Urteil des AG Mannheim vom 07.12.2009

AG Mannheim (antragsteller, schlussrechnung, aufnahme, mangelnde sorgfalt, persönliche eignung, rechnungslegung, bewerber, schuldner, höhe, anhörung)

AG Mannheim Beschluß vom 7.12.2009, AR 52/2009; AR 52/09
Insolvenzverwalterbestellung: Ablehnung der Aufnahme eines Fachanwalts für Insolvenzrecht als
Prätendent in die Vorauswahlliste
Leitsätze
1. Ein Prätendent hat keinen Anspruch auf Aufnahme in die Vorauswahlliste, wenn er auf Grund genereller
Ungeeignetheit nach der ständigen Bestellpraxis des Gerichts keinerlei Aussicht auf tatsächliche Berücksichtigung
hat (Fortführung von BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 - 1 BvR 369/08).
2. Die generelle Ungeeignetheit eines Bewerbers ergibt sich, wenn er in von ihm bearbeitete Verfahren wiederholt
gegen elementare Verwalterpflichten verstößt, insbesondere die Massesicherung unterlässt, keine zeitnahe
Buchführung und eine intransparente Rechnungslegung vornimmt. Diese Verstöße sind dann relevant, wenn
dadurch Gläubigerinteressen gefährdet, aber auch der Bearbeitungsablauf durch das Insolvenzgericht gestört wird.
Zu dieser Feststellung genügt eine repräsentative Auswahl bisher vom Prätendenten bearbeiteter Verfahren; das
amtswegig ermittelnde Insolvenzgericht schuldet keine Vollständigkeit.
3. Der generellen Ungeeignetheit steht das Führen des Titels "Fachanwalt für Insolvenzerecht" nicht entgegen;
dies jedenfalls dann, wenn der Prätendent anlässlich seiner mündlichen Anhörung zu erkennen gibt, seinen
Bearbeitungsstil nicht ändern zu wollen. Auch die Unschuldsvermutung eines anhägigen Ermittlungsverfahrens
gegen den Bewerber führt nicht zu seiner Geeignetheit, sondern bewirkt allenfalls eine befristeten Aufschub bis
zum Streichen von der Vorauswahlliste.
4. Die Aufnahme in die Vorauswahlliste ist auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - etwa beschränkt auf
Verbraucherinsolvenzverfahren - zu rechtfertigen, da auch diese Verfahren bei ihrer Bearbeitung einem bestimmten
Standard genügen müssen und sich "einfach gelagerte Fälle" vielfach nicht bereits bei der Auswahl des
Insolvenzverwalters bestimmen lassen.
Tenor
1. Der Antrag des Antragstellers auf Aufnahme in die Vorauswahlliste des Insolvenzgerichts des Amtsgerichts
Mannheim wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
A.
1
Die Antragsteller ist seit 1998 Rechtsanwalt und seit 2004 Fachanwalt für Insolvenzrecht. Nach eigenen
Angaben bearbeitete er ab 2001 Verbraucher- und ab dem Folgejahr Regelinsolvenzverfahren. Mit
Nachlassinsolvenzen wird er seit 2006 betraut.
2
Er wurde vom Amtsgericht Mannheim beginnend ab dem Jahre 2002 in insgesamt 100 Verfahren zum
Gutachter, vorläufigen und endgültigen Insolvenzverwalter sowie Treuhänder bestellt. Nach seinen Angaben im
Musterfragebogen hat er in drei von zehn benannten Fällen Geschäftsbetriebe länger als drei Monate
fortgeführt.
3
Mit Schriftsatz vom 25.5.2009 beantragte er unter Beifügung des Musterfragebogens seine Aufnahme in die
nunmehr vom Amtsgericht Mannheim erstellte Vorauswahlliste. Die Insolvenzrichterin und Insolvenzrichter des
Amtsgerichts Mannheim hörten den Antragsteller zur Vorbereitung der nachfolgenden Entscheidung am ...
mündlich an.
4
Ergänzend wird auf den gesamten Inhalt der Bewerbungsakte verwiesen.
B.
5
Der Antrag ist nicht begründet.
6
I. Verfahren bei der Erstellung der Verwaltervorauswahlliste beim Amtsgericht Mannheim
7
Das AG Mannheim hat seine bisherige, nicht auf der Grundlage eines förmlichen Zulassungsverfahrens
erstellte Vorauswahlliste unter dem Eindruck der jüngeren Rechtsentwicklung geschlossen. Es forderte
Interessenten auf, sich unter Verwendung eines mit anderen Insolvenzgerichten des Landes Baden-
Württemberg entwickelten Fragebogens um die Aufnahme in die Vorauswahlliste zu bewerben. Hierbei hat das
AG Mannheim deutlich gemacht, dass die bisher geführte, nicht förmliche Vorauswahlliste nicht automatisch
fortgeschrieben wird. Vielmehr wird es sich nur mit den Bewerbern befassen, die den geschilderten Fragebogen
eingereicht haben. Diesem Verfahren unterzog sich der Antragsteller, der seine Unterlagen unter dem ...
einreichte.
8
II. Die Bewerbung des Antragstellers
9
Die unterzeichnenden Insolvenzrichterin und Insolvenzrichter sind aus nachstehenden Gründen zur
Überzeugung gelangt, dass der Antragsteller die grundsätzlich an den Bewerber zu stellenden Anforderungen
für die erstrebten Ämter nicht erfüllt.
10 In der Sache ist nach der Entscheidung des BGH (NZI 2008, 161) zu unterscheiden zwischen dem gerichtlich
voll überprüfbaren Beurteilungsspielraum, der dem Entscheidungsträger zuzubilligen ist, wenn er einen
Bewerber um Aufnahme in die Vorauswahlliste an den allgemeinen Kriterien für die fachliche und persönliche
Eignung misst, und dem nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraum des einzelnen
Insolvenzrichters, der aus den gelisteten Bewerbern einen Insolvenzverwalter für ein einzelnes Verfahren
bestimmt. Für das Vorauswahlverfahren steht die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der
persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund. Eine Liste ist demnach so zu führen und die
Aufnahmekriterien sind so festzulegen, dass jeder Bewerber aufgenommen wird, der die grundsätzlich zu
stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste
Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters erfüllt. Aus § 56 Abs. 1 Satz 2 InsO n.F., wonach die
Bereitschaft zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen auf bestimmte Verfahren beschränkt werden kann,
folgt nichts Abweichendes; denn diese Vorschrift sanktioniert kein zu tolerierendes Eignungsdefizit, sondern
ermöglicht es lediglich dem Bewerber, seinem eigenen Erfahrungsstand und Interessenschwerpunkt
entsprechend eine Eingrenzung auf bestimmte Verfahren vorzunehmen.
11 Welche positive Qualifikationen von einem Insolvenzverwalter zu erwarten sind, lässt der Gesetzgeber
weitgehend offen ( Kind in: FK, 5. Aufl., § 56 Rdnr. 32). Jedenfalls sind die Insolvenzgerichte nicht gehindert,
unter dem Gesichtspunkt fehlender genereller Eignung auch solche Bewerber unberücksichtigt zu lassen, die
nach den Kriterien ihrer ständigen Ermessenspraxis keinerlei Aussicht auf tatsächliche Berücksichtigung
haben ( BVerfG , Beschl. v. 3.8.2009 - 1 BvR 369/08; Rdnr. 11). So liegen die Dinge hier.
12 III. Erfahrungen mit dem Antragsteller als Insolvenzverwalter in der Vergangenheit
13 In den dem Antragsteller anvertrauten Verfahren ist es in der Vergangenheit zu erheblichen Störungen und
Verzögerungen gekommen, welche auf mangelnde Sorgfalt und nicht sachgerechte Bearbeitung durch den
Antragsteller zurück zu führen sind.
14 So wurde mehrfach grundlegend gegen Buchführungspflichten verstoßen, Kassen und Konten nicht
ordnungsgemäß geführt und Schlussrechnungen eingereicht, welche mangels Anlagen (Belege, Kontoauszüge,
Kassenbuch) nicht nachvollziehbar waren. Dadurch ist es zu konkreten Gefährdungen und Schmälerungen der
Insolvenzmasse gekommen sowie zu Erschwernissen für das Insolvenzgericht bei der Wahrnehmung seiner
Aufsicht, welches spätestens während der Schlussrechnungsprüfung oder im Rahmen der Schlussverteilung
die Versäumnisse der vorherigen Amtsführung aufarbeiten musste.
15 Beispielhaft ist auf folgende Verfahren zu verweisen:
16 1. In dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Fa. ... wurde das Unternehmen fortgeführt und
das Verfahren am 01.08.2005 eröffnet (AS 79). Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich der
Bankkonten und der Forderungsaußenstände war gemäß Beschluss des AG Mannheim vom 18.04.2005 auf
den vorläufigen Verwalter übergegangen (AS 50). Insofern war er mit den Befugnissen eines starken
vorläufigen Verwalters ausgestattet (21 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 22 Abs. 1 und 2 InsO).
17 a) Abwicklung des Zahlungsverkehrs über das Geschäftskonto der Schuldnerin
18 Ungeachtet des Beschlusses vom 18.04.2005 wurde der Zahlungsverkehr der Schuldnerin während der
Betriebsfortführung bis zum 31.01.2006 und somit über die Verfahrenseröffnung hinaus weiter über das
Geschäftskonto der Schuldnerin abgewickelt. Der Antragsteller begründete dies erst nach der Erstellung der
Schlussrechnung mit der sich aus der Betriebsfortführung ergebenden Notwendigkeit unter gleichzeitiger
Aufrechterhaltung des good will, was stabilisierend auf den Kundenstamm wirke (AS 168). Wenngleich diese
Entscheidung grundsätzlich dem Verwaltungsermessen des vorläufigen Insolvenzverwalters anheimgestellt ist,
ihm also die Wahl zusteht, entweder an den Schuldner mit seiner Zustimmung oder an ihn unmittelbar leisten
zu lassen (vgl. Haarmeyer in: MüKo-InsO, 2. Aufl., § 23 Rdnr. 16), handelt es sich in jedem Fall um eine
riskante Vorgehensweise, da insbesondere vom vorläufigen Verwalter nicht veranlasste
Vermögensverschiebungen nicht ausgeschlossen werden können. Deswegen hätte der Antragsteller im
Rahmen der Berichterstattung näher ausführen müssen, warum er sich für die gewählte Vorgehensweise
entschieden hatte. Dies unterblieb.
19 Das Risiko hat sich vorliegend auch verwirklicht, indem die Bank nach Insolvenzeröffnung wie auch bereits im
vorläufigen Verfahren noch die Raten in Höhe von monatlich 925,00 EUR auf ein Darlehen abgebucht hat,
welches richtigerweise als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anzumelden gewesen wäre (AS 168). Da es
in dem Verfahren zu keiner Quotenausschüttung gekommen ist, wäre eine Zahlung auf die Darlehensforderung
nicht erfolgt. Der Antragsteller erklärte dazu lapidar, die das Geschäftskonto fortführende Bank habe als
Gegenleistung den Verzicht auf eine Anfechtung der Verrechnung gefordert (AS 168). Seine Zustimmung
rechtfertigte er pauschal damit, dass „letztlich ein positiver Ertrag zu Insolvenzmasse zu realisieren“ gewesen
sei.
20 b) Buchführungspflicht durch den vorläufigen Insolvenzverwalter
21 Als vorläufiger Insolvenzverwalter war der Antragsteller zur Rechnungslegung gegenüber dem Insolvenzgericht
und den Gläubigern verpflichtet (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 66 InsO). Ihn trifft die ureigenste Pflicht, die
Rechnungslegung und damit die Buchführung ( Weitzmann in: Hbg. Komm. zur InsO, 3. Aufl., § 66 Rdnr. 4)
persönlich vorzunehmen ( Nowak in: MüKo-InsO, 2. Aufl., § 66 Rdnr. 6).
22 Vorliegend hatte der Antragsteller bereits dadurch gegen elementare Buchführungspflichten verstoßen, dass er
nicht selbst die Buchführung vornahm, sondern den Geschäftsführer anwies, das Kassenbuch zu führen und
mit der Eröffnung vorzulegen. Diese Vorlage unterblieb in der Folgezeit. Statt dessen wurde der
Geschäftsführer unter dem 10.04.2008 zu einer pauschalen Erklärung veranlasst, wonach die maßgeblichen
Buchhaltungsunterlagen einschließlich des Kassenbuches zwar nicht auffindbar, die überlassenen Geldmittel
aber ausschließlich für betriebliche Zwecke verwendet worden seien (AS 174). Mit Schriftsatz vom 26.06.2008
musste der Antragsteller einräumen, dass das Buchungsjournal erst jetzt erstellt werde (AS 191). Dies belegt,
dass er zeitnahe Buchungen tatsächlich nicht vorgenommen hat. Dadurch nimmt er in Kauf, dass einzelne
Buchungsvorgänge nicht mehr nachzuvollziehen sind. Das dann vorgelegte Buchungsjournal, welches auf der
Grundlage der Übersicht der kontoführenden Bank erstellt wurde, setzte zudem zu einem Zeitpunkt vor der
Insolvenzantragstellung ein und musste daher stichtagsbezogen berichtigt werden (AS 194). Das
Buchungsjournal kann so seiner Funktion als Grundlage der Rechnungslegung nicht genügen. Eine gerichtliche
Überprüfung war somit nicht möglich.
23 c) keine ordnungsgemäße Schlussrechnung
24 Der Antragsteller hat des weiteren gegen seine grundlegenden Pflichten verstoßen, eine nachvollziehbare
Schlussrechnung vorzulegen. Die InsO enthält zwar keine Regelung, wie die Schlussrechnung im Einzelnen
gegliedert sein soll. Nachdem aber unbestrittenes Ziel der insolvenzrechtlichen Rechnungslegung die
Dokumentation der Masseverwaltung sowie der Masseverwertung und die Schaffung der Voraussetzungen für
eine ordnungsgemäße Kontrolle der Verwaltertätigkeit durch das Insolvenzgericht, den Schuldner und die
Gläubiger ist, ist es Aufgabe des Insolvenzverwalters, seine Tätigkeit durch die Vorlage geeigneter Unterlagen
transparent und nachvollziehbar zu machen.
25 Sämtliche gängigen Arbeitshilfen im Bereich des Insolvenzrechts enthalten Hinweise und Muster, wie eine
Schlussrechnung nebst Anlagen aussehen sollte. Nicht zuletzt hat das IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer in
Deutschland e.V.) Rechnungslegungshinweise für die insolvenzspezifische Rechnungslegung in
Insolvenzverfahren herausgegeben (IDW RH HFA 1.011), welche jedem Fachanwalt für Insolvenzrecht bekannt
sein dürften.
26 Demnach sollte die Schlussrechnung zumindest in Form einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erstellt werden,
welche in einzelne Einnahmen- und Ausgabenposten untergliedert ist. Neben den Kontoauszügen ist die
Vorlage eines Journals oder Kassenbuchs zu jedem Bankkonto unabdingbar, welches die einzelnen
Kontobewegungen auf dem betreffenden Konto abbildet, sowie ein Kassenbuch für die im Betrieb geführte
Handkasse. Zu den Buchungsvorgängen sind die zu Grunde liegenden Belege wie Kaufverträge, Rechnungen
etc beizufügen.
27 Der Antragsteller hat gegen seine Pflicht zu einer lückenlosen, zeitlich und sachlich geordneten Aufzeichnung
aller Geschäftsvorgänge in einer Unternehmung aufgrund von Belegen massiv verstoßen.
28 Zunächst bestanden die mit Schreiben vom ... (AS 150) vorgelegten Abschlussunterlagen lediglich aus einer
halbseitigen Gegenüberstellung der aufaddierten Einnahmen und Ausgaben (AS 154), welche eine Zuordnung
zu einzelnen Einnahmen- und Ausgabenposten (wie z. B. Verwertung Anlagevermögen, Forderungseinzug
Lieferung und Leistung, Zinsen, Steuererstattungen etc.) nicht zuließ, einem nicht aussagekräftigen
Schlussbericht und dem Buchungsjournal für das Anderkonto des Antragstellers nebst Bankauszügen (AS
164). Es fehlten hingegen das Kassenbuch für die im laufenden Geschäftsbetrieb geführte Barkasse, das
Buchungsjournal und die Kontoauszüge über das Geschäftskonto, über welches die Unternehmensfortführung
abgewickelt wurde, sowie sämtliche Belege für die Barkasse und das Geschäftskonto. Auch der Großteil der
Belege betreffend die Kontobewegungen auf dem Anderkonto stand nicht zur Verfügung. Die Überprüfung der
vorgelegten Unterlagen war ferner deshalb unmöglich, weil bei dem einzigen vorliegenden Buchungsjournal für
das Anderkonto nicht aussagekräftige Buchungstexte verwendet wurden wie „Auszahlung, Auskehrung,
Guthaben“.
29 d) Weiterer Verfahrensgang
30 Die entsprechenden Unterlagen und näheren Erläuterungen wurden beim Antragsteller erbeten (AS 165 a).
Hierauf teilte dieser mit, er könne über die Barkasse nicht Rechnung legen, weil das Kassenbuch und die
Belege nicht auffindbar seien (AS 168). Da aber vom Anderkonto des Insolvenzverwalters umfangreiche
Barauszahlungen in Höhe von 12.400,00 EUR getätigt wurden, welche angabegemäß in diese Barkasse
eingelegt wurden, ist die fehlende Kontrollmöglichkeit durch das Gericht und die weiteren Verfahrensbeteiligten
nicht hinnehmbar.
31 Erst nach weiteren Beanstandungen durch die zuständige Rechtspflegerin, der zwischenzeitlichen
Beauftragung eines Steuerberaters mit der Schlussrechnungsprüfung und unter dem Druck eines gegen den
Antragsteller laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens wurden weitere Unterlagen nach und nach zur
Akte gereicht, zuletzt am ... die Belege betreffend das Fortführungskonto, welche dem Antragsteller wohl von
der kontoführenden Bank zur Verfügung gestellt worden sind (AS 268). Die mehrfachen Nachbesserungen,
welche zudem weitere im folgenden beschriebene Zweifelsfragen aufwarfen, offenbaren einmal mehr die
Ungeeignetheit des Antragstellers.
32 Problematisch sind die Barauszahlungen an den Geschäftsführer. Hierüber existieren lediglich
Barauszahlungsquittungen und das reproduzierte Saldenjournal des fortgeführten Geschäftskontos (AS 167 f.).
Es fragt sich, wie der Antragsteller deren zweckentsprechende Verwendung sicherstellte, wenn er lediglich den
Nachweis führen kann, dass die Barauszahlungen erfolgten, nicht aber wofür. Einige Barabhebungen vom
Anderkonto des Antragstellers können bis heute nicht nachvollzogen werden. Beträge in Höhe von 2.000,00
EUR wurden jedenfalls nicht in die Barkasse eingelegt (AS 239).
33 In derselben Weise erfolgte die Veräußerung des Unternehmens. Der Kaufvertrag soll angeblich mündlich
geschlossen worden sein, andererseits übernahm der Antragsteller über den Zeitpunkt des Gefahrübergangs
hinaus finanzielle Verpflichtungen gegenüber dem Versicherer, erzwungen durch die verzögerte Entrichtung des
Kaufpreises (AS 168). Indem der Antragsteller den Verkauf des Unternehmens lediglich durch
Rechnungstellung dokumentierte (AS 207), hat er es versäumt, die Grundlagen zu schaffen, damit das
Insolvenzgericht seiner Aufsicht und die Gläubiger ihrer Kontrolle genügen können; eine Dokumentationspflicht,
die nicht zuletzt zum Schutze des Verwalters besteht.
34 aa) Schlussrechnungsprüfung durch einen Sachverständigen
35 Die zuständige Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom ... Herrn Dipl.-Kfm. ... als Gutachter zur
Schlussrechnungsprüfung bestellt (AS 200). Die Zulässigkeit der Einschaltung des Sachverständigen als
solche durch das Insolvenzgericht steht außer Frage ( BT-Drucksache 12/2443, S. 131), umstritten ist allein,
ob der Gutachtensauftrag neben formellen auch materielle Prüfungsaufgaben vorsehen darf ( Haertlein, NZI
2009, 577, 579). Das vorliegende Verfahren über die Aufnahme in die Vorauswahlliste ist nicht geeignet, zu
diesem Streit abschließend Stellung zu nehmen. Zu Gunsten des Antragstellers war daher das Gutachten nur
insoweit zu verwerten, als es zur Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit der Schlussrechnung als Spiegel der
Tätigkeit des Insolvenzverwalters Stellung nimmt.
36 Der Gutachter ... verneinte die Ordnungsgemäßheit der vorgelegten Schlussrechnung, da sie weder den
Anforderungen der Klarheit noch der Übersichtlichkeit gerecht wird, sie verfehle ihr Ziel, einem Dritten einen
Überblick über die Tätigkeit des Antragstellers zu vermitteln. Daneben bemängelte er die verzögerte Vorlage
des Schlussberichts, die unvollständige Erfassung der Einzelpositionen, mangelnde Erläuterungen, einmal eine
Doppelzahlung. Die Zeiträume der vorläufigen und endgültigen Insolvenzverwaltung seien nicht voneinander
getrennt worden. Auffallend sei, dass die fortgeführte Barkasse zeitweise im Soll geführt worden sei. Insoweit
wird auf das Gutachten des Sachverständigen ... vom ... Bezug genommen.
37 Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom ... zu dem Gutachten und den dort aufgeworfenen Fragen Stellung
genommen (AS 227). Seine Einlassungen reichen von Entschuldigungen bis zur Kritik an Standpunkten des
Gutachters und ließen, wie die Verfügung der Rechtspflegerin vom ... belegt, wiederum weitere Fragen offen
(AS 239).
38 bb) Übersendung der Insolvenzakte an die Staatsanwaltschaft
39 Nach Eingang des Gutachtens leitete die erkennende Richterin mit Verfügung vom ... die Akten der
Staatsanwaltschaft Mannheim zu mit der Bitte um Prüfung des Verdachts der Untreue, Betrugs,
Urkundenfälschung und Verletzung der Buchführungspflichten (AS 212). Das hierauf eingeleitete
Ermittlungsverfahren (AZ: ... ) ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung noch nicht abgeschlossen, so dass der
Antragsteller im Strafverfahren die Unschuldsvermutung für sich in Anspruch nehmen kann. Diese
Vermutungswirkung greift indessen nicht im vorliegenden Verfahren, in welchem der Antragsteller das
entscheidende Insolvenzgericht von seiner Geeignetheit überzeugen muss. Von daher können sich die
erkennenden Richterin und Richter jeder Stellungnahme über die Strafbarkeit des Antragstellers enthalten, weil
er sich im festgestellten Umfang anlässlich des Insolvenzverfahrens ... und der übrigen noch darzustellenden
Verfahren als ungeeignet erwiesen hat. Ungeachtet dessen führt die strafrechtlich vorgeprägte
Unschuldsvermutung nicht zur Geeignetheit zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste, sondern allenfalls zu einem
befristeten Aufschub des Streichens von der Liste ( OLG Brandenburg , NZI 2009, 682, 683).
40 2. Auch in dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des ... mussten die Abschlussunterlagen
bemängelt werden, da die Schlussrechnung lediglich aus einer zusammenfassenden Auflistung der Einnahmen
und Ausgaben während der Insolvenzverwaltung nebst Kontoauszügen bestand (AS 90). Die Belege zu den
Buchungsvorgängen waren, wie auch im Verfahren ... , nicht beigefügt. Auch musste das Verzeichnis der bei
einer Verteilung zu berücksichtigenden Forderungen gemäß § 188 InsO gesondert angefordert werden, da es
den Schlussrechnungsunterlagen nicht beigefügt war (AS 121). Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist
weiter, dass der Antragsteller im Schlussbericht den Fortbestand des Insolvenzbeschlags hinsichtlich der noch
offenen Steuererstattungsansprüche für die Jahre 2003 und 2005 anregte, obwohl diese nach dem vorgelegten
Kassenbuch bereits ausbezahlt worden waren (AS 96). Dies deutet wiederum darauf hin, dass das Kassenbuch
wie die Buchhaltung erst nachträglich gefertigt wurden, obgleich nur insgesamt elf Bankauszüge zu sichten
waren.
41 Vor Verfahrensaufhebung teilte der Antragsteller auf Anfrage des Gerichts mit, er rechne nicht mit
Steuererstattungen für die Jahre 2006 und 2007 und sehe daher von der Fertigung entsprechender
Steuererklärungen ab (AS 121). Folglich hat das Gericht bei Aufhebung des Verfahrens nicht die
Nachtragsverteilung gemäß § 203 InsO angeordnet, so dass die Beschlagnahmewirkung bezüglich eventueller
Erstattungsansprüche entfallen ist. Es war daher Zufall, dass das Steuerguthaben für 2007 in Höhe von 837,10
EUR, welches auf Grund einer Steuererklärung des Schuldners vom Finanzamt erstattet wurde, dem
Treuhänder-Anderkonto gutgeschrieben und nicht etwa an den Schuldner oder etwaige Pfändungsgläubiger des
Schuldners ausbezahlt wurde.
42 Auf Grund weiterer Einnahmen, welche noch dem eröffneten Verfahren zuzurechnen waren, war wiederholt eine
Nachberechnung der Gerichtskosten anzustellen, welche gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert der
Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zu erheben sind. Erfasst werden deshalb sämtliche Einnahmen
von der Eröffnung bis zur Aufhebung. Es ist der Reinerlös zu Grunde zu legen ( Hartmann , Kostengesetze, 39.
Aufl., § 58 GKG Rdnr. 4), denn nur aus dem realisierbaren Erlös der Masse werden die Gläubiger befriedigt (
Haarmeyer/Wutzke/Förster , InsVV, 4. Aufl., § 1 Rdnr. 14). Da der Antragsteller diese nicht vollständig erfasst
hatte, stellte er in die überholte Schlussrechnung zu geringe Gerichtskosten ein (AS 144). Seine bestehende
Unsicherheit offenbarte er beispielhaft im Schreiben vom ... , in dem er „um Mitteilung bittet, sofern
diesbezüglich Abweichungen ... gegeben sein sollten.“ (AS 117). Ohne Intervention des Gerichts wäre ein zu
großer Betrag an die Gläubiger ausgeschüttet worden zu Lasten der noch offenen Gerichtskosten.
43 Bei der anschließenden Quotenausschüttung erfolgte die Verteilung bezüglich Forderung Tabelle Nr. 3 nicht an
die Titelinhaberin, sondern auf Anzeige der Forderungsabtretung durch einen Dritten an diesen, ohne dass der
Antragsteller sich die Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite hätte entsprechend § 727 ZPO in öffentlicher oder
öffentlich beglaubigter Form nachweisen lassen. Der Nachweis der Rechtsnachfolge sowie die erforderliche
Berichtigung der Insolvenztabelle erfolgten erst auf Veranlassung des Gerichts (AS 127).
44 3. In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des ...wurde das Verfahren mit Beschluss vom ... (AS 76)
aufgehoben. Mit Schriftsatz vom ... legte der Antragsteller ein Verteilungsverzeichnis für das erste Jahr der
Wohlverhaltensperiode vom 03.07.2007 bis 03.07.2008 vor, ohne zuvor die noch offenen und gemäß §§ 53, 54
InsO vorrangig zu berichtigenden Gerichtskosten auszugleichen (AS 89, 93). Im Verteilungsverzeichnis für das
Folgejahr wurde der Verteilungsbetrag erneut und ohne Gerichtskostenabzug als Rückstellung aufgeführt (AS
96).
45 Während des Verfahrens zahlte die Ehefrau des Schuldners monatliche Raten zu je EUR 25,- an die Masse,
womit die Mindestvergütung des Treuhänders gedeckt war. Dessen ungeachtet beantragte der Antragsteller die
Auszahlung der Mindestvergütung für das zweite Jahr der Wohlverhaltensperiode aus der Staatskasse (AS
107).
46 Diese Vorgehensweise war nach den Berichten der Rechtspflegerinnen der Insolvenzabteilung stellvertretend
für mehrere ähnlich gelagerte Fälle.
47 4. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des ... verstieß der Antragsteller gegen seine Pflicht, das
gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu übernehmen (vgl. § 148
InsO). Dazu gehört auch die Ermittlung der Forderungen und deren Höhe ( Wegener in: Frankfurter Kommentar,
InsO, 5. Aufl., § 148 Rn. 4a). Der verheiratete Schuldner war bei der Stadt ... beschäftigt. Noch ca. ein Jahr
nach dem Prüfungstermin am ... war mit Blick auf die Notwendigkeit der Berechnung des pfändbaren
Einkommens des Schuldners die Unterhaltsberechtigung der Ehefrau nicht restlos geklärt. Der Arbeitgeber des
Schuldners berücksichtigte die Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person, obwohl sie dies - zumindest nicht in
vollem Umfang - war (AS 84). Eine endgültige Berechnung der Unterhaltsansprüche musste durch die
Rechtspflegerin vom Antragsteller angefordert werden (AS 92). Dem gering verdienenden Schuldner (1.460,03
EUR netto) wurden seitens seines Arbeitgebers im Juli 2006 520,- EUR und in der Folgezeit weitere 100,- EUR
monatlich vom Gehalt abgezogen, weil der tatsächlich pfändbare höhere Betrag auf Grund dieses
Versäumnisses nicht zuvor an den Insolvenzverwalter abgeführt worden war. Anstatt hier klare Verhältnisse zu
schaffen, erwartete der Antragsteller, der Schuldner solle den pfändbaren Betrag selbst ausrechnen und an ihn
überweisen (AS 86). Schlussendlich musste sich der Antragsteller auf eine Vereinbarung einlassen, damit nicht
an die Insolvenzmasse abgeführte pfändbare Beträge vom Arbeitseinkommen des Schuldners zur Masse
gelangen (AS 107).
48 IV. Anhörung des Antragstellers im Rahmen der Bewerbung
49 Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung am ... bestätigte und intensivierte der Antragsteller die vorstehend
geschilderten Sachverhalte und das daraus gewonnene Urteil der Ungeeignetheit.
50 Die erkennende Richterin und erkennenden Richter konfrontierten den Antragsteller in pauschaler Form mit
seinen gezeigten Fehlleistungen. Diese verteidigte er entweder mit Äußerungen, „dass immer einmal Fehler
aufträten“, oder die Schuld bei den überzogene Ansprüche stellenden Rechtspflegerinnen läge, oder gar, was
zeitnahes Buchen anbelange, „dies auch drei Jahre nach dem Geschäftsvorfall“ geschehen könne. Insgesamt
vermissten die anhörenden Richter Einsichts- und Kritikfähigkeit beim Antragsteller, der stattdessen den
Versuch unternahm, seine Gesprächspartner zur Rechtfertigung der bis dahin noch nicht feststehenden
Entscheidung zu bewegen. Die Anhörung entfernte sich auf diese Weise von dem Ziel des gegenseitigen
Werbens um Verständnis für die Qualitätsanforderungen bei Insolvenzverwaltungen durch die Gerichte und der
Leistungsbereitschaft der Insolvenzverwalter. Es endete beim Antragsteller im Verharren, „alles richtig gemacht
zu haben.“ Von daher musste jeder Versuch scheitern, den Antragsteller von sorgfältigerem und
verantwortungsbewussterem Arbeiten zu überzeugen.
51 V. Ergebnis:
52 Die Selbstdarstellung, die der Antragsteller bot, bestätigte die mehrfachen Beschwerden von Schuldnern über
die Form seines Auftretens, das diese teilweise als dreist beschrieben. Zum anderen wirkt das Verhalten des
Antragstellers jeder Hoffnung entgegen, er werde künftig und dauerhaft sein Insolvenzverwalteramt in
geeigneter Form ausüben. Die Zurückweisung des Antrags entspricht deshalb dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit, weil nicht nur einzelne Verfahren Anlass zur Kritik geben, sondern die Fehlleistungen in
der Persönlichkeit und dem Charakter des Antragstellers begründet sind, zu deren Korrektur er weder gewillt
noch in der Lage ist. Abgesehen davon sind die behandelten Fälle nur eine Auswahl aus vielen anderen
Verfahren, in denen ähnliche Bearbeitungsdefizite festzustellen und zu beanstanden waren.
53 Auch die theoretische Möglichkeit, den Antragsteller künftig nur in einfach gelagerten Fällen zu bestellen, stellt
die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht in Frage. Abgesehen davon, dass solche Fälle
nicht mit Verlässlichkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Auswahl des Insolvenzverwalters
ausgewählt werden können, hat der Antragsteller in den behandelten Fällen ausnahmslos gegen elementare
Regeln der Insolvenzverwaltung verstoßen, die auch in einfach gelagerten Fällen unverzichtbar sind. Die
Grundsätze der Massesicherung, der Transparenz der Rechnungslegung und damit des Verwalterhandelns sind
die Rechtfertigung für den staatlichen Eingriff in die Verfügungsbefugnis des Vermögensinhabers, die keine
Leichtfertigkeiten duldet. Solche aber zeigte der Antragsteller und vermittelte den deutlichen Eindruck im
Rahmen seiner Anhörung, dass er den begonnenen Weg fortsetzen wird. Der erkennenden Richterin und den
erkennenden Richtern ist es verwehrt, sehenden Auges sachwidrig von ihrer Eingriffskompetenz in fremdes
Vermögen, das ist nicht weniger als die Legitimation des Insolvenzrichteramtes, Gebrauch zu machen. Der
Antragsteller erweist sich deshalb als ungeeignet, die grundsätzlich an den Bewerber zu stellenden
Anforderungen für die erstrebten Ämter zu erfüllen. Sein Antrag auf Aufnahme in die Vorauswahlliste beim AG
Mannheim war daher zurückzuweisen.
C.
54 Gerichtskosten fallen erst gemäß § 30 EGGVG an und waren nicht zu erheben. Eine Erstattungspflicht
hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten sieht das Gesetz nicht vor.