Urteil des AG Mannheim vom 17.02.2005

AG Mannheim: fahrzeug, fahrspur, golf, im bewusstsein, kennzeichen, lichthupe, nötigung, baustelle, gefährdung, geldstrafe

AG Mannheim Urteil vom 17.2.2005, 21 Cs 506 Js 23867/2004 - AK 715/2004; 21 Cs 506 Js 23867/04 - AK 715/04
Versuchte Nötigung: Dichtes Auffahren und Rechtsüberholen auf der Autobahn
Tenor
Der Angeklagte aus D. wird wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu der
Geldstrafe von 50 Tagessätzen
verurteilt.
Der Tagessatz wird auf
90,00 EUR
Dem Angeklagten wird widerruflich gestattet, die Strafe in monatlichen Raten von
500,00 EUR
Monats zu zahlen.
Dem Angeklagten wird die Fahrerlaubnis entzogen.
Sein vom Landratsamt in H. am ... unter der ... ausgestellter Führerschein wird eingezogen.
Vor Ablauf einer Frist von
6 Monaten
darf ihm keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
1
Der 49-jährige Angeklagte ist Diplom-Ingenieur und als solcher Geschäftsführer der ... Im Rahmen eines Auftrages ist er langfristig bei der Firma
... in M. tätig.
2
Er gibt sein monatliches Nettoeinkommen mit 2.900,00 EUR an.
3
Er hat weder Unterhaltspflichten zu erfüllen noch Verbindlichkeiten abzutragen.
4
Seine Ehefrau ist als Sekretärin angestellt beim ... in M.
5
Der Auszug aus dem Bundeszentralregister ist ohne Eintrag.
II.
6
Am 22.04.2004 beendete der Angeklagte gegen 16.00 Uhr seine Tätigkeit bei der Firma ... in M. und begab sich in seinem PKW BMW Z 3 Typ
Roadster M, Motorleistung 323 PS, amtliches Kennzeichen ... auf den Heimweg nach N. Er fuhr über die Windeckstraße, passierte die
Eisenbahnbrücke zur Möhlstraße und erreichte über die Schubertstraße die Wilhelm-Varnholt-Allee, sodann die Bundesautobahn 656 nach
Heidelberg.
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Inzwischen war es 16.20 Uhr geworden. Auf der Autobahn herrschte dichter Verkehr auf den beiden Fahrspuren.
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Nachdem der Angeklagte die damals bestehende Baustelle mit Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h bei der Überführung über die
Bundesstraße 38 a passiert hatte und die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h abgeändert war, beschleunigte er sein Fahrzeug auf
mindestens 125 km/h, höchstens 130 km/h. Die Kraftfahrzeuge auf der rechten Fahrspur bewegten sich in einer Kolonne, in einer
Geschwindigkeit von 110 km/h, höchstens 120 km/h.
9
Vor dem Angeklagten befuhr ... die Autobahn in seinem PKW VW Golf, amtliches Kennzeichen..., hinter ihm ... in einem Pkw Audi 3, ebenfalls in
der vorgenannten Geschwindigkeitsspanne.
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Man befand sich noch vor der Autobahnausfahrt und -einfahrt Mannheim-Seckenheim/Edingen-Neckarhausen.
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Obwohl man weiterhin mit einer Geschwindigkeit von 120 km/bis 130 km/h unterwegs war, fuhr der Angeklagte nun mit seinem Fahrzeug über
einen Zeitraum von mindestens 20, höchstens 30 Sekunden bis auf 15 Meter an das Fahrzeug des ... heran und betätigte die Lichthupe, um
diesen zum Verlassen der linken Fahrspur zu veranlassen.
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Der Abstand, der unter Berücksichtigung der Reaktionszeit anderer Verkehrsteilnehmer bereits eine Gefährdung bedeutet, betrug bei den
vorgenannten Geschwindigkeiten 27,8 bis 28,9 Meter.
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Mit dem dichten Auffahren auf das Fahrzeug des ..., bei Unterschreiten des Gefährdungsabstandes, beabsichtigte der Angeklagten diesen in
Angst um Leib und Leben zu versetzen und damit seiner durch Lichthupe eindeutig signalisierten Aufforderung nachzukommen, die Fahrspur
zu räumen.
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Hierbei war dem Angeklagten bekannt und bewusst, dass ... wegen des dichten Verkehrs auf der rechtsseitigen Parallelspur nicht würde
gefahrlos dort einscheren können. Der Abstand zwischen den dort befindlichen Fahrzeugen betrug lediglich 50 Meter, während dessen der
Sicherheitsabstand aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit von 110 km/h hätte 104 Meter betragen müssen, um ein gefahrloses Einscheren
zu ermöglichen.
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... beachtete daher die Aufforderung des Angeklagten nicht, blieb ruhig und besonnen und setzte seine Fahrt fort.
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In Fortführung seines zuvor gefassten Tatplanes, den ... in jedem Falle zu überholen, scherte der Angeklagte nun selbst nach rechts aus, lenkte
sein Fahrzeug in die, wie ausgeführt, lediglich 50 Meter lange Lücke, überholte das Fahrzeug des ... rechts und scherte vor dessen Fahrzeug
wieder nach links ein.
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Hierbei war es glücklichen Umständen zu verdanken, dass ... trotz des Fahrmanövers des Angeklagten die Ruhe behielt und dass im Übrigen
nicht anderweit, durch andere Fahrzeuge veranlasst, eine Bremsung erforderlich wurde. Bei einer Gefahrbremsung im vorstehenden Sinne
wäre eine Kollision der beteiligten Fahrzeuge, aber auch nachfolgender Fahrzeuge auf beiden Spuren unausweichlich gewesen.
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Der Angeklagte setzte seine Fahrt mit rasch wachsendem Abstand zu ... fort, wurde indessen von diesem am Autobahnende in Heidelberg, dort
an einer auf Rot geschalteten Ampel, wieder eingeholt.
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Der Angeklagte handelte im Bewusstsein, dass er trotz der bestehenden Verkehrsdichte mit seinem stark überdurchschnittlich motorisierten
Fahrzeug die die Vorschriften einhaltenden Fahrzeuge überholen dürfe, um sich die motorischen Vorteile seines Fahrzeuges zu Nutze machen
zu können. Hierbei ließ er von vornherein keine Bedenken gegen seine Fahrweise aufkommen. Auch nahm er es hin, dass ..., der nachfolgend
fahrende weitere Zeuge ... sowie die Verkehrsteilnehmer auf der Parallelspur an Leib und Leben sowie deren Fahrzeuge konkret gefährdet
wurden. Ihm kam es allein darauf an, schneller voranzukommen, um den motorischen Vorteil seines Fahrzeuges zum Nachteil der übrigen
Verkehrsteilnehmer auszuspielen.
III.
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1. Der Angeklagte hat zunächst bestritten, zum angegebenen Zeitpunkt auf der Bundesautobahn 656 unterwegs gewesen zu sein. Zwar sei
diese Autobahn Teil seiner täglichen Fahrstrecke von N. zum Werksgelände ... nach M. sowie retour. An jenem Tage habe er Geburtstag gehabt
und er habe bei Daimler Chrysler einen Vertrag über den Neukauf eines Mercedes SLK abgeschlossen.
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Allerdings könne er hierzu keine genaueren Angaben machen und könne von Seiten der Mitarbeiter der Firma Daimler Chrysler keine
Bestätigung erfolgen, da zu seiner Anwesenheit dort, in M., ...-Straße, keine Aufzeichnungen vorlägen.
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Zuletzt hat er eingeräumt, dass er nicht ausschließen könne, zum Tatzeitpunkt mit seinem damaligen Fahrzeug auf der BAB 656 unterwegs
gewesen zu sein.
23
Er sei an jenem Abend mit seiner Ehefrau in N. zusammengetroffen und habe anschließend mit ihr in einem Restaurant zu Abend gegessen.
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2. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen ... und ..., durch Augenschein der Lichtbilder vom Angeklagten und
Auswahlpersonen im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage (Bl. 27 ff. d.A.) sowie durch Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. S.
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a) Der Zeuge ... berichtete, dass er den Angeklagten als Fahrer des genannten Fahrzeuges bereits seit längerem auf der Fahrtstrecke
beobachtet habe. Er selbst fahre die Strecke ebenfalls arbeitstäglich von Heidelberg aus nach Mannheim, Speyerer Straße, habe also einen
gemeinsamen Weg vom Autobahnanfang Heidelberg bis über die Eisenbahnbrücke zur Windeckstraße im Stadtgebiet Mannheim. Auch die
Zeitpunkte der jeweiligen Fahrten morgens und am frühen Abend hätten sich weitgehend entsprochen.
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Das Fahrzeug des Angeklagten sei ihm aufgefallen. Nach seinem Eindruck sei der Fahrer „ganz schön massiv“ gefahren. Er selbst sei von ihm
früher bereits bedrängt worden. Im September 2003 und im November 2003 sei ihm der BMW äußerst dicht aufgefahren. Näheres könne er
dazu aber nicht mehr sagen.
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Am 22.04.2004, nachmittags zwischen 16.15 Uhr und 16.20 Uhr habe er den BMW erneut gesehen. Man habe zusammen am Planetarium, an
der dortigen Ampelanlage bei Rot halten müssen. Er, der Zeuge, sei auf der gleichen, linken Fahrspur, mit seinem Audi A 3 gestanden.
Zwischen dem BMW und seinem Fahrzeug hätten sich zwei weitere PKW’s befunden.
28
Man sei in der Kolonne durch die Baustelle gefahren. Die beiden Fahrspuren seien im Baustellenbereich getrennt worden. Die linke Fahrspur
sei weiter nach links geführt worden, während dessen die rechte Fahrspur teilweise über den Aus- und Einfahrbereich von und zur B 38 a
geführt worden sei.
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Nach der Baustelle habe der BMW beschleunigt. Die vor ihm fahrenden beiden PKW’s seien auf die rechte Fahrspur gewechselt.
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Plötzlich habe sich der BMW eng an einem Golf, amtliches Kennzeichen ..., befunden.
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Dieser habe nicht nach rechts rüber wechseln können, da dort dichter Verkehr geherrscht habe.
32
Der BMW-Fahrer habe aufgeblendet. Nachdem der Golf weiterhin nicht nach rechts gewechselt sei, habe sich der BMW nach rechts gesetzt,
habe den Golf passiert und sei vor dem Golf wieder nach links eingeschert.
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Nachdem der BMW zunächst gehörigen Abstand erreicht habe, sei man in Höhe der Abzweigung Mannheim-Seckenheim wieder in
Kolonnenform gerollt.
34
Es habe bis Heidelberg dichter Verkehr geherrscht. Auf der Linksabbiegespur am Autobahnende in Heidelberg habe man sich sämtlich, der
BMW, der Golf und er selbst wieder getroffen.
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Der Golf-Fahrer habe dem BMW-Fahrer den „Scheibenwischer“ gezeigt, während dessen der BMW-Fahrer dem Golf-Fahrer den „Stinkefinger“
entgegengehalten habe.
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Er, der Zeuge, habe den Golf-Fahrer hernach durch Lichthupe veranlasst zu stoppen. Man habe sodann beschlossen, Anzeige zu erstatten.
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Bei dem Golf-Fahrer habe es sich um den Zeugen ... gehandelt.
38
Der BMW sei von dem Angeklagten gelenkt worden.
39
Er habe den Vorfall umgehend in einem Gedächtnisprotokoll festgehalten.
40
Am 05.07.04 habe er den Angeklagten in dem BMW dabei beobachtet, wie er einen silbergrauen Mercedes mit amtlichem Kennzeichen ...
rechts überholt habe.
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Am 08.09.04 sei er zu einer Wahllichtbildvorlage bei der Polizei gewesen.
42
Am 10.09.04 sei ihm ein PKW Mercedes 350 SLK mit ähnlicher Fahrweise aufgefallen. Das Fahrzeug habe das amtliche Kennzeichen ...
getragen. Wieder sei ein anderes Fahrzeug, ein Mercedes Sprinter mit amtlichem Kennzeichen ..., rechts überholt worden.
43
Er habe den Fahrer des Mercedes SLK später am Planetarium, an der Ampelanlage gesehen. Dieser habe sich auf der linken Spur befunden,
er auf der rechten Spur. Sodann habe er feststellen müssen, dass es sich bei dem Fahrer um den Mann gehandelt habe, den er soeben bei der
Polizei auf Lichtbildern identifiziert gehabt habe.
44
Auf Fragen:
45
Er habe mit dem Angeklagten denselben Weg zur Arbeit und von der Arbeit zurück, und zwar im Abschnitt Heidelberg Uferstraße bis Mannheim
Windeckstraße und zurück.
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Er habe den Angeklagten auf dem Lichtbild Nr. 7 (Bl. 45 bis 47 d.A.) erkannt gehabt.
47
Am 22.04.04 sei er, zusammen mit dem Angeklagten, auf der linken Spur der Autobahn BAB 656 gefahren. Zunächst habe man die Baustelle
beim neuen Eisstadion passiert. Dort sei die Höchstgeschwindigkeit mit 60 km/h ausgeschildert gewesen. Anschließend, habe man, im Bereich
des Autobahnkreuzes Mannheim beschleunigt auf bis zu 130 km/h. Die Fahrzeuge auf der rechten Spur hätten eine Geschwindigkeit von 110
km/h gefahren.
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Er habe zu dem vorausfahrenden VW Golf einen Abstand von 30 bis 35 Meter eingehalten.
49
Nachdem der Angeklagte die Lichthupe auf das Fahrzeug des ... eingesetzt gehabt habe, habe dieser im Fahrzeug abgewinkt.
50
Das Licht des Scheinwerfers sei etwa 20 cm über dem Nummernschild des Golf für ihn sichtbar gewesen.
51
Der Angeklagte sei über 20 bis 30 Sekunden hinter ... hergefahren. Er habe zweimal zum Drängeln angesetzt.
52
Sodann sei es ihm, wegen der „Wahnsinnsmotorisierung“ seines Fahrzeuges gelungen, ... rechts zu überholen und vor diesem wieder links
einzuscheren.
53
... hätte wegen des geringen Abstandes der Fahrzeuge auf der rechten Fahrspur dort nicht ohne weiteres einscheren können, er hätte
abbremsen müssen.
54
Der Angeklagte sei mit offenem Verdeck seines Cabrios gefahren.
55
Er habe ... vorher nicht gekannt gehabt.
56
Auf Frage zu dem Abstand zwischen dem Angeklagten und ...:
57
Der Golf sei noch zu sehen gewesen. Er habe die Abbildung der Lichthupe auf dem Golf gesehen.
58
Er schätze den Abstand auf 10, höchstens 15 Meter. Zwischen dem BMW des Angeklagten und dem Golf des ... hätte kein weiteres Fahrzeug
Platz gehabt; allenfalls sei dies möglich gewesen, wenn man ein Fahrzeug direkt in den Abstand hinein gestellt hätte.
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Das Überholmanöver des Angeklagten habe etwa 8 Sekunden angedauert.
60
Der Zeuge ... hat bekundet, dass ihm das Fahrzeug des Angeklagten bereits kurz nach dem Planetarium aufgefallen sei. In Höhe des
Sportstudios ... habe sich dieser bereits extrem dicht hinter ihm befunden. Der Angeklagte sei auch später, im Bereich der Baustelle dicht hinter
ihm geblieben.
61
Auf der rechten Fahrspur sei durchgehender Verkehr gewesen. Er habe nicht nach rechts herüberfahren können, um den Angeklagten
passieren zu lassen.
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Schließlich habe der Angeklagte rechts überholt, habe sich vor ihn gesetzt und sei „weggeschossen“. Anschließend sei er hinter dem nächsten
„gehangen“.
63
Er, der Zeuge, sei allerdings immer wieder an den Angeklagten herangekommen.
64
Schließlich sei der Angeklagte in Heidelberg nach links abgebogen.
65
Auf Fragen:
66
Vor dem Überholvorgang habe der Angeklagte die Lichthupe seines Fahrzeuges betätigt. Er schätze den Abstand des Fahrzeuges des
Angeklagten zu seinem Fahrzeug auf maximal 5 Meter.
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Der unterbrochene Mittelstreifen auf der Fahrbahn sei zwei bis drei Meter lang.
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Die Länge der Abstände dazwischen könne er nicht angeben.
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Er habe das ganze Auto des Angeklagten hinter sich gesehen. Es sei ein Cabriofahrzeug gewesen.
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Der Verkehr sei links flüssiger gewesen als rechts. Rechts hätten die Fahrzeuge einen zu geringen Abstand eingehalten, als dass er hätte
wechseln können.
71
Als der Angeklagte ihn rechts überholt habe und vor ihm eingeschert sei, sei er zwar erschrocken, habe aber keine Probleme gehabt sein
Fahrzeug zu halten.
72
Der Angeklagte habe eine knappe Autolänge Abstand zu ihm eingehalten.
73
Das nächste Fahrzeug vor ihm sei 50 bis 60 Meter entfernt gewesen.
74
Es sei ihm, dem Zeugen, klar gewesen, dass es sich um eine gefährliche Situation gehandelt habe.
75
Bei der Wahllichtbildvorlage habe er die Person Nr. 6 (Bl. 43 bis 45 d.A.) erkannt.
76
Die Fahrzeuge auf der rechten Fahrspur hätten eine Geschwindigkeit von 120 km/h eingehalten, diejenigen auf der linken Fahrspur seien etwas
schneller gefahren.
77
Der Sachverständige ... hat aufgrund der Zeugenangaben eine Geschwindigkeit der Fahrzeuge auf der linken Fahrspur zwischen 125 und 130
km/h angenommen, auf der rechten Fahrspur eine solche von 110 bis unter 120 km/h.
78
Sodann hat er den auf der linken Fahrspur erforderlichen Sicherheitsabstand mit 52 Meter bei einer Geschwindigkeit von 125 km/h und mit 54
Meter bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h berechnet.
79
Unter Berücksichtigung der so genannten Schrecksekunde, eines Wertes von 0,8 Sekunden als Reaktionszeit, betrage der
Gefährdungsabstand bei einer Geschwindigkeit von 125 km/h 27,8 Meter, desgleichen bei 130 km/h 28,9 Meter.
80
Damit sei der Gefährdungsabstand unterschritten gewesen. Bei einer Vollbremsung wäre ein Auffahrunfall unvermeidlich gewesen.
81
Die genannte Lücke auf der rechten Fahrspur von 50 Meter sei angesichts der gefahrenen Geschwindigkeit für ... zu knapp gewesen.
82
Bei den von den Zeugen genannten Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen rechter und linker Fahrspur von etwa 20 km/h habe der Angeklagte
mit seinem Fahrzeug tatsächlich lediglich 7 bis 8 Sekunden benötigt. Im Falle deutlicher Beschleunigung sei dies noch rascher möglich
gewesen.
83
Das Gericht hatte keinen Zweifel an der Zuverlässigkeit der vorgenannten Zeugen sowie des Sachverständigen.
aa)
84
Der Zeuge ... hatte zwar ersichtlich ein gewisses Interesse daran, an der Überführung des Angeklagten mitzuwirken. Offen sprach er darüber,
dass er sich wegen der Angelegenheit mit einem ihm bekannten Richter unterhalten habe. Eindrucksvoll erschien es auch, mit welcher Akribie
er einzelne Begebenheiten während eines Zeitraumes von mehr als 1 1/2 Jahren notiert hatte und Gedächtnisprotokolle anlegte.
85
Andererseits spricht dies nicht gegen, sondern für den Zeugen. Aus seinem Aussageverhalten wurde deutlich, dass er, in den häufigen
Begegnungen mit dem Angeklagten auf dem gemeinsamen beruflichen Weg, eine nachvollziehbare Empörung über dessen Fahrweise
empfand, sich andererseits, als Privatmann, dem Angeklagten schutzlos ausgeliefert sah.
86
Immerhin brachte er sodann gehörigen Aufwand auf, sprach den weiteren Zeugen ... an, begab sich zur polizeilichen Vernehmung und später
zur Wahllichtbildvorlage.
87
Dabei war der Zeuge frei von Belastungseifer. Aufgrund des Vorstehenden hat das Gericht hierauf besonders geachtet. Indessen war der Zeuge
überaus zurückhaltend bei der Angabe von Geschwindigkeitswerten, Distanzangaben und Zeitwerten. Auf konkrete Frage des Gerichts und des
Sachverständigen unterlag er nicht der Versuchung, eine vermeintliche Präzision aufzubieten, sondern gab, jederzeit nachvollziehbar,
Näherungswerte an. Diese erwiesen sich denn auch als realistisch und aufgrund der Gegebenheiten nachvollziehbar.
88
Hinsichtlich des Wiedererkennens des Angeklagten als den Fahrer hat das Gericht beachtet, dass der Zeuge den Angeklagten aufgrund der
gemeinsamen Fahrtstrecke über einen relativ langen Zeitraum bereits kannte; er hatte mehrfach Gelegenheit, diesen vis à vis, während der
Wartezeit an Ampelanlagen, näher zu betrachten. Auffällig war, dass der Zeuge den Angeklagten auch in dem von diesem neu erworbenen
Fahrzeug mit neuem Kennzeichen wieder erkannt hatte. Er hat ihn denn auch im Rahmen der Wahllichtbildvorlage zutreffend bezeichnet.
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Schließlich hat es der Angeklagte selbst letztlich nicht mehr ausschließen wollen, an dem vorgenannten Tage mit dem Fahrzeug unterwegs
gewesen zu sein.
bb)
90
Der Zeuge ... wirkte in seinem Aussageverhalten eher zurückhaltend, fast desinteressiert hinsichtlich des Ausgangs des Rechtsstreites, obwohl
er Anzeige erstattet hatte. Auch wollte er von den vom Zeugen ... berichteten ehrabschneidenden Gesten an der Ampelanlage am
Autobahnende in Heidelberg (Stinkefinger versus Scheibenwischer) nichts wissen. Dies ist allerdings verständlich, da er insoweit eine eigene,
unrühmliche Reaktion hätte einräumen müssen.
91
Das Gericht hat dem Zeugen, gerade weil er zurückhaltend und vorsichtig, ja gleichgültig auftrat, umso mehr folgen können. Seine Angaben zu
Zeit, Weg und Geschwindigkeit waren ebenso bedachtsam, wie bereits diejenigen des Zeugen ...
92
Der Umstand, dass der Zeuge den Angeklagten während der Wahllichtbildvorlage nicht zutreffend erkannt hatte - er bezeichnete die Person Bl.
42 bis 44 - verfängt demgegenüber nicht. Im Vergleich der Lichtbilder des Angeklagten (Bl. 45 bis 47) wird deutlich, dass die von dem Zeugen
benannte Person eine starke Ähnlichkeit mit dem Angeklagten aufweist.
cc)
93
Der Sachverständige Dipl.-Ing. ... ist dem Gericht langjährig als zuverlässiger und kenntnisreicher Kfz- und Verkehrssachverständiger bekannt.
Seine Seriosität ist über jeden Zweifel erhaben. Sein Vortrag zu den Gegebenheiten, auf der Basis der Bekundungen der Zeugen ... und ..., war
denn auch jederzeit nachvollziehbar und für das Gericht überzeugend.
IV.
94
Der Angeklagte ist demnach schuldig und strafbar wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs,
gemäß §§ 240 Abs. 1 und 2, 22, 23, 315 c Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2, 52 StGB.
95
a) Hierbei ist aufgrund der festgestellten Abstandsverhältnisse einerseits, der Unterschreitung des Gefährdungsabstandes andererseits nicht
zweifelhaft, dass dieser mit Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB auf die Willensbildung des Geschädigten ... einwirkte (vgl. zur
Rechtsprechung Tröndle/Fischer StGB 52. Auflage, Rdnr. 15 zu § 240 mit den Nachweisen der Rechtsprechung).
96
b) Der Angeklagte überholte falsch im Sinne von § 315 c Abs. 1 Ziffer 2 b StGB, da grundsätzlich nur links überholt werden darf (§ 5 Abs. 1
StVO) und eine Ausnahme nach § 5 Abs. 7 und 7 Abs. 2 und 3 StVO (überholen von Linksabbiegern, Kolonnenverkehr, überholen innerorts)
nicht vorlag.
97
c) Das Verhalten des Angeklagten war desgleichen grob verkehrswidrig und rücksichtslos.
98
Gerade im Schnellverkehr der Autobahn muss streng an dem Gebot des Linksüberholens festgehalten werden; denn bei den dort gefahrenen,
höchsten Geschwindigkeiten birgt jedes Abweichen von dieser Regel die Gefahr schwerster Unfälle in sich, und zwar insbesondere dann, wenn
der Rechtsüberholende plötzlich zwischen den auf der Überholfahrbahn fahrenden und den auf der rechten Fahrbahnseite sich bewegenden
Verkehrsteilnehmern hindurchfährt, um auf der linken Fahrbahnseite weiterzufahren (BGH VRS 16 Seite 146 f; OLG Braunschweig 32 VRS
Seite 372 ff.)
99
Angesichts der festgestellten Abstandsverhältnisse und der deutlichen Unterschreitung des Gefährdungsabstandes, bei den genannten
Geschwindigkeitsverhältnissen bedarf das Merkmal der groben Verkehrswidrigkeit keiner weiteren Erörterung.
100 Auch das Kriterium der Rücksichtslosigkeit ist eindeutig gegeben. Rücksichtslos handelt, wer sich aus eigensüchtigen Gründen über seine
Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinweg setzt oder aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht
aufkommen lässt und unbekümmert drauflos fährt (Tröndle/Fischer a.a.O. Rdnr. 14 zu § 315 c mit den Nachweisen der Rechtsprechung).
101 Vorliegend ist jedenfalls das Motiv der Eigensüchtigkeit offensichtlich. Der Angeklagte erhob sich mit seinem Fahrzeug und einer Motorleistung
von 323 PS, über die ordnungsgemäß in dichtem Verkehr dahinrollenden Verkehrsteilnehmer und allein um seines eigenen schnelleren
Fortkommens willen. Er glaubte ob der stark überdurchschnittlichen Motorisierung seines Fahrzeuges zu dem gewagten Fahrmanöver befugt zu
sein und stellte dabei die Sicherheitsinteressen der anderen Verkehrsteilnehmer, namentlich der Zeugen ... und ..., in geradezu
menschenverachtender Weise zurück. Sein Verkehrsverhalten war getrieben von egomanischem „Fahrspaß“, gleichsam als Rennsportler im
öffentlichen Verkehrsraum.
102 d) Die Tatbestände der versuchten Nötigung und der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung stehen in Tateinheit zueinander, da der
Angeklagte aufgrund einheitlichen Willensentschlusses handelte, nämlich im Bestreben den Geschädigten ... in jedem Falle und koste es was
es wolle, zu überholen (vgl. OLG Düsseldorf VRS 66 Seite 357 ff.).
V.
103 Der Strafrahmen war sodann aus dem schwereren Delikt der versuchten Nötigung, nach Strafrahmenverschiebung, zu entnehmen:
104
- Geldstrafe und Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren und 3 Monaten -.
105 Im konkreten Strafzumessungsvorgang hat das Gericht beachtet, dass der Angeklagte registerrechtlich bisher unbescholten war.
106 Zu seinen Ungunsten musste berücksichtigt werden, dass er zwei Tatbestände in Tateinheit verwirklichte, wobei, wie ausgeführt, der Tatbestand
der Nötigung nur im Versuchsstadium erfüllt wurde.
107 Gleichwohl hat es das Gericht für ausreichend erachtet, gegen den Angeklagten lediglich eine
108
Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen
109 zu verhängen.
110 Angesichts des von ihm genannten Einkommens hat das Gericht den Tagessatz auf
90,00 EUR
111 Darüber hinaus hat sich der Angeklagte aufgrund seines Fahrverhaltens als derzeit ungeeignet zum Führen von erlaubnispflichtigen
Kraftfahrzeugen erwiesen. Es liegt ein Regelfall nach § 69 Abs. 2 Ziffer 1 StGB vor. Für die Annahme einer Ausnahme war, aufgrund der
vorstehenden Ausführungen, keinerlei Raum.
112 Dem gemäß war dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu entziehen und war sein Führerschein einzuziehen.
113 Unter nochmaliger Beachtung seiner bisherigen registerrechtlichen Unbescholtenheit hat es das Gericht für ausreichend erachtet, die
Mindestsperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in Höhe von
114
6 Monaten
115 auszusprechen (§ 69 a Abs. 1 Satz 1 StGB).
VI.
116 Da der Angeklagte verurteilt wurde, hat er auch die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 465 Abs. 1 StPO).