Urteil des AG Mönchengladbach-Rheydt vom 17.11.2005

AG Mönchengladbach-Rheydt: konkretisierung, bestimmungsrecht, verbreitung, druck, verleger, besteller, bestimmbarkeit, ermessen, werkvertrag, broschüre

Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt, 10 C 282/05
Datum:
17.11.2005
Gericht:
Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt
Spruchkörper:
10 Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 C 282/05
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
597,40 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
05.07.2005 zu zahlen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Klage ist begründet.
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Der Kläger ist gem. §§ 812 BGB, 128 HGB analog berechtigt, von den Beklagten
Zahlung von 597,40 € zu verlangen. Die Beklagten sind um den von dem Kläger an sie
geleisteten Betrag ohne Rechtsgrund bereichert. Zwischen ihnen ist ein wirksamer
Werkvertrag – der Werbevertrag ist Unterform des Werkvertrages – als Rechtsgrund für
das Behaltendürfen der Leistung des Klägers nicht zustande gekommen. Es fehlt an
einer Einigung über die vertragswesentlichen Bestandteile. Bei einem Vertrag, der den
Druck einer Anzeige in einer Werbebroschüre oder Faltplan und deren Verteilung zum
Inhalt hat, kommt es dem Kunden nicht nur auf die einzelnen Tätigkeiten, wie das
Abdrucken der Anzeigen in einem Werbeträger und deren Verteilung, sondern vor allem
auf die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges, nämlich einer einheitlich und
fortdauernd planmäßig erzielten Werbewirkung an (vgl. BGH NJW 84, 2406, 2407; LG
Mainz NJW – RR 98, 631; LG Lübeck NJW – RR 99, 1655). Nicht nur die
Werbemaßnahme als solche, sondern deren Wirkung auf einen potentiellen
Adressatenkreis ist essentieller Bestandteil eines solchen Vertrages und damit der
geschuldete Werkerfolg (vgl. LG Mainz a.a.O.).
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Zu den vertragswesentlichen Bestandteilen zählen somit all diejenigen Elemente, die
den zu erreichenden Werkerfolg charakterisieren und hinreichend bestimmbar machen
(vgl. LG Lübeck a.a.O.). Eine zu einem vertraglichen Anspruch führende Einigung ist
nach einhelliger Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn sich die Vertragspartner
über diese Essentialen des abzuschließenden Vertrages geeinigt haben (vgl. LG Bad
Kreuznach NJW – RR 2002, 130, LG Lübeck a.a.O.; AG Köpenick NJW 96, 1005, 1006).
Zwingend erforderlich für die hinreichende Bestimmtheit eines Werbevertrages ist
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daher, dass die Vertragserklärungen neben der Angabe zur Auflage und der regionalen
Verbreitung des Werbeträgers auch Informationen über die Orte, an denen der
Werbeträger ausgelegt werden soll und eingesehen werden kann, enthalten (vgl. LG
Mainz NJW – RR 98, 631, 632; AG Köpenick a.a.O.). Denn ohne eine solche dem
Vertragsschluss zugrunde liegende Verteilerliste oder Darstellung der Verteilerpraxis
mit Angabe der konkreten Örtlichkeiten bliebe es ansonsten allein dem Auftragnehmer
überlassen, an welchen Stellen er die Broschüre auslegt und dem Kunden wäre es nicht
möglich, herauszufinden, ob an den betreffenden Stellen überhaupt ein Werbeeffekt
erzielt werden kann (vgl. AG Montabaur NJW – RR 98, 632, 633; LG Tübingen NJW –
RR 93, 1075, 1076; LG Mainz a.a.O.). Es ist daher Aufgabe des Unternehmers, in sein
Vertragsangebot alle Kriterien der Verteilung, wie Region, Auslieferungsstellen
innerhalb der jeweiligen Gemeinden und Anzahl der ausgelegten Exemplare je Standort
aufzunehmen und damit den geschuldeten Erfolg so zu konkretisieren, dass der Kunde
weiß, welche Leistungen er erwarten kann und auch in Auftrag geben will. Ansonsten
bliebe es ohne eine solche in die Vereinbarung aufgenommene Festlegung der
Verteilung letztlich dem Verleger eines Werbeträgers allein überlassen, die Örtlichkeiten
und die Anzahl der dort jeweils auszulegenden Werbeträger zu bestimmen. Er hätte
somit die Möglichkeit, die Größe des potentiellen Kreises der umworbenen Personen
und damit auch indirekt, den herbeizuführenden Werkerfolg "Werbewirksamkeit" zu
bestimmen (vgl. LG Mainz a. a. O.). Dieses Bestimmungsrecht muss jedoch dem
Besteller verbleiben, da für ihn ansonsten nicht erkennbar ist, ob nicht die Auslagen der
Werbeträger nach Anzahl oder der regionalen Örtlichkeiten der Auslieferungsstellen
überwiegend außerhalb seines Kundeneinzugsgebietes stattfindet und so für ihn weder
Sinn ergibt noch wirtschaftlich von Interesse ist.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände ergibt sich im vorliegenden Fall, dass in dem
vorgelegten Vertragsdokument diese für eine Bestimmbarkeit des Werbeerfolgs
erforderliche Konkretisierung nicht vorhanden ist. Zwar ist eine Auflagestärke in dem
Anzeigenvertrag angegeben und – nach der Behauptung der Beklagten – der örtliche
Verbreitungsgrad, nämlich im Bereich des Postleitzahlengebietes mit der Anfangsziffer
3, anlässlich des Vertragsschlusses mündlich vereinbart worden. Letzteres kann jedoch
dahinstehen, da die weiterhin zur Beurteilung erforderlichen Angaben zur Verteilung
bzgl. der konkreten Auslagestandorte und der Anzahl der dort ausgelegten Exemplare
dem schriftlichen Vertrag nicht ansatzweise entnommen werden kann. Der
werkvertragliche Werberfolg war mithin nicht einmal bestimmt und vorhersehbar.
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Der geschuldete Werbeerfolg ist auch nicht im Wege der Auslegung gem. den §§ 133,
157 BGB einer Konkretisierung oder einer nachträglichen Festsetzung nach billigem
Ermessen gemäß § 315 ff. BGB zugänglich.
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So kann sich bei einem regelmäßig erscheinenden und vertriebenen Druckwerk, wenn
die Art der Verteilung im Vertrag – wie hier – nicht ausdrücklich genannt wird, im
Rahmen einer Auslegung ergeben, dass der Werbeträger wie bislang an das Publikum
zu bringen ist (vgl. AG Köpenick a.a.O.; LG Lübeck a.a.O.). Es muss sich dann jedoch
jedenfalls anhand der Begleitumstände für den jeweiligen Erklärungsempfänger
ergeben, was die bisherige Veröffentlichungspraxis war. Derartige Umstände sind
vorliegend nicht ersichtlich. Auch die insoweit von den Beklagten vorgelegte
Verteilerliste gibt hierfür keine weiteren Anhaltspunkte. So sind in diesen
Verteilernachweisen jeweils Stempelungen vorgenommen, die zahlreiche Geschäfte
u.ä. angeben. Bei keiner der entsprechenden Stellen ist jedoch vermerkt, wie viel der
Werbeträger dort ausgelegt werden. Der insoweit vorgelegte Verteilungsnachweis ist
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daher unergiebig zu der Frage, wie viele Exemplare an welchen Örtlichkeiten ausgelegt
werden, wie auch hinsichtlich der tatsächlichen Auslagepraxis.
Auch wenn man insoweit von einem etwaig vereinbarten einseitigen Bestimmungsrecht
der Beklagtenseite über diese Vertragsinhalte gem. §§ 315, 316 ausgehen wollte, was
nach Ansicht des Gerichts bereits im Hinblick auf die insoweit nicht nachzuvollziehende
Werbewirksamkeit durch den Kunden nicht der Fall ist, so ist jedenfalls eine derartige
nachträgliche ausdrückliche Bestimmung dem Kläger gegenüber nicht erfolgt. Selbst
wenn man mit einer vereinzelten Ansicht in der Rechtsprechung (vgl. LG Köln NJW-RR
99, 563) eine derartige nachträgliche Bestimmung des Vertragsinhaltes zulassen wollte,
so ergibt sich ein Derartiges nicht aus dem vorgelegten Verteilernachweislisten, da dort
nicht angegeben ist, wie viele Exemplare jeweils ausgelegt worden sind. Dem Urteil des
Landgerichts Köln liegt im Übrigen nur ein einfacher Sachverhalt, wie der Frage einer
angemessenen Auflagenhöhe, zugrunde, nicht jedoch das hier gegebene Problem einer
nicht zu erkennenden Verbreitung des Werbeträgers.
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Da nach alledem eine wirksame Einigung über die aufgeführten vertragswesentlichen
Bestandteile des Werbevertrages nicht gegeben ist, fehlt es an einem Rechtsgrund für
das Behaltendürfen der Leistung des Klägers, sodass die Beklagten gem. den §§ 812
BGB, 128 HGB analog diese herauszugeben haben.
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Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, war gem. § 511 Abs. 4 Ziffer 1 ZPO
die Berufung zuzulassen.
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