraussehbarer höherer Gewalt
oder nicht voraussehbarer geänderter Dispositionen. Derartige Fragen hätten vor
Abschluss des Mietvertrages durch die Beklagte mit dem Eigentümer des Objekts
geklärt werden können. Es handelt sich dabei nicht um Umstände und Dispositionen,
die einem Fall nicht voraussehbarer höherer Gewalt gleichzusetzen sind.
24
Der Anspruch ist auch nicht verjährt nach § 651 g Abs. 2 BGB. Die §§ 651 a ff. BGB sind
im vorliegenden Fall nicht einschlägig und schließen deshalb auch den Rückgriff auf §§
280 ff. BGB nicht aus. Schon nach dem Inhalt der Buchungsbestätigung der Beklagten
vom 2.6.2004 hat diese nicht einen Reisevertrag abgeschlossen, sondern eine Buchung
"zu unseren Mietbedingungen" vorgenommen. An anderer Stelle der
Buchungsbestätigung schreibt die Beklagte: "die Miete" beträgt 166,00 € pro Person".
25
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall nicht eine Gesamtheit von Reiseleistungen
angeboten, wie es § 651 a BGB vorsieht, sondern lediglich dem Kläger ein bestimmtes
Objekt vermietet, damit dieser seinen Kunden einen Reisevertrag anbieten konnte.
Reiseveranstalter war im vorliegenden Fall der Kläger im Verhältnis zu den
jugendlichen Kunden, nicht die Beklagte (vgl. Pallandt, Einführung vor § 651 a
26
Randnote 4).
Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches durch den Kläger ist auch nicht
treuwidrig, weil der Kläger sich auf die verschiedenen Ersatzangebote der Beklagten
nicht eingelassen hat. Die vorgelegten Ersatzangebote waren weder vom Skigebiet
noch von den angebotenen Häusern dem Haus A gleichwertig. Auf diese Angebote
musste sich der Kläger nicht einlassen.
27
Soweit die Beklagte schließlich die Höhe der entstandenen Kosten bestreitet, ist dieses
Bestreiten unsubstantiiert und bedarf keiner weiteren Überprüfung. Der Kläger hat die
Rechnung der Firma d, die die Busleistung erbringen sollte, mit dem dort
ausgewiesenen Mehrpreis vorgelegt. Ein diesbezüglich entstandener Schaden ist
nachvollziehbar, da eine größere Fahrstrecke zurückgelegt werden musste. Den
Mehrpreis schätzt das Gericht gem. § 287 ZPO auf 300,00 €.
28
Soweit die Beklagte schließlich geltend macht, die vom Kläger letztendlich angemietete
Unterkunft in G sei besser gewesen als die ursprünglich angemietete Unterkunft im
Haus A ist auch dieses Bestreiten unsubstantiiert. Die Beklagte kennt selbst das Haus
A. Wenn das vom Kläger angemietete Objekt nicht gleichwertig wäre, hätte es näherer
Darlegung dieser Umstände bedurft. Im übrigen hätte die Beklagte darlegen müssen,
dass der Kläger ohne weiteres an anderer Stelle ein gleichwertiges Hotel mit
gleichwertigen Bedingungen in der Umgebung zum gleichen Preis hätte bekommen
können. Auch an dieser Darlegung fehlt es. Schließlich kann die Beklagte auch nicht mit
dem Einwand gehört werden, in der Unterkunft in G seien insgesamt 55 Personen
untergebracht worden, weshalb der Aufenthalt im Haus A von vorn herein nicht möglich
gewesen sei. Nach der Buchungsbestätigung war es dem Kläger möglich, mehr als 40
Personen im Haus A unterzubringen und war offensichtlich auch in Vergangenheit
mehrfach mit Zustimmung der Beklagten praktiziert worden.
29
Weitere durchgreifende Bedenken gegen die Höhe der geltend gemachten Forderung
bestehen nicht.
30
Ein Zinsanspruch ist begründet aus §§ 280, 286 BGB.
31
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
32