Urteil des AG Lüdinghausen vom 14.06.2005

AG Lüdinghausen (stgb, fahrverbot, stpo, fahrzeug, ausnahme, geldstrafe, gegenverkehr, zweck, gefährdung, straftat)

Amtsgericht Lüdinghausen, 16 Cs 81 Js 583/05 67/05
Datum:
14.06.2005
Gericht:
Amtsgericht Lüdinghausen
Spruchkörper:
Strafkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 Cs 81 Js 583/05 67/05
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen fahrlässiger Gefährdung des
Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von
30 Tagessätzen zu je 50 €
verurteilt.
Ihm wird für die Dauer von 3 Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art
im Straßenverkehr zu führen, mit Ausnahme von Kraftfahrzeugen, deren
Fahrzweck die Durchführung von Geldtransporten ist.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften: §§ 315 c I Nr. 2 b, III Nr. 2, 44 StGB.
(G r ü n d e:
1
(abgekürzt gem. § 267 IV StPO)
2
Der Angeklagte ist straßenverkehrsrechtlich und auch sonst strafrechtlich bislang nicht
in Erscheinung getreten. Von Beruf ist er Geldtransportfahrer. Er fährt hier für ein
Sicherheitsunternehmen mit speziellen Transportwagen Geld-transporte und zwar
sowohl als Fahrer als auch als Beifahrer.
3
Am 18.01.2005 befuhr der Angeklagte gegen 08:10 Uhr in M mit seinem Pkw Z
(Kennzeichen: XXXXXX) unter anderem die
4
B 235. Im Abschnitt 37 bei Kilometer 1,600 überholte er trotz Gegenverkehrs um des
eigenen schnelleren Fortkommens willen vor einer Linkskurve einem vor ihm fahrenden
Lkw. Er übersah hier die ihm entgegenkommenden Kraftfahrzeuge. Insgesamt kamen
ihm drei Fahrzeuge entgegen, von denen es sich beim zweiten Fahrzeug um ein
Einsatzfahrzeug der Polizei M handelte. Der Angeklagte hatte zuvor erkannt, dass die
von ihm zu dieser Zeit befahrene Kurve unübersichtlich war, so dass er nicht
ausreichende Einsichtsmöglichkeiten hatte, um entgegenkommenden Fahrzeug
5
Verkehr rechtzeitig erkennen zu können. Der Angeklagte erkannte während des
Überholens den ihm entgegenkommenden Gegenverkehr, schaffte es jedoch weder
durch weiteres Gas geben, noch durch ein Abbremsen und beherztes Wiedereinscheren
hinter dem zu überholenden Lkw, dem Gegenverkehr auszuweichen, sondern wich
ruckartig nach links auf den Randstreifen aus, wo er mit seinem Fahrzeug verunfallte.
Ein Zusammenstoß hierbei mit den ihm entgegenkommenden Fahrzeugen konnten nur
deshalb vermieden werden, weil die Fahrzeugführer jeweils Vollbremsungen
durchführten und ruckartig nach links auswichen.
6
Der Angeklagte war umfassend geständig und dementsprechend wegen fahrlässiger
Gefährdung des Straßenverkehrs gem. §§ 315 c I Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 StGB zu
bestrafen. Bei den Reaktionen der dem Angeklagten entgegenkommenden
Kraftfahrzeugführer handelte es sich nicht mehr um noch verkehrs übliche Reaktionen
im Sinne der Entscheidung des OLG I2 VRR 2005 114. Vielmehr hatte sich die Situation
bereits so zugespitzt, dass die Voraussetzungen eines sogenannten "Beinaheunfalls"
(vergleiche hierzu BGH NJW 1995, 3131) vorlagen. Der Angeklagte handelte jedoch nur
leicht fahrlässig, da zu Beginn des Überholmanövers die ihm entgegenkommenden
Fahrzeuge nicht erkennbar für ihn waren. Gleichwohl hätte er aufgrund der
Unübersichtlichkeit der Überholsituation nicht überholen dürfen.
7
Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände
hielt das Gericht die Verhängung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 € für tat-
und schuldangemessen. Die Höhe eines jeden Tagessatzes ergibt sich aus den
wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen des Angeklagten.
8
Eine Fahrerlaubnisentziehung war zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr möglich.
Es lag insoweit nicht mehr der Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB vor. Vielmehr war
einerseits aufgrund der verstrichenen Zeit zwischen der Tatbegehung und der
Urteilsfindung, in der der Angeklagte weiter beanstandungslos am Straßenverkehr
teilgenommen hat und andererseits wegen der bloß leicht fahrlässigen
Begehungsweise des § 315 c StGB eine Ungeeignetheit zum Führen von
Kraftfahrzeugen nicht mehr feststellbar für das Gericht. Es war jedoch gem. § 44 Abs. 1
StGB ein Fahrverbot festzusetzen von insoweit angemessenen drei Monaten, da der
Angeklagte wegen einer Straftat verurteilt wurde, die er bei Zusammenhang mit dem
Führen eines Kraftfahrzeuges und unter Verletzung der Pflichten eines
Kraftfahrzeugführers begangen hat. Auf diese Warnungs- und Besinnungsstrafe für
nachlässige und leichtsinnige Kraftfahrer konnte das Gericht nicht verzichten. Dabei
reichte es für die volle Entfaltung der Warnungs- und Besinnungsstrafenfunktion aus,
dem Angeklagten das Führen sämtlicher Kraftfahrzeuge zu untersagen mit Ausnahme
der von ihm beruflich zu führenden Geldtransportfahrzeuge. Diese Fahrzeuge stellen
nach Ansicht des Gerichts eine Fahrzeugart im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 1 StGB dar. Mit
der Fahrzeugart im Sinne dieser Vorschrift ist gemeint die Fahrzeugart im Sinne der FeV
(ausführlich zu dem Verhältnis der FeV zu den strafrechtlichen Ausnahmeregelungen:
Dencker, DAR 2004, 54). Maßgeblich als Kriterium für die Beschreibung einer
Fahrzeugart i.S.d. §§ 44, 69 a Abs. 2 StGB ist folgerichtig der Verwendungszweck. So
wurden in der Vergangenheit beispielsweise als eigene Fahrzeugarten angesehen:
Rettungswagen der Feuerwehr (LG I DAR 1992, 191 f), als Pannenhilfsfahrzeuge
abgenommene Straßenwachtfahrzeuge des ADAC (LG I NZV 1992, 422) und
Feuerlöschfahrzeuge der ehemaligen Klasse 3 (BayObLG NZV 1991, 397; DAR 1991,
388ff. m.w.N) und dienstlich genutzte Kraftfahrzeuge der C (AG M DAR 2003, 328 =
9
NStZ-RR 2003, 248 = BA 2004, 361). In diese Reihe lassen sich auch ohne weiteres
Geldtransportfahrzeuge einreihen, die nicht nur baulich, sondern eben auch vom
Verwendungszweck her nur für den Ihnen eigenen Zweck zu nutzen sind.
Im Gegensatz zum Ausnehmen einzelner Fahrzeugarten nach §§ 69 a Abs.2 StGB bzw.
111 a Abs. 1 S. 2 StPO von der Sperre (hierzu ausführlich: Krumm, DAR 2004, 56;
Burhoff/Möller, VA 2003, 136) sind für § 44 StGB weitere Voraussetzungen nicht
normiert. Insbesondere bedarf es keiner Feststellung von Umständen, aus denen sich
ergibt, dass trotz Ausnahme der Zweck des § 44 StGB nicht gefährdet wird. Vielmehr ist
ausschließlich auf die erzieherische "Denkzettelfunktion" des § 44 abzustellen. Hier ist
zu berücksichtigen, dass die Fahrt des Angeklagten ausschließlich in privatem Kontext
stattfand. Zudem sind die vom Fahrverbot ausgenommen Fahrzeuge ohne jede
persönliche Funktion und Nutzbarkeit für den Angeklagten, so dass allenfalls die
Berufstätigkeit des Angeklagten durch ein Fahrverbot auf dem Spiel steht, nicht jedoch
eine weitere erzieherische Wirkung von einem umfassenden Fahrverbot ausgehen
würde, die über die Denkzettelwirkung der vorgenommenen beschränkten
Fahrverbotsanordnung hinausreicht.
10
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.
11