Urteil des AG Mannheim vom 19.12.2008

AG Mannheim (negative feststellungsklage, rechtsschutzversicherung, wohnung, zeitpunkt, abschluss, versicherungsfall, kommentar, aug, kostendeckung, behauptung)

AG Mannheim Urteil vom 19.12.2008, 3 C 333/08
Rechtsschutzversicherung: Vorvertraglichkeit bei Dauerschuldverhältnissen
Leitsätze
1. In Fällen von Mietminderung wegen erst nach Jahren aufgetretener Feuchtigkeit tritt der Versicherungsfall erst
mit zutage treten des beanstandeten Mangels ein, weil erst dadurch der rechtliche Konflikt ausgelöst wird. Bleibt
dessen Zeitpunkt ungeklärt, geht das zu Lasten des Versicherungsnehmers.
2. Konflikte aus Dauerschuldverhältnissen, die bei Abschluss der Rechtsschutzversicherung bereits bestanden
haben, sind mitversichert, ausgenommen Streitigkeiten über die Wirksamkeit des Vertragsschlusses.
3. § 4 Abs. 1 Satz 1 c ARB 2000 will "vorprogrammierten" Rechtsstreiten vorbeugen. Dabei ist auf das Wissen
des Versicherungsnemers bei Vertragsschluss abzustellen.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin aus der bei der Beklagten mit Wirkung vom 25.12.2000
abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung ... Kostendeckung für die von der Klägerin beim Amtsgericht
Mannheim gegen ihre Mieterin ..., erhobene negative Feststellungsklage gemäß Klageantrag Ziffer 1 = kein Recht
zur Mietminderung wegen behaupteter Schimmelbildung zu gewähren.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 90%, die Klägerin 10%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Kläger- und Beklagtenseite können die Vollstreckung durch die Gegenseite gegen Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist Eigentümerin einer Eigentumswohnung in der Wohnanlage ... in ... Mannheim. Am 25.12.00
schloss die Klägerin bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung für Eigentümer und Vermieter von
Wohnungen und Grundstücken ab, deren Wartezeit am 25.03.01 ablief. Mieterin der ETW ist zurzeit Frau ....
Mit Klage vom 11.08.08 begehrt die Klägerin im Verfahren ... Feststellung, dass die Mieterin ... nicht berechtigt
ist, die Miete zu mindern.
2
Ihre (nach Darstellung der Klägerin angekündigte) Mietminderung stützt die Mieterin ... auf Schimmelbildung in
der Wohnung sowie auf Schwarzablagerungen an den Wänden. Ersteres führt sie auf den Einbau neuer
Isolierglasfenster im Jahr 2005 und auf unzureichende Dämmung der Außenwände oder andere bauliche
Mängel zurück. Die Schwarzfärbungen beruhen ihren Angaben nach auf Ausgasungen des im Jahr 1999 neu
angebrachten Fassadenanstrichs.
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Die Klägerin bat mit Schreiben vom 05.08.08 um die Erteilung einer Deckungszusage für dieses Verfahren. Die
Beklagte lehnte dies ab.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte aus der abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung
verpflichtet sei, für das Verfahren gegen die Mieterin ... eine Deckungszusage zu erteilen. Sie behauptet, dass
die Mieterin ... ihre Minderung zu weit überwiegenden Teilen (90%) mit der Schimmelbildung nach Einbau der
Isolierglasfenster im Jahr 2006 begründe. Dieser Zeitpunkt liege aber bereits innerhalb des
Versicherungsschutzes, so dass nicht von einer Vorvertraglichkeit auszugehen sei. Ferner könne ein lediglich
behaupteter Vertragsverstoß der Klägerin nur dann für die Bestimmung des Zeitpunktes des
Versicherungsfalles maßgeblich sein, wenn die Behauptung einen nachprüfbaren Tatsachenkern enthalte. Die
Mieterin ... behaupte die mangelhafte Bausubstanz aber - ins Blaue hinein -. Weiterhin sei bei der Bestimmung
des Zeitpunktes des Versicherungsfalls auch auf den Rechtsverstoß der Mieterin ... abzustellen. Dieser liege
in deren unzureichendem Heizungs- und Lüftungsverhalten, welches erstmals im Jahr 2002 also nach Beginn
des Versicherungsschutzes gerügt worden sei. Weiterhin sei bezüglich der Frage der Vorvertraglichkeit streng
zwischen den beiden Anträgen im Verfahren ..., also zwischen nicht bestehendem Minderungsrecht bezüglich
Schimmelbildung einerseits und Schwarzablagerungen andererseits, zu trennen. Zuletzt könne es nicht sein,
dass die bloße Behauptung des Mieters, die Ursache des Mangels läge in der Bausubstanz, dazu führe, dass
der Vermieter stets wegen Vorvertraglichkeit seinen Rechtsschutz verliere. Hierauf hätte die Beklagte
ansonsten bei Vertragsschluss hinweisen müssen.
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Sie beantragt deshalb,
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1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aus der bei der Beklagten mit Wirkung vom 25.12.00
abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung Nr. ... Kostendeckung für die von der Klägerin beim
Amtsgericht Mannheim gegen ihre Mieterin ... erhobene negative Feststellungsklage gem. Klageantrag
Ziff.1 = kein Recht zur Mietminderung wegen behaupteter Schimmelbildung zu gewähren,
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2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aus der bei der Beklagten mit Wirkung vom 25.12.00
abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung Nr. ... Kostendeckung für die von der Klägerin beim
Amtsgericht Mannheim gegen ihre Mieterin ... erhobene negative Feststellungsklage gem. Klageantrag
Ziff.2 = kein Recht zur Mietminderung wegen behaupteter Schwarzablagerungen zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
9
Klageabweisung.
10 Sie ist der Auffassung, dass der Klage der Einwand der Vorvertraglichkeit entgegensteht. Für den Zeitpunkt
des Versicherungsfalles sei entscheidend, wann der Rechtsverstoß der Klägerin stattgefunden habe, auch
wenn dieser nur behauptet werde. Die Klägerin hätte der Mieterin eine mangelfreie Wohnung zur Verfügung
stellen müssen. Nach der Behauptung der Mieterin ... habe die Klägerin ihr aber bereits eine unzureichend
gedämmte und mit Baumängeln versehene Wohnung überlassen. Der behauptete Rechtsverstoß der Klägerin
sei damit in der Übergabe einer mangelhaften Wohnung im Jahr 2000 zu sehen. Damit liege der Grund der
rechtlichen Auseinandersetzung in einem leistungsfreien Zeitraum vor Abschluss der
Rechtsschutzversicherung. Auch der Fassadenanstrich im Jahr 1999 sei vor Versicherungsbeginn gelegen.
Entscheidungsgründe
11 Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
12 Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung einer Deckungszusage für den Rechtsstreit
gegen ihre Mieterin aus der im Jahr 2000 abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung, jedoch nur bezüglich
der von Mieterseite angeführten Schimmelbildungen.
13 Dieser Versicherungsfall trat während des versicherten Zeitraums auf. Er lag nicht bereits bei der Überlassung
einer mit behaupteten Baumängeln versehenen Wohnung, sondern erst zu diesem Zeitpunkt vor, an dem der
Mangel zutage trat (was nach der unwidersprochenen Darstellung der Klägerseite, die auch im parallel
laufenden Verfahren ... von der Mieterin, der dortigen Beklagten bestätigt wird, jedenfalls nach Ablauf der
Wartefrist der Fall war). Dem Einwand der Vorvertraglichkeit war insoweit nicht zu folgen.
14 Grundsätzlich gilt der Versicherungsfall gemäß § 4 Abs.1 Satz 1 c ARB 2000 dann als eingetreten, wenn einer
der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten zu verstoßen (Harbauer, ARB-
Kommentar §14 ARB 75 Rn.39). Es genügt somit auch jeder nur behauptete Verstoß, wenn er kein reines
Werturteil darstellt, sondern einen nachprüfbaren Tatsachenkern enthält.
15 Als Verstoß in diesem Sinne ist jedes objektive Zuwiderhandeln gegen eine Rechtspflicht oder das Unterlassen
eines rechtlich gebotenen Tuns anzusehen. Allerdings stellt die Überlassung einer mit verborgenen
Baumängeln behafteten Wohnung an sich noch keinen Verstoß iSv § 4 Abs.1 Satz 1 c ARB 2000 dar
(Prölls/Martin VVG § 14 ARB 75 Rn. 24; Harbauer, ARB-Kommentar § 14 ARB 75 Rn.54). Vielmehr ist in
Fällen von Mietminderung wegen erst nach Jahren aufgetretener Feuchtigkeit der Versicherungsfall erst mit
dem Zutagetreten des beanstandeten Mangels bzw. der nicht erfolgten Beseitigung eingetreten (Harbauer,
ARB-Kommentar §14 ARB 75 Rn.54, OLG Düsseldorf NVersZ 2001, 183). Erst hierdurch wird die Tauglichkeit
der Wohnung zu vertraglich festgelegten Zwecken beeinträchtigt und der rechtliche Konflikt ausgelöst.
16 Denn grundsätzlich sind auch Konflikte aus Dauerschuldverhältnissen, die bei Abschluss der
Rechtsschutzversicherung bereits bestanden haben, versichert, soweit nicht der maßgebliche Grund im
Vertragsschluss selbst liegt (Harbauer, ARB-Kommentar § 14 ARB 75 Rn.46). Dies wäre aber vorliegend nur
der Fall, wenn um die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Vertrages wegen arglistiger Täuschung gestritten
würde. Dass im Abschluss des Mietvertrages bzw. im Eintritt der Klägerin in diesen derartige Gründe vorlagen,
ist jedoch nicht Streitgegenstand im Verfahren der Klägerin gegen die Mieterin …. Vielmehr streiten die
Parteien dort um das Recht der Mieterin, einen geminderten Mietzins zu zahlen, da in ihrer Wohnung im
versicherten Zeitraum Mängel aufgetreten seien.
17 Dieses Ergebnis wird auch durch Überlegungen zum Zweck des § 4 Abs.1 Satz 1 c ARB 2000 bestätigt. Diese
Vorschrift soll vor allem sog. Zweckabschlüssen vorbeugen. Es soll verhindert werden, dass der Versicherer
für Kosten einstehen muss, die aus rechtlichen Auseinandersetzungen herrühren, mit deren Eintritt der
Versicherungsnehmer bei Stellung des Versicherungsantrags bereits konkret rechnen musste (BGH VersR
1984, 530), der Rechtsstreit gewissermaßen bereits vorprogrammiert war. Die Klägerin hat aber weder mit
Hinblick auf die gerichtliche Auseinandersetzung mit ihrer Mieterin den Versicherungsantrag gestellt, noch
wusste sie zu diesem Zeitpunkt, dass die streitgegenständliche Wohnung mit Baumängeln behaftet sein
könnte.
18 Zuletzt sprechen auch Gerechtigkeitserwägungen für den entwickelten Lösungsansatz. Klagt in der
umgekehrten Situation der Mieter wegen einer Schimmelbildung in seiner Wohnung, die er auf bauliche Mängel
des Hauses zurückführt, gegen seinen Vermieter, so würde er nach Ansicht der Beklagten niemals eine
Deckungszusage seiner Rechtsschutzversicherung erlangen, wenn der Zeitpunkt des Abschlusses des
Versicherungsvertrages nach Abschluss des Mietvertrages liegt. Dies wäre jedoch mit dem Grundgedanken
einer Rechtsschutzversicherung nicht vereinbar, denn dies würde den Mietvertragsparteien in den meisten
Fällen von Schimmelbildung, die zumindest von Seiten des Mieters immer auf Baumängel zurückgeführt
werden, den Versicherungsschutz nehmen. Gerade diese Streitfälle sollen aber von einer
Mietrechtsschutzversicherung erfasst werden.
19 Gleiches gilt grundsätzlich auch für die von Mieterseite behaupteten Schwarzablagerungen als Folge der
Fassadenrenovierung im Jahre 1999.
20 Anders als bei den Schimmelbildungen ist hier aber unklar, wann diese Ablagerungen erstmals aufgetreten sein
sollen. Die Mieterin spricht in ihrem Schreiben vom 27.01.2008 davon, dass die Schwarzfärbungen - seit
Jahren - auftreten; im Verfahren ... wird von der dortigen Beklagtenseite darauf abgestellt, dass die
Schwarzablagerungen bereits 1999 beanstandet worden seien.
21 Für das Gericht bleibt diese Frage damit offen. Es ist jedoch Aufgabe des Versicherungsnehmers, vorzutragen
und ggfs. nachzuweisen dass der Versicherungsfall im versicherten Zeitraum eingetreten ist (Prölls / Martin
a.a.O. Rn. 45) - da dies mit dem obigen Vortrag nicht erfolgte, war die entsprechende Klage abzuweisen.
22 Bei der Kostenentscheidung war eine Quotelung vorzunehmen, die sich an der - Wertigkeit - der behaupteten
Mängel orientierte; die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 92 Abs.1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.