Urteil des AG Menden vom 26.04.2006

AG Menden: gesamtgut, civ, zwangsvollstreckung, ordentliche verwaltung, internationale zuständigkeit, duldung, güterrecht, eigengut, erwerb, mithaftung

Amtsgericht Menden, 3 C 518/03
Datum:
26.04.2006
Gericht:
Amtsgericht Menden
Spruchkörper:
Abteilung 3
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 518/03
Schlagworte:
Haftung des Gesamtguts nach italienischem Güterrecht
Tenor:
hat das Amtsgericht Menden (Sauerland)
in der mündlichen Verhandlung vom 26.4.2006
durch den Richter I
für R e c h t erkannt:
1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgericht Hagen vom 11.7.2003
zur Geschäfts-Nr. XXX wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Zwangsvollstreckung in das
Gemeinschaftsvermögen (Art. 177 C.civ.) der Eheleute R und des
Beklagten gemäß Art. 189 C.civ. in Verbindung mit §§ 740 Abs. 2, 743
ZPO wegen eines Anspruchs des Klägers gegen Frau R in Höhe von
2.661,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basis-zinssatz seit dem 25.02.2003 zu dulden.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte zu 88 % und der
Kläger zu 12 %.
5. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
3.200,- € vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger begehrt von dem Beklagten zuletzt die Duldung der Zwangsvollstreckung in
das sich nach italienischem Recht bestimmende Gesamtgut des Beklagten und seiner
Ehefrau wegen einer gegenüber dieser bestehenden Gebührenrechnung aus einer
anwaltlichen Tätigkeit.
2
Der Beklagte und seine Ehefrau besitzen die italienische Staatsbürgerschaft. Sie
heirateten am 22.7.1981 in Italien (Bl. 34 GA). Einen Ehevertrag schlossen sie nicht. Sie
lebten 20 Jahre in Deutschland.
3
Der Kläger wurde von der Ehefrau des Beklagten, Frau R, vormals wohnhaft W-Straße,
N, beauftragt, sie anwaltlich in einer gewerbemietrechtlichen Angelegenheit zu
vertreten. Die Ehefrau des Beklagten betrieb alleine einen Einzelhandel mit Bekleidung
in N. Hierzu hatte sie Räumlichkeiten angemietet. Ihre Vermieterin nahm sie wegen
Mietrückständen in Anspruch. Die Parteien dieses Mietrechtsstreits schlossen einen
notariell beurkundeten Vergleich (Bl. 19 GA), der vom Kläger zuvor vollumfänglich
entworfen worden war. Der Kläger stellte gegenüber der Ehefrau des Beklagten seine
Gebühren in Höhe von 2.661,04 € in Rechnung (Bl. 21 GA).
4
Der Beklagte betreibt in N eine Pizzeria. Die Ehefrau des Beklagten befindet sich
nunmehr in Italien. Ein in Italien anhängiges Scheidungsverfahren ist nicht
abgeschlossen.
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Der Kläger ist zuletzt der Ansicht, der Beklagte habe die Zwangsvollstreckung in das
Gesamtgut zu dulden. Der Gegenstandswert sei aus der Summer der Kaltmieten eines
Jahres sowie des bestehenden Zahlungsrückstandes gebildet worden.
6
Am 11.7.2003 hat das Amtsgericht Hagen zum Gesch.-Zeichen XXX einen
Vollstreckungsbescheid erlassen, wonach die Beklagte zur Zahlung von 2.661,04 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
dem 25.2.2003 verpflichtet worden ist. Der Vollstreckungsbescheid ist dem Beklagten
am 19.8.2003 zugegangen. Nach Einspruch des Beklagten am 25.8.2003 hat der Kläger
zunächst beantragt, den Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten.
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Zuletzt beantragt der Kläger,
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dass der Beklagte verurteilt wird, die Zwangsvollstreckung in das
Gemeinschaftsvermögen der Eheleute R und des Herrn E2 gem. Art. 189 C.civ. in
Verbindung mit §§ 740, 743 ZPO wegen eines Anspruches (Hauptforderung €
3009,04 €) zzgl. 5 % Zinsen p. A. über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit
dem 25.2.2003 zu dulden.
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Die Beklagte beantragt,
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den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und
11
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, die Beratung durch den Kläger beträfe ihn nicht, da allein
das von der Ehefrau betriebene Gewerbe Anknüpfungspunkt sei und der Beklagte –
13
unstreitig – keinerlei Erklärungen im Rahmen des Mietverhältnisses abgegeben hat.
Außerdem ist der Beklagte der Ansicht, eine Vollstreckung in das Gesamtgut sei gar
nicht möglich, da - unstreitig - kein gegenwärtiges Gesamtgut vorhanden ist. Zukünftiges
Gesamtgut würde nicht mehr entstehen, da das Scheidungsverfahren in Italien anhängig
sei und absehbar beendet werde. Die Kostenrechnung werde wegen des Streitwerts
bestritten, ebenso die Angemessenheit der Gebühren. Insbesondere die
Vergleichsgebühr von 15/10 werde hinsichtlich der Entstehung und der Höhe bestritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
14
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens
zu Fragen des internationalen italienischen Prozessrechts, italienischen internationalen
Privatrechts und italienischen Sachrechts. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das zu den Akten gereichte Gutachten des Sachverständigen
Dr. X vom 23.3.2005 26.4.2006 (Bl. 51 – 78 ff GA) sowie vom 9.1.2006 (Bl. 101 – 108
GA) verwiesen.
15
Entscheidungsgründe:
16
I.
17
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus dem inländischen
Gerichtsstand des Beklagten, der durch seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik
bestimmt wird.
18
II.
19
Die Klage ist zulässig.
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Es steht der Klage nicht entgegen, dass der Kläger den ursprünglichen Zahlungsantrag
nicht weiterverfolgt und statt dessen die Duldung der Zwangsvollstreckung begehrt. Der
Übergang vom Leistungsantrag zum Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung ohne
Änderung des Klagegrundes stellt keine Klageänderung dar, sondern lediglich eine
Beschränkung des Antrags im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO (BGH, Urteil vom 18. März
1998, Az: XII ZR 251/96 FamRZ 1998, 905 mwN).
21
Es ist auch unschädlich, dass der Kläger gegen die Ehefrau des Beklagten eine
Leistungsklage noch nicht erhoben hat und gegen den Beklagten die Duldungsklage
isoliert betreibt. Es ist zulässig, die Prozesse gegen Ehegatten, von denen einer zu
leisten und der andere zu leisten hat, getrennt voneinander zu führen. Ein Urteil über die
Leistungspflicht ist nicht erforderlich. Eine Vollstreckung in das Gesamtgut ist nur bei
Vorliegen beider Titel möglich, so dass aus einer getrennten Verurteilung dem
Beklagten kein Nachteil entstehen kann, wobei die Verurteilung der Ehefrau zur
Leistung von weniger Voraussetzungen abhängt als die Haftung der Beklagten mit dem
Gesamtgut (siehe OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.1996 - 22 U 199/94 NJW-FER
1996, S. 25 (26)).
22
III.
23
Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
24
1.
25
Der Beklagte hat die Zwangsvollstreckung wegen der Forderung des Klägers gegen die
Ehefrau des Beklagten zu dulden.
26
a)
27
Das Duldungsverlangens und die Frage der Mithaftung eines Ehegatten für Schulden
des anderen Ehegatten ist güterrechtlich zu qualifizieren und richtet sich vorliegend
nach italienischem Sachrecht.
28
Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB knüpft bei Fällen mit Auslandsbezug primär an die
gemeinsame Staatsangehörigkeit an, was vorliegend zu einer Verweisung auf das
italienische IPRG führt. Dieses nimmt in Art. 29 Abs. 1 ital. IPRG die Verweisung an -
vgl. Art. 4 Abs. 1 EGBGB - , da das italienische Kollisionsrecht ebenfalls das
gemeinsame Heimatrecht zur Anwendung bringen möchte (S. 19 des Erstgutachtens,
Bl. 69 GA).
29
Zunächst ist festzuhalten, dass der Beklagte und seine Ehefrau mangels Ehevertrages
im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft leben, vgl. Art. 159 C.civ. (S. 8 f des
Erstgutachtens, Bl. 58 f GA), weswegen die Art. 177 – 197 C.civ. Anwendung finden.
Eine § 1357 BGB entsprechende Norm fehlt im italienischen Sachrecht (S. 19 des
Erstgutachtens, Bl. 69 GA). Eine persönliche Mithaftung des Ehegatten, der selbst keine
persönliche Verpflichtung eingegangen ist, ist nach der Ansicht des Gutachters
ausgeschlossen (S. 70 ff des Erstgutachtens, Bl. 70 ff GA).
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Primär haftet der Ehegatte, der die Verbindlichkeit eingegangen ist, Art. 2740 C.civ..
Sekundär haftet das Gesamtgut, soweit eine Befriedigung aus dem persönlichen
Vermögen des schuldnerischen Ehegatten nicht möglich ist, Art. 189 Abs. 2 C.civ.. Es
hat hierbei derjenige das Eigengut konkret darzulegen, der sich auf dessen
Vorhandensein beruft (S. 21 des Erstgutachtens unter IV 3, Bl. 71 GA).
31
Das Vorhandensein von Eigengut seiner Ehefrau hat der Beklagte vorliegend nicht
konkret dargelegt, so dass allein das Gesamtgut nach Art. 189 Abs. 2 C.civ. haftet, nicht
aber der Beklagte persönlich.
32
b)
33
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 16 Abs. 2 EGBGB, wonach auf im Inland
vorgenommene Rechtsgeschäfte § 1357 Abs.1 BGB sinngemäß anzuwenden ist, soweit
die Vorschrift für gutgläubige Dritte günstiger ist als das fremde Recht.
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Unter § 1357 BGB fallen nicht Geschäfte, die durch die Berufstätigkeit eines Ehegatten
veranlasst sind, da sie allenfalls mittelbar der Bedarfsdeckung dienen
(MünchKomm/Wacke, 4. Aufl. 2000, § 1357 Rn 24 mwN).
35
c)
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Wenn eine persönliche Haftung fehlt und nur das Gesamtgut haftet, ist gegen den
Ehegatten, der die Schuld eingegangen ist, ein Leistungstitel erforderlich und gegen
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den anderen Ehegatten ein Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung.
aa)
38
Die §§ 739 ff ZPO sind hierbei entsprechend auf ein sich nach ausländischem
Güterrecht bestimmenden Gesamtgut anzuwenden, das mit dem Gesamtgut nach
deutsches Güterrecht vergleichbar ist. § 740 Abs. 2 ZPO, der zwei Leistungstitel gegen
die Ehegatten verlangt, steht dem Duldungsverlangen vorliegend nicht entgegen. Denn
eine gemeinsame Verwaltung des Gesamtguts liegt nach dem ausländischen
Güterrecht nicht vor (vgl. auch BGH, FamRZ 1989, S. 907). Nach Art. 180 Abs. 1 C.civ.
steht die ordentliche Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens beiden Ehegatten
getrennt zu und nur die außerordentliche Verwaltung gemeinschaftlich (S. 13 f des
Erstgutachtens, Bl. 63 f GA und S. 3 des Ergänzungsgutachtens, Bl. 103 GA).
39
bb)
40
Ein Urteilsausspruch, der zur Duldung der Zwangsvollstreckung "in das Gesamtgut"
verpflichtet, ohne die dazu gehörenden Gegenstände im einzelnen aufzuführen, ist nicht
wegen fehlender Bestimmtheit zu beanstanden (BGH, FamRZ 1998, 907 mwN).
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Dieses gilt auch für Gesamtgut, das sich nach ausländischem Güterrecht bestimmt.
Wenn ein Gesamtgut deutschen Rechts als Inbegriff hinreichend bestimmt ist, dann ist
es auch ein Gesamtgut italienischen Rechts, auch wenn es im Einzelfall aufwendiger
sein sollte, dessen Umfang zu bestimmen (vgl. BGH, FamRZ 1989, S. 907; S. 7 ff des
Ergänzungsgutachtens, Bl. 107 ff GA). Ein entsprechender Titel bereitet den
Vollstreckungsorganen keine unüberwindlichen Schwierigkeiten. Nach Art. 177 C.civ
umfasst das Gesamtgut
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a. den Erwerb, der von beiden Ehegatten gemeinsam oder getrennt während der Ehe
angesammelt wird, mit Ausnahme des Erwerbs persönlicher Gegenstände,
b. die Früchte aus dem Eigengut eines jeden Ehegatten, soweit sie gezogen und bei
Auflösung der Gemeinschaft nicht verbraucht sind,
c. die Einkünfte aus getrennter Tätigkeit eines jeden der Ehegatten, soweit sie bei
der Auflösung der Gemeinschaft nicht verbraucht sind,
d. die von beiden Ehegatten geführten und nach der Eheschließung begründeten
Betriebe (siehe S. 11 des Erstgutachtens, BL. 61 GA).
43
44
cc)
45
Schließlich ist auch die Vollstreckung in das Gesamtgut möglich, auch wenn der
Beklagte hiergegen den Einwand erhebt, wegen der anstehenden Scheidung in Italien
werde ein Gesamtgut nicht mehr entstehen. Es reicht aus, dass auch der zukünftige
Erwerb zum Gesamtgut nach Art. 177 C.civ. gehört. So gehören auch die Einkünfte aus
getrennter Tätigkeit eines jeden Ehegatten zum Gesamtgut. Zweifel, ob bei der
Vollstreckung tatsächlich ein Gesamtgut bestehen wird, gehen hierbei zu Lasten des
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Beklagten (vgl. auch OLG Celle, ZInsO 2003, 128 und AG Hamburg, ZInsO 2005, 837
zur Vollstreckung in zukünftiges "freies Vermögen" des Insolvenzschuldners).
dd)
47
Soweit die Beklagte Einwendungen gegen die Höhe der dem Grunde nach unstreitigen
Forderung des Klägers gegen die Ehefrau des Beklagten erhebt, können diese gegen
den Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung uneingeschränkt geltend gemacht
werden. Die Einwendungen sind aber im wesentlichen unsubstantiiert oder
unbegründet. So bestreitet der Beklagte allgemein den Gegenstandswert, obwohl der
Kläger diesen dargelegt hat, nämlich Einjahreskaltmiete zzgl. Zahlungsrückstand.
Bedenken gegen die Berechnung bestehen nicht. So sind nach dem vorliegend
anwendbaren § 8 Abs. 1 BRAGO die im gerichtlichen Verfahren geltenden
Wertvorschriften entsprechend heranzuziehen. Vorliegend wurde im notariell
beurkundeten Vertrag eine Ungewissheit über die Dauer des Mietverhältnisses geklärt.
Nach § 16 Abs.1 GKG a. F. war das einjährige Entgelt maßgeblich (12 mal 1.838,61 €).
Wegen der im Vertrag geregelten Rückstände war deren Höhe nach §§ 12 BRAGO, § 3
ZPO maßgeblich. An die niedrigere Gebührenfestsetzung des Notars ist der Kläger nicht
gebunden.
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Die Vergleichsgebühr für den außergerichtlichen Vergleich hat der Kläger nach § 23
Abs. 1 S. 1 BRAGO zutreffend mit 15/10 angesetzt. Die Umstände des
außergerichtlichen Vergleichs sind schlüssig dargelegt. Die Vermieterin hatte das
Mietverhältnis am 18.12.2002 fristlos und ordentlich gekündigt (Bl. 17 f GA). In dem
Vertrag vom 23.1.2003, den der Kläger entworfen hatte, war dann eine einvernehmliche
Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2003 geregelt. Ferner wurde zu Gunsten
der Ehefrau des Beklagten die Möglichkeit einer Ratenzahlung festgelegt. Das
pauschale bestreiten des Beklagten genügt nicht.
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Der Kläger hat allerdings in seinem Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung eine
höhere Forderung beziffert, als ursprünglich in der Gebührenrechnung 24.1.2003
ausgewiesen. Offenbar hat er aus Versehen die Kosten des Mahnverfahrens mit
eingestellt.
50
IV.
51
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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Streitwert: 2.661,04 €
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