Urteil des AG Mannheim vom 30.09.2005

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AG Mannheim Urteil vom 30.9.2005, 3 C 125/05
Grundstückskaufvertrag: Wirksamkeit einer nachträglichen privatschriftlichen Vereinbarung
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.397,11 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 16.7.2004 zu bezahlen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über das Bestehen von Minderungs-/Schadenersatzansprüchen wegen Mängeln bei der Errichtung einer
Sondereigentumseinheit.
2 Die Beklagten erstellten in Bauherrengemeinschaft in Mannheim, (...) ein Mehrfamilienhaus. Mit notariellem Kaufvertrag vom 15.12.1998 erwarb
der Kläger einen Miteigentumsanteil von 68,84/1000, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung. Die Beklagten verpflichteten sich im
notariellen Kaufvertrag außerdem, der Wohnung Nr. 3 b (des Klägers) das Sondereigentum an einem Kellerraum zuzuordnen. Dieser
Verpflichtung kamen die Beklagten nicht nach. Mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 15.4.2002 verpflichteten sich die Beklagten für den Fall,
dass sie nicht bis zum 30.6.2004 Sondereigentum an einem Kellerabteil verschafft haben, zur Zahlung eines Minderungsbetrages in Höhe von
4.397,11 EUR an den Kläger (bis spätestens 15.7.2004). Das Sondereigentum wurde nicht verschafft, eine Zahlung des Minderungsbetrages ist
nicht erfolgt.
3 Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten 4.397,11 EUR aus der Vereinbarung vom 15.4.2002 in
Verbindung mit dem notariellen Kaufvertrag. Er ist der Auffassung, die Vereinbarung sei wirksam, da sie nicht der notariellen Form bedürfe.
4 Der Kläger beantragt daher:
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Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 4.397,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 16.7.2004 zu zahlen.
6 Die Beklagten beantragen,
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Klageabweisung.
8 Sie sind der Auffassung, die Vereinbarung vom 15.4.2002 sei mangels notarieller Beurkundung formnichtig. Eventuell bestehende Ansprüche aus
dem Kaufvertrag vom 15.12.1998 seien verjährt.
9 Das Gericht hat mündlich verhandelt im Termin vom 30.6.2005. Auf das Sitzungsprotokoll wird hingewiesen. Bezug wird genommen auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
10 Die zulässige Klage ist in voller Höhe begründet.
11 Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 4.397,11 EUR aus der Vereinbarung vom 15.4.2002.
12 Die Parteien hatten am 15.4.2002 privatschriftlich vereinbart, dass die Beklagten im Falle, dass sie dem Kläger nicht bis zum 30.3.2004 ein
Kellerabteil verschafft haben würden, verpflichtet sein sollten, an den Kläger diese Summe zu zahlen. Unstreitig wurde innerhalb dieser Frist und
auch später dem Kläger kein Kellerabteil verschafft, so dass die Beklagten zur Zahlung zu verurteilen waren.
13 Die Vereinbarung vom 15.4.2002 ist formwirksam. Sie ist nicht nichtig gemäß §§ 125, 128 BGB wegen Verstoßes gegen § 311 b Abs. 1 BGB.
14 Die Vereinbarung selbst enthält keine selbständige Verpflichtung zur Verschaffung eines Kellerabteils, sondern nimmt lediglich auf den notariell
beurkundeten Vertrag Bezug und wiederholt die sich daraus ergebende Verpflichtung der Beklagten.
15 Durch die Vereinbarung vom 15.4.2002 wird kein mittelbarer Druck zur Verschaffung des Kellerabteils auf die Beklagten ausgeübt. Es wird
lediglich die Höhe des gesetzlichen Anspruchs wegen einer vorliegenden Minderung festgelegt, und zwar auf die Summe, die sich als
Minderungsbetrag aus dem von Klägerseite eingeholten und durch die Beklagten nicht beanstandeten Sachverständigengutachten ergibt. Die
Verpflichtung zur Zahlung des Minderungsbetrages selbst entstand nicht erst durch die Vereinbarung, sondern bestand bereits kraft Gesetzes.
Dem wirtschaftlichen Druck der Verpflichtung zur Zahlung eines Minderungsbetrages bei teilweiser Nichterfüllung des Kaufvertrages waren die
Beklagten daher unabhängig von der Vereinbarung vom 15.4.2002 ausgesetzt.
16 Der Beklagtenseite ist zwar dahingehend Recht zu geben, dass nachträgliche Vereinbarung der Parteien eines Grundstückskaufvertrages zwar
grundsätzlich gemäß § 311 b Abs. 1 BGB beurkundungsbedürftig sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine bereits formgültig begründete
Verpflichtung in rechtlich erheblicher Weise verändert wird (BGH NJW 2001, 1933 ff.). Eine derartige rechtlich erhebliche Veränderung liegt
jedoch dann nicht vor, wenn durch die Vereinbarung nur unvorhergesehen aufgetretene Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung beseitigt
werden sollen und dies die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Grundstückskaufvertrag nicht wesentlich verändert (BGH NJW 2001, 1933
ff.).
17 Die Vereinbarung vom 15.4.2002 diente der einvernehmlichen Regelung der Abwicklung des Grundstückskaufvertrages, es wurden darin
Einigkeit über verschiedene Mängelansprüche des Klägers geschaffen, sowie eine Frist zur Verschaffung des Eigentums an dem Kellerabteil
und die Minderungshöhe für den Fall, dass ein Kellerabteil nicht verschafft würde, vereinbart.
18 Durch diese Vereinbarung wurde die Verpflichtung der Parteien aus dem Kaufvertrag nicht wesentlich verändert. Die Fristsetzung und Regelung
der Minderungshöhe berühren nicht unmittelbar die durch den Kaufvertrag wirksam begründeten Hauptpflichten, sondern nur die Abwicklung
des Vertrages für den Fall, dass die Beklagten das Eigentum an dem Kellerabteil dem Kläger nicht verschaffen würden. Die Pflicht zur
Verschaffung des Kellerabteils bzw. zur Zuordnung eines Kellerraumes an die von Klägerseite gekaufte Wohnung ergibt sich bereits aus dem
notariellen Kaufvertrag selbst, auch wenn dort ein bestimmter Kellerraum noch nicht erwähnt ist (der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht
existierte). In der Vereinbarung vom 15.4.2002 gewährt der Kläger dem Beklagten lediglich eine weitere Frist bezüglich dessen bereits fälliger
Verpflichtung zur Verschaffung des Kellerabteils. Die Festlegung der Minderungshöhe für den Fall, dass ein Kellerabteil bis zum bestimmten
Zeitpunkt nicht verschafft werden würde, konkretisiert lediglich die durch den Kaufvertrag begründeten gesetzlichen Ansprüche des Klägers
wegen Minderung.
19 Der Kläger hat daher aus der Vereinbarung vom 15.4.2002 einen Anspruch auf Zahlung von 4.397,11 EUR.
20 Der Klage war daher in vollem Umfange stattzugeben.
21 Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB, 91, 709 ZPO.