Urteil des AG Marsberg vom 09.10.2002

AG Marsberg: fahrzeug, vertragsschluss, betrug, rückabwicklung, verminderung, rücktritt, abnahme, alter, versicherungsrecht, käufer

Amtsgericht Marsberg, 1 C 143/02
Datum:
09.10.2002
Gericht:
Amtsgericht Marsberg
Spruchkörper:
Abteilung 1
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 C 143/02
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 206,07 EUR nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszins seit dem 24. Juli 2002 Zug um Zug gegen
Übergabe des Pkw Opel Ascona C, Fahrgestell-Nr.: WOL
000087J1175008, amtliches Kennzeichen: HSK - HD 134, zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmever-zug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgeho-ben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 495 a, 313 Abs.1 ZPO
abgesehen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nur teilweise begründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des
Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges gemäß § 437 Nr. 2, erste
Alternative BGB in Verbindung mit §§ 434 Abs. 1, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB.
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Der Kläger ist wirksam vom Kaufvertrag gemäß §§ 407 Nr. 2, erste Alternative, 323, 326
Abs. 5 BGB zurückgetreten.
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Der vom Kläger erworbene Gebrauchtwagen war mangelhaft.
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Ein Mangel liegt nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, wenn die Sache von der vertraglich
vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht. Vereinbart war hier unstreitig, dass der
Beklagte das Fahrzeug durch den TÜV bringen sollte. Darin ist die Abrede zu sehen,
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dass der Wagen bei der Übergabe fahrtüchtig sein muss. Das Vorbringen der
Beklagten, dass der Kläger es übernommen haben soll, etwaig vorhandene Mängel
selbst zu beseitigen, ist allenfalls für diejenigen Mängel beachtlich, die ihm schon bei
Vertragsschluss bekannt waren, § 442 BGB. Eine davon abweichende Regelung stellt
eine unzulässige Beeinträchtigung des Verbraucherrechts gemäß § 475 BGB dar. Damit
sind hier nicht einmal diejenigen Mängel erfasst, die im TÜV-Protokoll aufgeführt sind,
da Vertragsschluss unstreitig der 15.04.2002 war und das Fahrzeug erst am 16.04.2002
untersucht worden ist. Die Norm ist auch anwendbar, da es sich vorliegend um einen
Verbrauchsgüterkauf handelt.
Es muss auch davon ausgegangen werden, dass der Sachmangel, der letztlich im
Kabelbrand zum Ausdruck kam, bereits bei Gefahrübergang, also bei Übergabe des
Fahrzeugs, vorhanden war. Die beweispflichtige Beklagte hat jedenfalls einen späteren
Zeitpunkt nicht bewiesen.
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Zeigt sich ein Mangel innerhalb der ersten 6 Monate seit Übergabe der Sache, trägt
grundsätzlich der Verkäufer die Beweispflicht dafür, dass der Mangel erst nach
Gefahrübergang aufgetreten ist, § 476 BGB. Eine Ausnahme von dieser Vermutung im
Sinne des § 476 zweiter Halbsatz BGB liegt nicht vor. Danach greift die
Beweisvermutung nicht, wenn sie mit der Art der verkauften Sache nicht vereinbar ist.
Hier bedarf es einer Prüfung, ob nicht insbesondere bei Gebrauchtwaren ein Auftreten
eines Mangels nur eine einfache Verschleißerscheinung darstellt, die keinen
Rückschluss darauf zuläßt, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Bei
gebrauchten Gegenständen mag es zwar diverse Teile geben, bei denen natürlicher
Verschleiß zu verzeichnen ist; bei der Installation und Benutzung von Kabeln spielen
natürliche Verschleißerscheinungen aber nur eine nebensächliche Rolle, sodass von
einem Ausnahmefall hier nicht ausgegangen werden kann. Der Aspekt des
Kabelbrandes ist insbesondere nicht nur für gebrauchte Kfz spezifisch.
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Die vertragliche Vereinbarung, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Bastlerfahrzeug
handelt, läßt die Gewährleistungsrechte wegen § 442 BGB ebenfalls nicht entfallen.
Denn auch diese Formulierung stellt eine unzulässige Verminderung der
Verbraucherrechte nach § 475 BGB dar. Es ist zwar grundsätzlich möglich, dass die
Vertragsparteien ausdrückliche Mängel oder Eigenschaften des Fahrzeugs benennen
und so das Vorliegen eines Mangels eingrenzen können; der pauschale Hinweis, es
handele sich um ein Bastlerfahrzeug, genügt diesen Anforderungen aber nicht. Dies gilt
insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Fahrzeug durch den TÜV gebracht
werden sollte.
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Der Kläger war aufgrund des bestehenden Mangels zum Rücktritt berechtigt. Sein
Rücktrittsrecht wurde insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, dass zuvor keine
Nacherfüllung nach § 437 Abs. 1 BGB verlangt wurde. Mit Schreiben vom 22.07.2001
hat die Beklagte seine Ansprüche nämlich zurückgewiesen, sodass er auf einen
Nacherfüllungsanspruch nicht verwiesen werden kann.
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Allerdings ist der Einwand der Beklagten erheblich, dass im Rahmen der
durchzuführenden Rückabwicklung des Kaufvertrages entsprechende Nutzungsvorteile
für die gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen sind. Wie im Rahmen des Termins
festgestellt werden konnte, betrug der Tachoendstand 52.746 km und der Tachostand
zum Zeitpunkt der TÜV-Abnahme 46.880 km, sodass 5.866 km mit dem Fahrzeug
zurückgelegt wurden. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass nach einer in der
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Rechtsprechung verbreiteten Auffassung zwischen 0,4 und 1 % des
Anschaffungspreises pro 1000 km als Gebrauchsvorteil berücksichtigt werden. Diese
Formel erscheint dem Gericht allerdings im Zusammenhang mit dem Alter und der noch
verbleibenden Nutzungsdauer des Fahrzeuges nicht angemessen. Es ist anerkannt,
dass auch bei anderen Sachen als Fahrzeugen Gebrauchsvorteile nach der Gleichung
"Kaufpreis durch voraussichtliche Gesamtnutzung bzw. Nutzungszeit beim Käufer"
ermittelt werden können. Da die Laufzeit des Fahrzeugs angesichts seines Alters
begrenzt war, erscheint es dem Gericht deshalb nach § 287 ZPO sachgerecht, einen
Gebrauchsvorteil von 5 Cent je Kilometer in Ansatz zu bringen (vergleiche unter
anderem OLG Hamburg, Versicherungsrecht 1981, 138 und OLG Zweibrücken, DAR
1986, 89; zwischen 0,10 - 0,20 DM/km).
Bei den gefahrenen Kilometern ergibt sich ein Gebrauchsvorteil von 293,30 EUR, den
sich der Kläger anrechnen lassen muss.
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Die Beklagte befindet sich angesichts ihrer Weigerung, das Fahrzeug zurückzunehmen,
in Annahmeverzug. Ein entsprechendes Feststellungsinteresse des Klägers folgt schon
aus § 756, 765 ZPO.
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Die geltend gemachten Nebenforderungen folgen aus §§ 284 ff. BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 713 ZPO.
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