Urteil des AG Mannheim vom 27.05.2008

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AG Mannheim Urteil vom 27.5.2008, 2 C 492/07
Betriebskostennachforderung aus einem Wohnraummietverhältnis: Vorerfassung der Betriebskosten für
Gewerbeeinheiten in gemischt genutzten Objekten; Unbeachtlichkeit eines Streits über die beheizbare
Nutzfläche; Umlage von Heiz- und Wasserkosten nach der Differenzmethode
Leitsätze
1. Bei gemischt genutzten Gebäuden ist ein Vorwegabzug der Kosten für Gewerbeeinheiten für alle oder einzelne
Betriebskostenarten dann nicht geboten, wenn die auf die Gewerbeflächen entfallenden Kosten nicht zu einer, vom
Mieter konkret zu behauptenden Mehrbelastung der Wohnmieter führen.
2. Der Streit über die beheizbare Nutzfläche bedarf keiner Aufklärung, wenn lediglich über eine Abweichung von
weniger als einem Quadratmeter gestritten wird; solche Differenzen sind als geringfügig zu vernachlässigen.
3. Die Umlage der Heizkosten nach der Differenzmethode durch Vorwegabzug des gemessenen Verbrauchs der
Gewerbeeinheiten ist eine nach § 5 Abs. 1 Satz 1 HeizKostVO zulässige Methode der Vorerfassung; nicht
feststehende Messungenauigkeiten stehen ihr nicht entgegen. Entsprechendes gilt für die Abrechnung der
Wasserkosten; bei diesen dürfe das Niederschlagswasser nach verbrauchsorientiertem Umlageschlüssel
einbezogen werden, obschon sie nach einer abreichenden Methode - nach Quadratmetern - erhoben werden.
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.171,92 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2007 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags abwenden, wenn die Klägerin nicht Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Nebenkostennachforderungen aus einem Wohnraummietverhältnis.
2
Die Klägerin ist Vermieterin, der Beklagte ist Mieter einer 2-Zimmer-Wohnung im 4. Obergeschoss des
Anwesens ... gemäß Mietvertrag vom 27.04.1999, datiert auf dem 08.07.1999. Die Klägerin trat als Erbin des
verstorbenen ... in den Mietvertrag ein. Das oben bezeichnete Anwesen hat eine Gesamtfläche von 607,90 qm
und besteht aus einer Gewerbeeinheit mit einer Fläche von 312,90 qm, die von einem Juweliergeschäft genutzt
wird, sowie vier Wohneinheiten mit einer Fläche von insgesamt 295 qm. Die beheizbare Nutzfläche und die
Wohnfläche sind zwischen den Parteien streitig. Während die Klägerin von 550,20 qm bzw. 81,90 qm ausgeht,
setzt der Beklagte 554 qm bzw. 80,16 qm an. Der Beklagte entrichtet monatliche Vorauszahlungen auf die
Neben- und Betriebskosten in Höhe von 120,16 Euro.
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Die Energieversorgung für Heizung und Warmwasser erfolgt durch Fernwärme. Der gesamte Energieverbrauch
des Anwesens wird zunächst im Eingangsbereich gemessen. Der Energieverbrauch der Gewerbeeinheit wird
sodann durch einen Wärmezähler gemessen und vom Gesamtenergieverbrauch abgezogen. Der verbleibende
Verbrauch wird schließlich auf die Wohneinheiten unter Verwendung von Heizkostenverteilern
(Verdunsterröhrchen) aufgeteilt. Die Aufteilung der Heizkosten erfolgt zu 30% verbrauchsunabhängig nach dem
Anteil beheizbarer Nutzfläche und zu 70% verbrauchsabhängig. In der Abrechnung wird eine beheizbare
Nutzfläche von insgesamt 550,20 qm zugrunde gelegt, für den Anteil des Beklagten wird eine beheizbare
Nutzfläche von 80,70 qm zugrunde gelegt.
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Die Position Wasser/Abwasser wird ähnlich ermittelt. Für das bezogene Wasser, aus dessen Menge auch das
Abwasser errechnet wird, wird zunächst aufgrund einer Messeinrichtung der Verbrauch der Gewerbeeinheit
abgezogen und sodann der verbleibende Anteil entsprechend dem Anteil an der Gesamtwohnfläche von 295,00
qm auf die einzelnen Wohneinheiten umgelegt.
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Aus der Betriebs- und Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum 01.05.2006 bis 30.04.2007 macht die Klägerin
gegen den Beklagten einen Anteil in Höhe von 2.613,84 Euro geltend, auf den der Beklagte bereits
Vorauszahlungen in Höhe von 1.441,92 Euro geleistet hat. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin die
Restforderung in Höhe von 1.171,92 Euro.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.171,92 Euro zu bezahlen nebst 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit 20.11.07,
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Der Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10 Der Beklagte ist der Ansicht, die durch die Klägerin vorgelegten Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen seien
nicht ordnungsgemäß. Unter Berufung auf ein im Verfahren des Landgerichts Mannheim - Aktenzeichen 4 S
27/05 - erstattetes Gutachten der Sachverständigen ... behauptet er, die beheizbare Nutzfläche betrage
insgesamt 554 qm und für die Wohnung des Beklagten 80,16 qm. In den Betriebs- und
Nebenkostenabrechnungen der Jahre 1999/2000, 2000/2001 sowie 2001/2002 seien für die Fläche der vom
Beklagten gemieteten Wohnung unterschiedliche Zahlen angegeben worden. Die streitgegenständlichen
Abrechnungen seien auch deshalb fehlerhaft, weil nicht erläutert werde, wie die Anteile an der beheizbaren
Nutzfläche konkret der Gewerbeeinheit und den Wohneinheiten zugeordnet würden. Die vorgenommene
Aufteilung der Heizverbrauchskosten zwischen Gewerbe- und Wohneinheiten unter Zugrundelegung der
Differenz zwischen dem Gesamtverbrauch und dem gemessenen Verbrauch der Gewerbeeinheit sei
unzulässig, da das Risiko von Messdifferenzen, Schwundmengen und Ablesefehlern den Wohneinheiten
aufgebürdet werde. Dies gelte auch für die Wasserkosten. Hier erfolge eine zusätzliche Benachteiligung der
Wohneinheiten dadurch, dass in den Kosten für Wasser und Abwasser auch die Kosten für das
Niederschlagswasser einbezogen seien, da diese jedenfalls verbrauchsunabhängig seien. Darüber hinaus sei
nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Verteilung der Kosten für Abwasser und Wasser für die
Wohneinheiten nach Wohnfläche erfolge, da in den Abrechnungen für die Jahre 2000/2001 und 2001/2002 eine
Umlage nach Verbrauch erfolgt und deshalb anzunehmen sei, dass für die Wohnungen des Beklagten
entsprechende Messeinrichtungen vorhanden seien. Die Klägerin habe einseitig den Abrechnungsschlüssel
geändert und müsse sich nun daran festhalten lassen. Die Abrechnungen seien schließlich deshalb fehlerhaft,
weil kein Vorwegabzug der Gewerbeeinheit vorgenommen worden und der Verzicht darauf auch nicht erläutert
worden sei. Ein Vorwegabzug sei aber erforderlich, da davon auszugehen sei, dass bei der Position
„Grundsteuer“ durch die Gewerbeeinheit eine höhere Steuerbelastung anfalle und auch die
Versicherungsbeiträge aufgrund der gewerblichen Nutzung höher seien.
11 Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst
Anlagen und sonstige Aktenteile.
Entscheidungsgründe
12 Die Klage ist begründet.
I.
13 Der Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachte Nachforderung aus der Betriebs- und
Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum vom 01.05.2006 bis 30.04.2007.
14 Das Gericht folgt uneingeschränkt den Entscheidungen des Landgerichts Mannheim (Az. 4 S 63/05 vom
24.01.2007) und des Amtsgerichts Mannheim (Az. 10 C 89/06 vom 19.10.2007), die über die Rechtmäßigkeit
der Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen für vorangegangene Zeiträume befunden haben.
15 Die vorgelegte Abrechnung ist hinreichend erläutert und nachzuvollziehen.
16 1. Eine Betriebskostenabrechnung ist nach § 259 BGB ordnungsgemäß, wenn sie eine geordnete
Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Soweit keine besonderen Abreden getroffen sind,
sind in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben
aufzunehmen: eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zu Grunde gelegten
Verteilerschlüssel, die Berechnung der Anteile des Mieters und der Abzug der Vorauszahlungen des Mieters
(BGH NJW-RR 2003, 442). Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Abrechnung.
17 2. Entgegen der Ansicht des Beklagten war ein Vorwegabzug der Kosten für die Gewerbeeinheit nicht
erforderlich. Bei gemischt genutzten Gebäuden ist ein Vorwegabzug der Kosten für Gewerbeeinheiten für alle
oder einzelne Betriebskostenarten jedenfalls dann nicht geboten, wenn die auf die Gewerbeflächen entfallenden
Kosten nicht zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung der Wohnmieter führen (BGH NZM 2006, 340).
Dass durch die Gewerbeeinheit erhebliche Mehrbelastungen für die Wohnungsmieter entstehen, ist vorliegend
nicht erkennbar. Soweit der Beklagte behaupten, dass aufgrund der teilweise gewerblichen Nutzung des
Anwesens die Kosten für Grundsteuer und Versicherungen höher als bei reinen Wohngebäuden sei, erschöpft
sich sein Vortrag in einem Hinweis auf die Differenz zum Durchschnittswert in dem Betriebskostenspiegel des
Deutschen Mieterbundes für Deutschland. Wie hoch die konkrete Mehrbelastung aufgrund der gewerblichen
Nutzung sein soll, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
18 Hinsichtlich der Versicherungsbeiträge hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass sie die
Gewerbeeinheit separat versichert hat und die Mieter der Wohnungen nur diejenigen Versicherungen tragen,
welche auch dann anfallen würden, wenn das Anwesen ausschließlich aus Wohneinheiten bestünde. Eines
Vorwegabzugs bedarf es deshalb nicht.
19 Eine Verpflichtung zur Erläuterung des Verzichts auf einen Vorwegabzug besteht nicht und ergibt sich auch
nicht aus der zitierten Rechtsprechung des BGH. Schon jetzt weisen die Erläuterungen zur Abrechnung einen
bemerkenswerten Umfang auf.
20 3. Die Frage, ob die beheizbare Nutzfläche tatsächlich - wie von der Klägerin angegeben und auch in den
Abrechnungen zugrunde gelegt - 550,20 qm oder - wie vom Beklagten unter Berufung auf das Gutachten der
Sachverständigen ... angegeben - 554 qm beträgt, kann im Ergebnis dahinstehen. Dies gilt auch für den Anteil
des Beklagten an der beheizbaren Nutzfläche, der von der Klägerin mit 80,70 qm und vom Beklagten mit 80,16
qm angegeben wird. Eine derart geringfügige Abweichung ist zu vernachlässigen und führt nicht dazu, dass die
Abrechnung der Heizkosten nicht mehr nachvollziehbar wäre. Entgegen der Ansicht des Beklagten bestand
auch keine Pflicht zur Erläuterung der Abweichungen zwischen den vorliegend vorgenommenen
Flächenangaben und den Flächenangaben aus vorhergehenden Abrechnungen. Eine solche Erläuterungspflicht
lässt sich § 556 Abs. 3 BGB nicht entnehmen. Die Zuordnung der Anteile an der beheizbaren Nutzfläche zur
Gesamtfläche ist in der Abrechnung aufgeschlüsselt und somit für den Mieter nachvollziehbar. Weiterer
Erläuterungen bedurfte es nicht.
21 4. Auch die Umlage der Heizkosten nach der Differenzmethode ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden.
Es liegt insbesondere kein Verstoß gegen § 5 HeizKostV vor. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 HeizKostV sind bei
einer Verbrauchserfassung verschiedener Nutzer mit unterschiedlichen Ausstattungen zunächst durch
Vorerfassung vom Gesamtverbrauch die Anteile der Gruppen von Nutzern zu erfassen, deren Verbrauch mit
gleichen Ausstattungen erfasst wird. Dies ist hier der Fall. Indem der Verbrauch der Gewerbeeinheit gesondert
gemessen und vom erfassten Gesamtverbrauch abgezogen wird, erfolgt eine Vorerfassung der
unterschiedlichen Nutzergruppen Gewerbeeinheit und Wohneinheiten. Die Aufteilung der Heizkosten innerhalb
der Nutzergruppe Wohneinheiten erfolgt sodann nach Heizkostenverteilern, die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1
HeizKostV zur Verbrauchserfassung zugelassen sind. Soweit der Beklagte einwendet, durch die Vorerfassung
ginge das Risiko von Messdifferenzen, Schwundmengen und Ablesefehlern einseitig zu Lasten der
Wohneinheiten, ist dies nicht überzeugend. Zwar sind Messungenauigkeiten nicht auszuschließen und wären
auch im konkreten Fall geeignet, das Verhältnis zwischen dem Anteil der Nutzergruppe Gewerbe und der
Nutzergruppe Wohneinheiten zu beeinflussen. Dieses Risiko könnte aber durch den Einbau einer eigenen
Messeinrichtung für die Nutzergruppe Wohneinheiten nicht völlig ausgeschlossen werden, da auch ein solches
Messgerät nicht frei von Messungenauigkeiten wäre. In welcher Weise sich das Risiko von
Messungenauigkeiten bei der hier gewählten Differenzmethode konkret auswirkt, kann letztlich nicht sicher
festgestellt werden, da der gemessene Verbrauch in diesem Fall sowohl oberhalb als auch unterhalb des
tatsächlichen Verbrauchs liegen kann.
22 5. Auch die Abrechnung der Wasserkosten ist nachvollziehbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der gewählten Differenzmethode zur Verbrauchserfassung gilt das oben Dargelegte entsprechend.
Auch die Umlage des auf die Nutzergruppe Wohneinheiten entfallenden Verbrauchs nach Wohnfläche begegnet
keinen Bedenken, da sie dem Mietvertrag entspricht und auch gemäß § 556a Abs. 1 BGB zulässig ist. Soweit
der Beklagten der Ansicht ist, es müsse eine verbrauchsabhängige Umlage erfolgen, ist weder konkret
vorgetragen noch ersichtlich, dass hierfür geeignete Messeinrichtungen zur Verfügung stehen. Die
dahingehende bloße Vermutung des Beklagten ist prozessual unbeachtlich, da der Beklagte darüber informiert
ist, ob und wenn ja welche Messgeräte sich in den von ihm angemieteten Räumlichkeiten tatsächlich befinden.
Selbst wenn zwischenzeitlich eine einseitige Änderung des Verteilerschlüssels aufgrund von Abrechnungen
aus den Jahren 2000/2001 und 2001/2002 eingetreten sein sollte, dürfte jedenfalls durch die Abrechnungen der
darauf folgenden Jahre erneut eine - nach § 6 Nr. 3 des Mietvertrages zulässige - einseitige Änderung durch
den Vermieter vorgenommen worden sein.
23 Entgegen der Ansicht des Beklagten ist auch die Einbeziehung der Niederschlagsgebühr in die Umlage der
sonstigen Wasserkosten, das bedeutet unter Berücksichtigung der Vorerfassung des Verbrauchs der
Gewerbeeinheit, nicht von vornherein unzulässig. Die Niederschlagsgebühren werden auch nach dem Vortrag
der Klägerin zwar nicht verbrauchsabhängig, sondern flächenabhängig erhoben. Der Klägerin ist es deshalb
jedoch nicht von vornherein verwehrt, zugunsten der Nachvollziehbarkeit der Abrechnung die gesamten
Wasserkosten einheitlich umzulegen. Das Umlageverfahren als solches ist nachvollziehbar erläutert. Dass der
Beklagte bei einer Verteilung nach Flächenanteilen tatsächlich günstiger gestellt würde, ist im übrigen weder
vorgetragen noch ersichtlich.
24 6. Der Beklagte geriet mit der Zahlung jedenfalls am 20.11.2007 in Verzug, da der Prozessbevollmächtigte des
Beklagte mit Schreiben vom 07.11.2007 erklärte, seinem Mitglied derzeit nicht empfehlen zu können, den
Nachzahlungsbetrag auszugleichen. Darin liegt eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung im Sinne
vom § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB, die eine Mahnung ersetzt und den Verzug mit der fälligen Forderung eintreten
lässt.
II.
25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.