Urteil des AG Menden vom 11.12.2002

AG Menden: lokal, restaurant, kontrollpflicht, vorsicht, kontrolle, versicherungsrecht, witterungsverhältnisse, gefahr, aufmerksamkeit, unfall

Amtsgericht Menden, 4 C 262/02
Datum:
11.12.2002
Gericht:
Amtsgericht Menden
Spruchkörper:
Abteilung 4
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 C 262/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheits-
leistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils voll-
streckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Gegen-
seite Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu voll-
streckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den
Beklagten wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht geltend.
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Der Beklagte betreibt in Menden-Lendringsen ein italienisches Restaurant. Die am
12.06.1933 geborene Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge Prof. X, waren dort
Stammgäste und begaben sich auch am 25.11.2001 zur Mittagszeit in das Lokal.
Draußen herrschten niedrige Temperaturen mit starkem Schneeregen. Das Restaurant
ist insgesamt mit Fliesen mit der Rutschfestigkeit der Klasse R 9 ausgelegt. Hinter der
Eingangstür befand sich noch eine Schmutzfangmatte mit den Ausmaßen von ca. 60 x
120 cm. Die Klägerin betrat das Lokal und ging einige Meter auf den feuchten Fliesen,
bevor sie plötzlich ausrutschte, zu Fall kam und sich dabei das rechte
Handgelenk/Unterarm brach. Der Bruch wurde mit einer Unterarm-Gipsschiene für 6
Wochen versorgt.
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Die Klägerin verlangt nunmehr von dem Beklagten wegen Verletzung einer behaupteten
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Verkehrssicherungspflicht den Ersatz im Einzelnen aufgelisteter Sachschäden sowie
darüber hinaus ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.789,52 EUR.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.862,50 EUR nebst
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Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
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seit dem 18.09.2002 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Augenscheinseinnahme von zwei Lichtbildern
und der am Unfalltage von der Klägerin getragenen Schuhe sowie durch Vernehmung
der Zeugen X und G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 11.12.02 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch wegen einer behaupteten Verletzung
der Verkehrssicherungspflicht gegen den Beklagten gemäß §§ 823, 847 BGB nicht zu.
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Das Gericht hat auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme eine Verletzung
der den Beklagten treffenden Verkehrssicherungspflicht nicht feststellen können.
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Zunächst kann dem Beklagten nicht vorgeworfen werden, falsche Fliesen, welche ein
erhöhtes Risiko darstellen würden, in seinem Lokal verwendet zu haben. Unstreitig sind
dort Fliesen der Klasse R 9 verwendet worden und diese entsprechen der nach den
berufsgenossenschaftlichen Regeln (BGR 181) vorgeschriebenen Fliesen-
Rutschfestigkeit für Speise- und Gasträume. Dieses ist zwischen den Parteien letztlich
auch unstreitig und durch amtliche Auskunft des Amtes für Arbeitsschutz gegenüber
dem Gericht gerichtsbekannt.
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Darüber hinaus hat der Beklagte seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch Genüge
getan, dass er eine ausreichend große Fußmatte hinter der Eingangstür ausgelegt hat
und seine Mitarbeiter - wie der Zeuge Fransce glaubhaft ausgesagt hat - von Zeit zu Zeit
zu große Nässe durch Wischen beseitigt haben.
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Es hieße die Anforderungen an die bestehende Verkehrssicherungspflicht des
Beklagten zu überspannen, wollte man verlangen, dass er bei den beschriebenen
Witterungsverhältnissen (sehr starker Schneeregen) hinter jedem eintretenden Gast
wieder für vollständige Trockenheit und damit Rutschfestigkeit des Fußbodens sorgt. So
haben beide Zeugen ausgesagt, dass noch kurz zuvor eine größere Gruppe Gäste mit
einem Hund das Lokal betreten hatten und hierdurch die vorhandene Nässe auf den
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Fliesen mit verursacht worden sein dürfte. Unter diesen Umständen reicht es nach
Ansicht des Gerichtes aus, dass von Zeit zu Zeit besonders nasse Stellen auf den
Fliesen abgewischt werden, wobei natürlich vollkommene Trockenheit - insbesondere
im unmittelbaren Eingangsbereich - nicht erreicht werden kann. Es ist sicherlich auch
den Gästen im Lokal nicht zuzumuten, dass nach dem Eintreten eines jeden Gastes
Angestellte des Lokals beginnen, die Fliesen zu trocknen. Dies würde eine störende
Unruhe mit sich bringen.
An den Eingangsbereich eines solchen Restaurants sind auch weniger strenge
Anforderungen hinsichtlich der Unterhaltung des Fußbodens zu stellen als dies etwa bei
Verbrauchermärkten der Fall ist. Bei solchen Verbrauchermärkten ist die
Kundenfluktuation wesentlich größer und die Aufmerksamkeit des Kunden wird bereits
im Eingangsbereich durch feilgebotene oder ausgestellte Waren in Anspruch
genommen, sodass dann nicht mehr damit zu rechnen ist, dass der Kunde auf Schritt
und Tritt den Fußboden im Auge behält (vgl. OLG Nürnberg, Versicherungsrecht 1997,
Seite 1114). Im Gegensatz dazu wäre vorliegend die Klägerin durchaus in der Lage
gewesen, zu erkennen, dass die Fliesen feucht waren und daher besondere Vorsicht
beim Beschreiten des Fliesenbelages angezeigt war. Ihr Ehemann, der Zeuge X, hatte
dies sofort beim Eintreten in das Ladenlokal erkannt. Die Klägerin war auch zunächst
einige Meter auf den glatten Fliesen gegangen, bevor sie zu Fall kam. Die Klägerin
musste damit rechnen, dass angesichts der draußen herrschenden
Witterungsbedingungen Feuchtigkeit und Schneematsch von anderen Gästen bereits in
das Lokal hereingetragen worden waren, sodass erfahrungsgemäß mit besonderer
Glätte gerechnet werden musste. Hierauf hat sich die Klägerin aber nach eigenen
Angaben nicht eingestellt.
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Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass andere Personen den feuchten
Eingangsbereich ohne Sturz passiert haben und nicht nachvollziehbar ist, aufgrund
welcher speziellen Umstände bzw. Bewegungen ausgerechnet die Klägerin zu Fall
kam.
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Schließlich würden die Anforderungen an die Kontrollpflicht des Gastwirtes überspannt,
wollte man von ihm oder seinem Personal verlangen, dass Kontrollen des Fußbodens
hinsichtlich gefährdender Feuchtigkeitsbildung in äußerst kurzen Abständen - praktisch
alle paar Minuten - vorgenommen würden. Eine solche Pflichtverletzung wegen
ungenügender Kontrolle ist schon deshalb nicht beweisbar, weil sich nicht einmal der
Zeitpunkt der Feuchtigkeitsbildung auf dem Fußboden hier näher eingrenzen lässt (vgl.
OLG Celle, Urteil vom 02.08.1995, Az: 9 U 193/94).
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Unter Berücksichtigung aller Umstände sieht es das Gericht als ausreichend an, dass
ein Fliesenbelag mit der vorgeschriebenen Rutschfestigkeitsklasse ausgewählt wurde,
hinter der Eingangstür eine ausreichend große Schmutzfangmatte ausgelegt und der
Fußboden ab und zu von der größten Nässe durch Wischen befreit wurde. Darüber
hinaus gehende Pflichten auf seiten des Beklagten sieht das Gericht nicht. Vielmehr
hätte sich die Klägerin angesichts der aufgrund der Witterungsverhältnisse zu
erwartenden Rutschgefahr auf den Fliesen auf eine solche Gefahr ensprechend
einstellen können und müssen. Dass sie dennoch zu Fall gekommen ist, muss als
bedauerlicher Unfall gewertet werden, welcher aber in ihr eigenes Lebensrisiko fällt.
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Nach allem war die Klage mit den Nebenentscheidungen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711
ZPO abzuweisen.
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