Urteil des AG Mannheim vom 21.10.2005

AG Mannheim: körperliche unversehrtheit, eigenes verschulden, positive vertragsverletzung, sonnenbrand, anwaltskosten, besuch, mitverschulden, schmerzensgeld, vollstreckung, betreibung

AG Mannheim Urteil vom 21.10.2005, 3 C 172/05
Positive Vertragsverletzung: Schadensersatzpflicht eines Sonnenstudiobetreibers wegen Gesundheitsbeschädigung des Kunden wegen
Falschberatung bezüglich der zu nutzenden Sonnenbank
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 750,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
28.4.2005 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird zur Zahlung weiterer 64,09 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem
28.4.2005 verurteilt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Kläger- und Beklagtenseite können die Vollstreckung durch die Gegenseite gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger macht mit seiner Klage Schmerzensgeldansprüche aus der Verletzung von vertraglichen Pflichten geltend.
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Die Beklagte betreibt Sonnenstudios, u.a. in Mannheim.
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Der Kläger trägt vor, er habe Ende Januar 2005 in Begleitung der Zeugen und das Sonnenstudio der Beklagten in Mannheim aufgesucht. Dabei
habe er gegenüber der diensthabenden Angestellten der Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich zum ersten Mal in einem
Sonnenstudio befinde und zum ersten Mal gebräunt werden wolle. Er habe daher auch ausdrücklich nachgefragt, welches Gerät hierfür geeignet
sei und wie lange er darin verbleiben könne. Die ihm daraufhin zugewiesene Kabine habe er benutzt. Kurz nach Ende der Bestrahlung seien
extrem starke Schmerzen aufgetreten, die Haut sei am ganzen Körper erst rot gewesen und habe dann Zeichen von Verbrennungen ersten
Grades gezeigt. Aufgrund dieser Verbrennungen habe er für die Dauer von rund 3 bis 4 Wochen extreme Schmerzen, massivste Schlafstörungen
gehabt. Allgemein sei das gesamte Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt gewesen.
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Der Kläger ist daher der Auffassung, die Beklagte sei zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet, wobei ein Betrag in Höhe von 1.500,00
EUR als angemessen erachtet werde. Darüber hinaus seien außergerichtlich entstandene Anwaltskosten in Höhe von 90,77 EUR geschuldet.
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Der Kläger beantragt daher:
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1. Die Beklagte zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes zuzüglich 5 %-Punkten Zins über dem Basiszinssatz seit dem
28.4.2005 zu verurteilen.
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2. Die Beklagte weiter zur Zahlung von 90,77 EUR zuzüglich 5 %-Punkten Zins über dem Basiszinssatz seit dem 28.4.2005 zu
verurteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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Klagabweisung.
10 Sie trägt vor,
11 ihre Mitarbeiterinnen seien allgemein sorgfältig ausgewählt und geschult, dies gelte auch für die im damaligen Zeitraum tätigen Angestellten.
Eine Falschberatung habe nicht vorgelegen. Hätte sich der Kläger bei der Zeugin als Neukunde zu erkennen gegeben und eine Beratung
verlangt, hätte die gut geschulte Zeugin dem nicht vorgebräunten Kläger niemals die Kabine Nr. ... und eine Bräunungsdauer von 20 Minuten
empfohlen.
12 Darüber hinaus seien die Kabinen und Sonnenbänke mit Farben gekennzeichnet, wobei diese Farben auch in entsprechende Kategorien für die
Hauttypen unterteilt seien. Im Thekenbereich sämtlicher Filialen der Beklagten befinde sich eine entsprechende Geräteübersicht, aus der sich
jeder Kunde persönlich die hautspezifische Kabine/Sonnenbank auswählen könne. Darüber hinaus hänge auch eine Hauttyptabelle gut sichtbar
im Thekenbereich aus. Weiter befänden sich sowohl im Thekenbereich als auch in jeder einzelnen Kabine gut sichtbar entsprechende
Sicherheitshinweise (vgl. zum Inhalt der Sicherheitshinweise AS 23). Die Sonnenbänke seien dann auch nochmals mit einem deutlich sichtbaren
Aufkleber in der jeweiligen Farbe versehen, der den Gerätetyp mit einem entsprechenden Warnhinweis wiedergibt.
13 Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen im Termin vom 22.9.2005, in dem auch der Kläger sowie die
Geschäftsführerin der Beklagten angehört wurden.
14 Auf das Sitzungsprotokoll (AS 60 ff.) wird hingewiesen. Bezug wird genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
15 Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
16 Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Schmerzensgeldanspruch aus §§ 280 I, 253 II, 254 BGB in Höhe von 750,00 EUR zu.
17 Die Beklagte haftet dem Kläger aus §§ 280 I, 253 II BGB auf Schmerzensgeld. Sie hat eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt.
18 Zwischen der Beklagten und dem Kläger bestand ein Vertrag über die Nutzung einer Bräunungskabine im Geschäft der Beklagten in Mannheim.
19 Nach der durchgeführten Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, dass der Kläger das Sonnenstudio der Beklagten in Mannheim
aufgesucht hat und in diesem Zusammenhang von der Mitarbeiterin der Beklagten eine Bräunungskabine zugewiesen bekommen hat.
20 Dies ergibt sich so eindeutig aus den Angaben der Zeugen im Termin vom 22.9.2005, die durch die von Beklagtenseite benannten Zeugen nicht
widerlegt worden sind. Die Zeugen der Beklagten hatten letztlich an den Kläger und seine Begleiter keine konkrete Erinnerung mehr.
21 In dieser vertraglichen Beziehung wurden Nebenpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB verletzt (Recht des Klägers auf Gesundheit und körperliche
Unversehrtheit).
22 Ebenfalls nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, dass der Kläger nach dem Besuch des Sonnenstudios der
Beklagten unter Verbrennungen in Form eines starken Sonnenbrandes litt. Auch hier hat die Beweisaufnahme, insbesondere die Vernehmung
der Zeugen entsprechendes ergeben. Das Gericht hat keine Bedenken, auch in diesem Zusammenhang die Zeugenaussagen dem Urteil
zugrunde zu legen.
23 Diese Nebenpflichten wurden schuldhaft verletzt, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob die Beklagte selbst schuldhaft nach § 276 BGB
gehandelt hat, oder sie sich das Verschulden ihrer Angestellten nach § 278 BGB zurechnen lassen muss.
24 Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - das auch der allgemeinen Handhabung bei der Beklagten entspricht - wurde dem Kläger die von ihm
benutzte Kabine von einer Angestellten der Beklagten zugewiesen, hat der Kläger diese Kabine nicht selbständig ausgesucht. Hält die Beklagte
jedoch Personal vor, das von den Kunden zunächst die Bezahlung der Bräunungszeit und der Kabinennutzung verlangt, das dann dem Kunden
die entsprechende Kabine zuweist, dann gehört zu einer ordnungsgemäßen Betreibung des Sonnenstudios nach Auffassung des Gerichts auch,
dass die Angestellten der Beklagten von sich aus „erforschen“, welche Kabine für den jeweiligen Kunden gerade die beste ist. Es ist also ein
Tätigwerden des Personals gefordert, auch dann, wenn der Kunde von sich aus eine solche Beratung nicht einfordert. Die Angestellten der
Beklagten haben also auch in Fällen, in denen sich ein Kunde nicht selbständig als Neukunde und/oder unerfahren vorstellt, die Verpflichtung,
entsprechende Nachfragen zu stellen.
25 Nur dann, wenn der Kunde eine derartige Beratung ausdrücklich ablehnt oder eine bestimmte Kabine ausdrücklich wünscht, ist die Pflicht zu
einer derartigen Grundberatung zu verneinen.
26 Nach der Aussage der Zeugen wurde von den Angestellten der Beklagten eine derartige Grundberatung nicht geleistet. Auch nach der Aussage
der Angestellten der Beklagten, der Zeugin ... hätte sie eine derartige Beratung nur bei einem Kunden geleistet, der sich auch als Neukunde zu
erkennen gibt - von selbständigen Nachfragen kann daher nicht ausgegangen werden, jedenfalls wurden sie im konkreten Fall nicht
nachgewiesen.
27 Damit war von einem Verschulden der Beklagten auszugehen - entweder als eigenes Verschulden nach § 276 I BGB (wenn die Angestellten
nicht seitens der Beklagten auf die Verpflichtung zu selbständigen Nachfragen hingewiesen wurden) oder aber als zugerechnetes Verschulden
nach § 278 BGB, wenn die Angestellten hier gegen Pflichten verstoßen haben. Jedenfalls konnte sich die Beklagte aber nicht nach § 280 I 1 BGB
entlasten, da die konkreten Gespräche vor Ort zumindest offen waren.
28 Dabei kann weiter dahingestellt bleiben, ob die Beklagte im Thekenbereich und im Bereich der Bräunungskabinen entsprechende Warnhinweise
und Informationsbroschüren bzw. Informationstafeln ausgelegt und/oder ausgehängt hat, da dies nach Auffassung des Gericht für eine
vollständige Entlastung noch nicht ausreichend gewesen wäre.
29 Bei der Bemessung der Höhe eines Schmerzensgeldes nach § 253 BGB war jedoch ein mögliches Mitverschulden des Klägers an der
Schadensentstehung nach § 254 BGB zu berücksichtigen.
30 Ebenfalls nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich der Kläger vor der Benutzung der Kabine nicht eingehend vergewissert, ob diese
Kabine tatsächlich für ihn geeignet war. Er hat darüber hinaus ausgehängte bzw. ausgelegte Warnhinweise ignoriert.
31 Diese Überzeugung des Gerichts ergibt sich aus der Aussage der Zeugin, wonach der Kläger zwar gesagt haben soll, dass er noch nie in dem
konkreten Sonnenstudio gewesen sei, möglicherweise auch, dass er noch nie im Solarium gewesen sei (was nach der eigenen Aussage des
Klägers nicht richtig gewesen wäre), hat jedoch nicht nach einer Beratung gefragt, die ihm letztlich auch nicht erteilt wurde. Nach der Aussage
der Zeugin hat er auch nicht nachgefragt, ob die ihm zugewiesene Kabine auch tatsächlich für ihn geeignet sei.
32 Diese Aussage passt ins Bild, wonach die Zeugen und der Kläger letztlich einfach nur ins Solarium gehen wollten, eine Beratung über Hauttypen
bzw. Kabinentypen dabei von allen im Ergebnis als nicht erforderlich angesehen wurde. Auch dieses (nachlässige) Verhalten ergibt sich aus der
insoweit eindeutigen Aussage der Zeugin.
33 Zwar hat der Zeuge ... im Gegensatz zur Zeugin ... ausgesagt, dass der Kläger konkret nach einer passenden Kabine gefragt hat, bei der
Bewertung der Aussage des Zeugen ... ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Zeuge eigene Interessen am Ausgang des Prozesses hat, da er
selbst ebenfalls einen Sonnenbrand erlitten hat und darüber hinaus nach der Aussage des Zeugen das Gespräch im wesentlichen von Herrn ...,
dem Kläger, geführt wurde. Es erscheint daher als durchaus möglich, dass der Zeuge hier nicht alle Einzelheiten mitbekommen hat.
34 Der Kläger hat damit letztlich ohne entsprechende Beratung die Kabine aufgesucht, obwohl er bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung
hätte wissen können und müssen, dass der Besuch eines Solariums mit entsprechenden (Verbrennungs-) Gefahren verbunden ist, die eine
Beratung vor Bräunung notwendig gemacht hätte.
35 Er hat darüber hinaus sämtliche vorhandenen Bedienungs- und Warnhinweise missachtet, auch dann, wenn im Ergebnis der Umfang dieser
Hinweise auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme offen bleiben musste.
36 Dieses Mitverschulden war mit 50 % anzusetzen.
37 Ausgehend von einer grundsätzlichen Einstandspflicht der Beklagten für den entstandenen Schaden, ausgehend von der Verpflichtung zur
Zahlung eines Schmerzensgeldes nach § 253 BGB und ausgehend von dem erheblichen Mitverschuldensanteil des Klägers i.H. v. 50 % war das
zu zahlende Schmerzensgeld mit 750,00 EUR unter Berücksichtigung der von Klägerseite zum Schmerzensumfang gemachten und von
Beklagtenseite nicht widerlegten Behauptungen als angemessen anzusehen.
38 Die im Termin eingesehenen Lichtbilder des Beklagten zeigten einen starken Sonnenbrand im Bereich des Oberkörpers. Das Gericht hat keine
Bedenken, diese Lichtbilder dem Kläger und den Vorgängen im Sonnenstudio der Beklagten zuzuordnen. Sonnenbrände sind schmerzhaft, sie
gehen - insbesondere bei der nachgewiesenen Schwere - einher mit massiven Schlafstörungen und auch erheblichen Beeinträchtigungen des
gesamten Wohlbefindens. Die oben aufgeführte Summe ist daher als angemessen anzusehen.
39 Ausgehend von dieser Höhe waren auch außergerichtliche Anwaltskosten i.H. v. insgesamt 64,09 EUR zu ersetzen. Der Klage war im
entsprechenden Umfang stattzugeben, im Übrigen war sie abzuweisen.
40 Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB, 92, 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.