Urteil des AG Marburg vom 08.02.2010

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Gericht:
AG Marburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
91 C 981/09, 91 C
981/09 (81)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 2 BGB, § 263 StGB
Orientierungssatz
Wer kostenlosen Download anbietet und den Kunden an versteckter Stelle in ein nicht
zu erwartendes Abonnement lockt, begeht einen (versuchten) Betrug; der
Rechtsanwalt, der eine Vielzahl solcher bemaktelter Abos einklagt, ist Gehilfe des
Betrugs
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt an den Kläger 46,41€ nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
25.07.2009 zu zahlen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Nach dem der Beklagtenvertreter nachgewiesen hat, dass er die Beklagten vertritt
und insoweit ein Berichtigungsantrag des Protokolls für die Ausführungen des
Terminsvertreters der Beklagtenseite gemäß § 321 ZPO gestellt hat, waren die
Klägeranträge gemäß §§ 495 a ZPO, 133 BGB so auszulegen, dass die Klägerseite
ihr ursprüngliches Klagbegehren gegen beide Beklagte durchführen will, da der
Beklagte zu 2) damit im Termin nicht mehr sämig war.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten zu 1) ein außerprozessualer
Kostenerstattungsanspruch gem. §§ 823 II BGB i.V.m. §§ 263 I, II, 22, 23 StGB
bezüglich der Abwehr einer Inanspruchnahme vom 15.07.2009 zu. Bezüglich des
Beklagten zu 2) ist ein Kostenerstattungsanspruch für diese Inanspruchnahme aus
§ 823 II BGB i.V.m. §§ 263 I, II, 22, 23, 27 StGB gegeben.
Das Gericht sieht in der Aufmachung des Internetportals, der Beklagten zu 1),
www.opendownload.de und der Art und Weise wie der Interessent auf die
dargebotenen Inhalte zugreifen kann, eine konkludente Täuschung, um sich ein
Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Beklagte zu 1) preist auf dieser Internetseite
Software an, die im Netz kostenfrei zu haben ist. Das Herunterladen der Software
ist bei der Beklagten zu 1) grundsätzlich ebenfalls kostenfrei zu haben. Hierbei ist
lediglich an anderer Stelle ein Abonnement abzuschließen.
Hierbei liegt nach Auffassung des Gerichts bei der Anpreisung der Produkte der
Beklagten zu 1) die Täuschungshandlung darin, dass sie auf das Vorstellungsbild
des Kunden insoweit einwirkt, dass er bei ihr Programme herunterladen kann, die
kostenfrei sind. Die Beklagte zu 1) erhebt für das Herunterladen der einzelnen
Programme auch unstreitig keine Kosten und hat die Programme insoweit auch
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Programme auch unstreitig keine Kosten und hat die Programme insoweit auch
nicht mit möglichen Preisen ausgezeichnet. Der Kunde, der auf die Beschaffung
des für ihn gewünschten bzw. notwendigen Programms fokussiert ist, wird an
anderer Stelle dazu gebracht, um den Vorgang des kostenlosen Herunterladens
zu vollziehen, ein Abonnementvertrag über 24 Monate zu 8,00 € im Monat
abzuschließen. Dieses Beigeschäft ist für einen durchschnittlichen Internetnutzer
so weit weg von seinem ursprünglichen Wunsch, auf den er fokussiert ist, so dass
er den Abschluss des am Rand angepriesenen Beigeschäftes nicht sachgerecht
realisiert bzw. realisieren kann. Der Interessent eines derartigen Programms, wie
es die Beklagte zu 1) auf ihren Seiten anbietet, benötigt dieses, um zum Bespiel
Texte in PDF-Formate zu lesen, Filme aus dem Netz sehen zu können. Für einen
derartigen Interessenten mag es nachvollziehbar sein, wenn er für die Leistung,
die er begehrt, Herunterladen eines Programms, Gebühren oder ein Entgelt zu
zahlen hat. Jedoch ist das Beiangebot der Beklagten zu 1), für das Hauptinteresse
einen Abonnementvertrag abschließen zu müssen mit einer Laufzeit von über 24
Monate, so weit vom Vorstellungsbild, dass beim derartigen Vorgehen von einer
sogenannten Abo-Falle gesprochen werden muss. Die Beklagte zu 1) wirkt somit
auf das Vorstellungsbild des Interessenten so ein, dass er kostenfrei Programme
herunterladen kann, und zieht insoweit dort seine Aufmerksamkeit darauf, um an
anderer Stelle mit ihm ein Abonnement über 24 Monate abzuschließen, um sich
ein Vermögensvorteil zu verschaffen. Dass für den Interessenten sich aus dem
Abonnement ein Wert bzw. Mehrwert ergibt, ist dabei für das Gericht bereits
fraglich. Die kurze Produktbeschreibung kostenloser Software und eine
redaktionelle Bewertung, die weit überwiegend positiv ist, ist dabei minimal und
kann nicht als adäquate Gegenleistung für den Abonnementpreis angesehen
werden. So ist es vergleichsweise auch kein Mehrwert, wenn ein Autoverkäufer
einem Kunden erzählt, er könne mit einem PKW auch auf Straßen fahren.
Tatsächlich wollte der Kläger nur Software herunterladen, die ihm die eigentlichen
Anbieter auf den firmeneigenen Internetseiten kostenfrei zur Verfügung stellen.
Das Gericht sieht hierbei auch, dass der Softwaresuchende bei der Eingabe
kostenfreier Software, beispielsweise OpenOffice, über Suchmaschinen stets die
Beklagte zu 1) als erstes Suchergebnis findet. Der verständliche und einsichtige
Internetnutzer kann hierbei nicht davon ausgehen ein kostenpflichtiges
Abonnement mit zweijähriger Vertragsbindung eingehen zu müssen. Das Gericht
folgt hier ausdrücklich nicht der Großen Strafkammer des LG Frankfurt, hier
Beschluss vom 5.3.2009 Az: 5-27 Kls 3330 Js 212484/07 (12/08). Zwar gibt es
keinen allgemeinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass man bei
Dienstleistungen im Internet auf den ersten Blick erkennen können muss, ob es
sich um ein kostenpflichtiges Angebot handelt. Allerdings wirbt die Beklagte zu 1)
gerade um Software, die kostenfrei ist, wovon der durchschnittliche Internetnutzer
auch ausgeht. Auch die Tatsache, dass der Kläger bei Eingabe seiner persönlichen
Daten erhöhte Sorgfalt hätte walten lassen müssen, kann das Gericht nicht
zwingend folgen. So ist es im gängigen Internetverkehr nicht unüblich, persönliche
Kontaktdaten für Werbung, weitergehende Informationen etc. zu hinterlegen. Dass
es sich hierbei gleichzeitig um ein kostenpflichtiges Abonnement der Beklagten zu
1) handelt, wird von ihr nicht deutlich genug hervorgehoben. Alle billig und gerecht
Denkenden würden zweifelsfrei von einer Täuschung ausgehen, wenn bei einem
Produkt in einem Supermarkt auf der Rückseite ein Vermerk stehen würde, dass
man mit Kauf dieses Produktes gleichzeitig andere kostspielige Produkte erworben
hat. Nach Kauf dieses Produktes an der Kasse und Informieren des Kassierers,
dass man nunmehr auch die weiteren Produkte zahlen müsse mit dem Hinweis auf
die Rückseite des gekauften Produktes, würde offensichtlich als
Täuschungshandlung gesehen. Ansonsten könnte jeder beim Kauf eines Pfund
Kaffees auf der Rückseite der Verpackung verpflichtet werden, noch einen Pkw zum
Kaufpreis von über 10.000 € abzunehmen. Ein derartiges Verhalten ist irreführend,
da es von den Kunden, der auf seinem Produkt - Kauf des Kaffees - fokussiert ist,
nicht erwartet und gesehen werden kann. Die theoretische Möglichkeit, ein
derartiges Beigeschäft zu erkennen, ist gering und gerade die
Täuschungshandlung, um sich ein Vermögensvorteil zu verschaffen. Dies
insbesondere dann, wenn das versteckte Beigeschäft ein offensichtliches
Missverhältnis zwischen tatsächlichem Wert und deren Preis aufweist.
Die Seite der Beklagten zu 1) ist ersichtlich darauf angelegt, Internetbenutzer über
die Kostenpflichtigkeit der Angebote zu täuschen.
Dass es sich bei dem Nutzungsverhalten des Klägers um keinen Einzelfall handelt,
zeigt auch das in diesem Zusammenhang stehende öffentliche Interesse. So
warnt beispielsweise das Bundesministerium der Justiz vor einschlägigen
„Abonnementfallen“ im Internet, genauso Verbraucherschutzorganisationen, vgl.
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„Abonnementfallen“ im Internet, genauso Verbraucherschutzorganisationen, vgl.
http://www.bmj.bund.de/Abofallen.
Der von der Beklagten zu 1) erregte Irrtum war darauf angelegt, auf Seiten des
Klägers einen Vermögensschaden herbeizuführen. Da der Kläger jedoch mit Hilfe
seines Rechtsanwalts vorgerichtlich bereits den Vermögensschaden abwenden
konnte, ist allenfalls von einem Betrug im Versuchsstadium auszugehen.
Der Beklagte zu 2) hatte Kenntnis über die Aufmachung dieses Internetportals.
Dem Gericht ist durch Juris und Internetrecherche bekannt geworden, dass der
Beklagte zu 2) für seine Auftraggeberin, hier der Beklagten zu 1), in einer Vielzahl
von anderen Fällen ebenso Ansprüche aus so zustande gekommenen Verträgen
geltend macht. Der Beklagte zu 2) musste als Rechtsanwalt und Organ der
Rechtspflege erkennen, dass er eine offensichtliche Nichtforderung für die
Beklagte zu 1) geltend macht. Es kann ihm nicht verborgen geblieben sein, bei der
Bearbeitung der Vielzahl von gleichartigen Fällen, dass die Beklagte zu 1) den
potentiellen Kunden auf das kostenlose Herunterladen von Programmen
fokussiert, um am Rand den auf weiteren Seiten unaufmerksamen Kunden in ein
Abonnement mit zweifelhaftem Wert zu verstricken. Dass ein derartiges Vorgehen
der Beklagten zu 1) von der Rechtsordnung nicht erwünscht ist, hätte dem
Beklagten zu 2) offenkundig sein müssen.
Bei der Geltendmachung solcher Forderungen für Mandanten handelt es sich um
Beihilfe zu einem versuchten Betrug, vgl. so auch AG Karlsruhe 9 C 93/09. Die
Belastung der Klägerseite mit Anwaltskosten, die durch die außergerichtliche
Abwehr dieser Forderung entstanden sind, stellt einen adäquat kausal
verursachten Schaden dar, den die Beklagten zu erstatten haben. Der Klägerseite
unstreitig entstandene Schaden beläuft sich auf 46,41€, nämlich eine 1,3fachen
Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer aus einem
Streitwert von bis zu 300,00€. Ein Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 BGB
kann das Gericht nicht erkennen. Der Kläger hat zwar als Minderjähriger ein
falsches Geburtsdatum auf der Internetseite der Beklagten zu 1) angegeben, dies
ändert aber nichts an der verwerflichen Handlung wie o. ausgeführt. Die Beklagten
können nicht besser gestellt werden, weil das Vertragsopfer zufälligerweise ein
Minderjähriger war.
Die Zinsforderung ergibt sich aus Verzug, §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 I ZPO.
Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr.11, 711, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.