Urteil des AG Mannheim vom 18.03.2005

AG Mannheim: fortsetzung des mietverhältnisses, stadt, sperrfrist, drucksache, kündigungsschutz, eigenbedarf, eigentümer, umzug, wohnungsmarkt, vertreter

AG Mannheim Urteil vom 18.3.2005, 4 C 94/04
Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung: Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung eines Wohnungserwerbers in Mannheim
vor Ablauf 10jähriger Sperrfrist in Ansehung der Verfassungswidrigkeit der baden-württembergischen Landesverordnung über den
erweiterten Kündigungsschutz
Tatbestand
1
(aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM)
2
Die Beklagte bewohnt mit ihrer etwa 13 Jahre alten Tochter auf Grund Mietvertrages vom 26.7.1996 eine 145 m2 große Wohnung im zweiten
Obergeschoss des Anwesens in Mannheim. Das Anwesen wurde 1998 in Wohnungseigentum aufgeteilt und vom Voreigentümer an die Kläger
veräußert, die am 18.7.2000 in das Wohnungseigentumsgrundbuch eingetragen wurden.
3
Die Kläger bewohnen derzeit in Mannheim eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 96 m2. Mit Schreiben vom 1.8.2003 kündigten
sie der Beklagten wegen Eigenbedarfs. Die Beklagte widersprach mit Schreiben vom 17.11.2003 und wies darauf hin, dass zum Zeitpunkt der
Anmietung der Wohnung, damals noch im Eigentum eines Großvermieters, nicht absehbar gewesen sei, dass sie zum Spekulationsobjekt werde.
Die Kündigung widerspreche der Verordnung der Landesregierung vom 11.12.2001 auf Grund § 577a Abs.2 BGB (GBl. S.686).
4
Die Kläger beanstanden die Verfassungsmäßigkeit der Verordnung vom 11.12.2001 und riefen den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
im Wege des Normenkontrollantrages an. Der Antrag wurde mit Urteil vom 25.6.2003 zurückgewiesen, maßgeblich mit der Begründung,
Rechtsstreitigkeiten dieser Art fielen ausschließlich in die Zuständigkeit der Zivilgerichte, da die angegriffene Verordnung mietrechtlichen
Charakter habe. Die Revision wurde nicht zugelassen.
5
Die Kläger behaupten, sie benötigen die Wohnung der Beklagten, da diese im Gegensatz zu ihrer bisherigen Unterbringung Platz für ein Arbeits-
und Gästezimmer biete und die Aufnahme der pflegebedürftigen Mutter ermögliche. Zugleich sei die Wohnung in der Nähe des Bahnhofes
gelegen, von wo aus der Kläger werktäglich seinen Arbeitsplatz erreichen müsse.
6
Die Verordnung zur Verlängerung der Kündigungssperrfrist auf zehn Jahre sei rechtswidrig und nicht zu beachten. Die Voraussetzungen für
ihren Erlass hätten nicht vorgelegen, da eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen gewährleistet gewesen sei.
Nachdem die Landesregierung mit Erreichen des Wohnungsversorgungsgrades von über 93% die Stadt Mannheim zum 1.9.2000 aus der
Gebietskulisse herausgenommen habe, sei die erneute Aufnahme nicht nachvollziehbar. Der Wunsch der politischen Entscheidungsträger der
Stadt Mannheim sei keine ausreichende Verordnungsgrundlage, ein Ermessen komme dem Verordnungsgeber nicht zu. Dessen ungeachtet
habe das Land die Sperrfrist auf die Höchstdauer ausgedehnt und auf das gesamte Stadtgebiet erstreckt, beides sei aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit zu beanstanden.
7
Die Beklagte trägt vor, das angerufene Gericht sei unzuständig, denn es sei nicht dazu aufgerufen, über die Verfassungsmäßigkeit der von der
Landesregierung erlassenen Sperrverordnung zu entscheiden. Die Indizenter-Kontrolle durch das Zivilgericht fände ohne Mitwirken des
Verordnungsgebers statt. Sollte das Gericht bereits § 577a BGB für verfassungswidrig halten, müsse der Rechtsstreit nach Art.100 GG dem
Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden.
8
Der behauptete Eigenbedarf werde bestritten, denn die Kläger seien derzeit angemessen untergebracht. Sie habe Anspruch auf Fortsetzung des
Mietverhältnisses, da eine Räumung eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Ihre Tochter könne von der Wohnung aus die Schule
zu Fuß erreichen, was sich gut mit ihrer Berufstätigkeit vereinbaren lasse. Beide seien im Stadtteil tief sozial verwurzelt, sie habe überdies
erhebliche Investitionen in die Wohnung getätigt.
9
Die Verordnung der Landesregierung sei nicht zu beanstanden, das Gericht sei nicht befugt, sein Ermessen an die Stelle des
Verordnungsgebers zu setzen. Nach dem Wohnungsversorgungsgrad müsse die Stadt Mannheim weiterhin Aufnahme in die Verordnung finden.
10 Die Verfahrensakten des VGH Mannheim (AZ: 4 S 1999/02) waren beigezogen, sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
11 Die Klage ist zulässig und begründet.
12 1. Die Beklagte schuldet Räumung und Herausgabe der streitbefangenen Wohnung gemäß § 546 Abs.1 BGB, weil die Kündigung der Kläger
vom 1.8.2003 das Mietverhältnis wirksam beendete. Die Kläger haben zur Überzeugung des Gerichts ein berechtigtes Interesse an der
Erlangung der Wohnung nach § 573 Abs.2 Nr.2 BGB bewiesen, sie benötigen die Wohnung für sich.
13 Nach der überzeugenden informatorischen Anhörung der Kläger im Termin vom 17.2.2005 ist ihr Eigenbedarf an der von der Beklagten
genutzten Wohnung bewiesen. Der Kläger zu 1 hat nachvollziehbar erläutert, das er zum Erreichen seines Arbeitsplatzes auf eine Wohnung in
Bahnhofsnähe angewiesen ist. Die Klägerin zu 2 berichtete, dass sie in der Wohnung ein Zimmer als Arbeitsplatz nutzen kann und so die
Anmietung eines Büros erspart. Beide Kläger wohnen derzeit zur Miete, ihr Wunsch, in der eigenen Wohnung zu wohnen, ist insgesamt
verständlich.
14 Die Kündigung ist wirksam.
15 2. Soweit die Beklagte der Kündigung mit Schriftsatz vom 17.11.2003 gemäß § 574 BGB widersprach, war das Mietverhältnis nicht mit den dort
gegebenen Gründen fortzusetzen. Zwar ist die Beklagte alleinerziehend und wohnt derzeit in der Nähe des Vaters ihrer Tochter, mit dem sie
auch künftig engen Kontakt halten wolle. Aus diesem Vortrag ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihren Wohnbedarf nicht zu angemessenen
Bedingungen in ihrem bisherigen Umfeld decken kann (§ 574 Abs.2 BGB). Auch die behauptete Verwurzelung, der Kontakt zu Schul- und
Klassenkameraden ihrer Tochter und die nicht näher ausgeführten Investitionen in die Wohnung stellen für sich betrachtet keinen Härtegrund
dar, weil, wie noch auszuführen sein wird, der Umzug durch die Gewährung einer Räumungsfrist zwischen den Schuljahren stattfinden kann.
16 3. Die Kläger haben die Frist des § 577a Abs.1 BGB gewahrt, denn seit dem Erwerb des Eigentums am 18.7.2000 bis zum Ausspruch der
Kündigung sind drei Jahre verstrichen. Gemäß § 577a Abs.2 BGB in Verbindung mit der "Zweiten Verordnung der Landesregierung über einen
erweiterten Kündigungsschutz bei umgewandelten Mietwohnungen vom 11. Dezember 2001" (GBl. S.688; im folgenden: LandesVO) ist zwar
eine zehnjährige Kündigungssperre seit dem Erwerb der Wohnung am 18.7.2000 angeordnet, die bisher noch nicht abgelaufen ist. Das steht der
Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen, denn die maßgebliche Landesverordnung ist verfassungswidrig und im Streitfall mangels
Bindungswirkung nicht anzuwenden (BGHZ 152, 18, 25 = NZM 2002, 1042, 1043 [=WM 2003, 57 KL]).
17 a) Das Gericht stützt die Rechtsfolge nicht auf die Verfassungswidrigkeit des § 577a Abs.1 und Abs.2 BGB, die insoweit in der Literatur
erhobenen Bedenken (Nebeling/Bispinck, NZM 2001, 610, 611) teilt es nicht.
18 Ein Verstoß gegen Art.3 Abs.1 GG lässt sich nicht aus der Mindestsperre von drei Jahren ableiten. Richtig ist zwar, dass insoweit eine "weiche"
Frist hätte angeordnet werden können, dem Gesetzgeber ist aber ein weiter Gestaltungsspielraum zuzuerkennen. Dieser wurde im Falle einer
weichen Fristenregelung mit vermehrter Rechtsunsicherheit und verstärkten Belastungen der Justiz erkauft. Beides rechtfertigt die "starre"
Mindestfrist.
19 Auch einen Verstoß gegen Art.14 Abs.1 GG vermag das Gericht nicht zu erkennen. Die Mindestsperre von drei Jahren trägt gebührend dem
Umstand Rechnung, dass der an die Stelle des Alteigentümers tretende Neueigentümer in anderer Weise über das Eigentum disponiert. Dem
Mieter eines unbefristeten Mietverhältnisses ist deshalb ein Zeitraum zuzubilligen, in dem er seinerseits seine Wohnungswünsche überdenkt und
ggfls. neu formuliert. Auch für den Mieter stellt die Wohnung den Mittelpunkt seiner Existenz dar (BVerfG NJW 1985, 2633, 2634 [=WM 1985, 75]
zu 3.).
20 Endlich ist § 577a Abs.2 BGB nicht zu beanstanden, denn Art.80 Abs.1 Satz 2 GG erfordert keine genauere Beschreibung des Ausmaßes der
Ermächtigung. Das Ausmaß ist mit den Begriffen "ausreichend" und "angemessen" hinreichend bezeichnet (BVerfGE 8, 274, 311, 313f.). Im
übrigen sieht die Verordnungsermächtigung die von Nebeling/Bispinck eingeforderte "weiche" Regelung vor; die allgemein verbindliche
Mindestsperre von drei Jahren wird um eine zeitlich variabel gestaltete LandesVO ergänzt, um die Eingriffe auf das "zwingend erforderliche Maß
zu beschränken" (BT-Drucksache 14/4553, S.73).
21 Eine Vorlage nach Art. 100 GG war nicht veranlasst.
22 b) Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der LandesVO kam eine Anrufung des BVerfG gemäß Art.100 Abs.1 GG nicht in Betracht, weil sich
dessen Verwerfungsmonopol nur auf nachkonstitutionelle Gesetze im formellen Sinne, nicht auf Verordnungen bezieht (BVerfGE 1, 154, 189; 68,
319, 326; BGH NZI 2004, 196, 200/201).
23 aa) Die LandesVO bestimmt in § 1 die Stadt Mannheim zum Gebiet, in dem die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu
angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (sog. Gebietskulisse). Nach § 2 darf sich der Vermieter auf Eigenbedarf erst nach Ablauf
von zehn Jahren seit der Veräußerung berufen. Die LandesVO trat am 1.1.2002 in Kraft und tritt am 31.12.2006 außer Kraft (§ 3).
Verfassungsrechtlich zu beanstanden sind § 1 der LandesVO, weil er das gesamte Stadtgebiet von Mannheim in die Gebietskulisse einbezieht,
und § 2 der VO, da der Verordnungsgeber die Sperrfrist auf das gesetzlich zugelassene Höchstmaß ausdehnt.
24 bb) Ob der Einbeziehung der Stadt Mannheim in die Gebietskulisse mit gerichtlichen Mitteln erst bei Erreichen der Missbrauchsgrenze begegnet
werden kann, weil im Bereich des Wohnungsrechts besonders langfristige Entwicklungen komplexer Art zu bewerten sind, deren Bewertung und
Einzeltrends unterschiedlich gedeutet werden können (HessVGH ZMR 1987, 75, 77), kann auf sich beruhen (zweifelnd Palandt-Weidenkaff,
BGB, 64. Aufl., § 577a Rdnr. 6). Auch das Vorbringen der Kläger, die Wohnraumversorgung der Stadt Mannheim sei ausgeglichen und
rechtfertige die Aufnahme nicht, bedarf keiner Entscheidung, weil auch ein geringfügiger Angebotsüberhang noch nicht die Mangellage bei der
Wohnraumversorgung beseitigt (BVerwG NJW 1983, 2893, 2894 [=WM 1984, 139]). Die LandesVO verstößt jedoch gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit, weil sie Eingriffe in Eigentümerrechte vornimmt, obschon sich das Ziel von § 577a Abs.2 BGB mit anderen Mitteln erreichen
lässt.
25 cc) Auch wenn die Grenzen der gerichtlichen Überprüfung von Rechtsverordnungen ("Kontrolldichte") unterschiedlich gezogen werden (etwa
Zuleeg, DVBl. 1970, 157f.), muss sich der Verordnungsgeber unbestritten innerhalb der Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung und der
Verfassung bewegen, er hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BVerfGE 8, 274, 310f.). Dem widersprechen die Aufnahme des
gesamten Stadtgebiets von Mannheim in die Gebietskulisse (§ 1 der LandesVO) und die Ausdehnung der Sperrfrist auf zehn Jahre (§ 2 der
LandesVO).
26 dd) § 577a Abs.2 Satz 1 BGB enthält eine Rechtsverordnungsermächtigung für die Landesregierungen. Die Aufnahme in die Gebietskulisse, so
der systematische Zusammenhang der Sätze 1 und 2, ist für Gemeinden oder einen Teil der Gemeinde vorgesehen. Der Gesetzgeber wollte
damit den mit der Kündigungssperrfrist verbundenen Eingriff in die Eigentumsrechte des Vermieters auf das "zwingend erforderliche Maß
beschränken" (BT-Drucksache, 14/4553, S.73). Da der Gesetzentwurf in Absatz 2 Satz 3 und 4 die Möglichkeit der Kündigung wegen
Eigenbedarfs auch während der Sperrfrist unter besonderen Voraussetzungen vorsah, die aber nicht Gesetz wurde, steigerte sich die
Beschränkung des Eingriffs auf das zwingend erforderliche Maß gegenüber der Entwurfsbegründung.
27 Der Vertreter des Landes hat im Verfahren vor dem VGH Mannheim den Standpunkt vertreten, die Gebietskulisse der LandesVO nur auf
bestimmte Gemeindegebiete zu beschränken, sei Praxis in der gesamten Bundesrepublik, denn es bestünden keine ausreichend klaren
Kriterien, anhand deren ohne Verstoß gegen Art.3 GG eine Differenzierung innerhalb der Städte möglich sei. Der erweiterte Kündigungsschutz
könne nicht vom Standort der Wohnung abhängig gemacht werden, ein abgrenzbarer Wohnungsmarkt fände in den einzelnen Stadtteilen nicht
statt (4 S 1999/02; Bl. 145, 146). Diese Erwägungen werden dem zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gerecht.
28 Schon im Ausgangspunkt ist dem Vertreter des Landes zu widersprechen. Die Städte Baden-Württembergs sind, soweit sie Eingang in die
Gebietskulisse der LandesVO fanden, historisch gewachsen, es lassen sich mühelos einzelne Stadtteile voneinander abgrenzen. Diese
Grenzziehungen werden stadtintern durch Aufteilung in einzelne oder mehrere Verwaltungseinheiten genutzt. Die Erwägung des Vertreters des
Landes, keine ausreichenden Kriterien für die Beschränkung innerhalb der Städte finden zu können, ist nicht überzeugend.
29 Die Behauptung, es fände kein abgrenzbarer Wohnungsmarkt in den einzelnen Stadtteilen statt, wird der Wirklichkeit nicht gerecht. Die Mieter in
den Stadtteilen Oststadt und Lindenhof sind andere als die des Jungbusch oder der Vogelstang. In den verschiedenen Stadtteilen werden
unterschiedliche Mieten bezahlt, die Schutzbedürftigkeit der ansässigen Mieter variiert deutlich. Im Gegensatz dazu hat der Verordnungsgeber
die Interessen der Stadt Mannheim, die Gegenstand des Schreibens des Oberbürgermeisters der Stadt vom 24.1.2001 sind, aufgegriffen, um die
besonderen qualitativen Bedürfnisse des Mannheimer Wohnungsmarktes zu berücksichtigen. Diese beschränken sich nach dem Schreiben des
Oberbürgermeisters auf einzelne Stadtteile, namentlich Mannheim-Vogelstang.
30 Dort hatte nach 1992 ein Eigentümer von mehr als 2100 Wohneinheiten Abgeschlossenheitsbescheinigungen beantragt und erhalten, weshalb
die Gefahr der Umwandlung in Wohnungseigentum bestehe und für Verunsicherung sorge. Diese Besorgnis verstärkte sich nach der Insolvenz
dieses Eigentümers im Jahre 1998. Im weiteren erhielten diese Effekte durch Privatisierungen von Post- und Eisenbahnerwohnungen
zusätzlichen Auftrieb. Indem sich der Verordnungsgeber diese Befürchtungen zu eigen machte (4 S 1999/02; Bl. 141 d.A.), begründet er die
Bewertung der Wohnraumversorgung stadtteilsbezogen, die er bei der Einschränkung der Gebietskulisse nicht gelten lassen will. Das ist in sich
widersprüchlich und wegen fehlender Erforderlichkeit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
31 ee) § 577a Abs. 2 Satz 2 BGB ermächtigt zu einer Kündigungssperre von höchstens zehn Jahren. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, mit
dieser Bestimmung sollten die Landesregierungen nicht wie nach dem bisherigen Recht an fünf oder zehnjährige Kündigungssperrfristen
gebunden werden, sondern sie könnten entsprechend der vorzunehmenden Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der besonderen
Gefährdung eine Sperrfrist festlegen (BT-Drucksache, 14/4553, S.73). Im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist die Anordnung der
Höchstfrist weder geeignet noch erforderlich.
32 Der Vertreter des Landes hat dazu im Verfahren vor dem VGH vorgetragen, die Landesregierung habe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
durch die Befristung der LandesVO auf fünf Jahre "besonders" zur Geltung gebracht. Damit sei gegenüber dem bisherigen Recht eine erhebliche
Einschränkung vorgenommen worden, weil früher eine Geltungsdauer bis zu zehn Jahren möglich gewesen sei. Durch Auslaufen der
Rechtsverordnung werde den Interessen der betroffenen Eigentümer angemessen Rechnung getragen (4 S 1999/02; Bl. 143).
33 Der Standpunkt verkennt, dass der Verordnungsgeber ungeachtet der Dauer der LandesVO ohnedies in der Pflicht steht, die Voraussetzungen
für die Einbeziehung bestimmter Gemeinden laufend zu überprüfen (BT-Drucksache, 14/4553, S.73). Die Befristung der LandesVO reagiert damit
fraglos auf die Unsicherheit, die der Prognose über die Wohnraumbedarfsdeckung anhaftet, ein "zusätzlicher" Schutz wird dem Eigentümer damit
nicht gewährt. Die Befristung nach § 3 der LandesVO nutzt nur denjenigen Eigentümern, die außerhalb der Dauer ihrer Geltung umgewandeltes
Wohnungseigentum erwerben. Diejenigen, die wie die Kläger davon betroffen sind, werden für die Dauer von zehn Jahren mit der Kündigung
wegen Eigenbedarfs ausgeschlossen, also unter Umständen dann noch, wenn der Wohnungsmarkt längst gesättigt ist. Da die in § 577a Abs.2
Satz 3 und 4 BGB vorgesehenen Durchbrechungen der Kündigungssperre nicht Gesetz wurden, muss sich die Dauer ihrer Anordnung an
besonderen, erschwerten Voraussetzungen messen lassen. Die Ausdehnung der Kündigungssperre auf das Höchstmaß ist weder mit dem
bestehenden Prognoserisiko noch dem Übermaßverbot vereinbar.
34 Dies bestätigt die Entwicklung der Sperrfristen in Baden-Württemberg, hier speziell für Mannheim: Der Verordnungsgeber hat am 25.10.1993
(GBl. S.630) eine zehnjährige Sperrfrist verfügt. Sie galt nach erneuter Anordnung bis zum 1.9. 2000, als die Landesregierung am 25.7.2000 die
Stadt Mannheim aus der Gebietskulisse herausnahm (GBl. S.551). Erneut mit LandesVO vom 11.12.2001 (GBl. S.686) wurde mit Wirkung ab dem
1.1.2002 die Rückkehr der Stadt Mannheim in die Gebietskulisse und zugleich eine zehnjährige Sperrfrist verordnet. Damit galt im Stadtgebiet
von Mannheim in der Zeit vom 1.9.2000 bis zum 31.12.2001 lediglich die gesetzliche Mindestsperre nach § 564b Abs.2 Nr.2 Satz 2 BGB a.F. Es
ist weder vorgetragen, noch durch gerichtliche Erfahrungen belegt, dass sich die vom Oberbürgermeister der Stadt Mannheim in seinem
Schreiben vom 24.1.2001 geäußerten Befürchtungen während der Zeit des gesetzlichen Mindestschutzes verwirklicht hätten. Vielmehr erwies
sich der Schutz des § 577a Abs.1 BGB als genügend, den bestehenden Mietverhältnissen Schutz zu bieten. Vor diesem Hintergrund ist die
Anordnung der Höchstfrist nicht verhältnismäßig.
35 Die LandesVO ist verfassungswidrig und bindet das erkennende Gericht nicht. Das hat im weiteren die Wirksamkeit der von den Klägern
ausgesprochenen Kündigung vom 1.8. 2003 zur Folge.
36 […] 5. Der Beklagten war gemäß § 721 ZPO eine Räumungsfrist bis zum 31.8.2005 zu gewähren.
37 Die Beklagte hat ein schulpflichtiges Kind zu versorgen. Sofern und soweit durch den Umzug ein Schulwechsel notwendig werden wird, bietet
sich dieser während der Schulferien an. In Baden-Württemberg sind vom 28.7. bis zum 10.9.2005 Sommerferien. Um Umzug und Schulwechsel
bewältigen zu können, war der Beklagten daher eine Räumungsfrist bis zum zuerkannten Zeitpunkt zu bewilligen.