Urteil des AG Lüdinghausen vom 02.03.2010

AG Lüdinghausen (stgb, alkohol, trunkenheit, therapie, fahreignung, wiedererteilung, ausbildung, wiederherstellung, abschluss, eignung)

Amtsgericht Lüdinghausen, 9 Ds 82 Js 3375/09 - 111/09
Datum:
02.03.2010
Gericht:
Amtsgericht Lüdinghausen
Spruchkörper:
Strafgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Ds 82 Js 3375/09 - 111/09
Normen:
§§ 44, 69, 69a, 316 StGB
Leitsätze:
1. Von der Regelfahrerlaubnisentziehung nach einer Trunkenheitsfahrt
kann jedenfalls dann abgesehen werden, wenn seit der Tat und der
Führerscheinsicherstellung 10 Monate vergangen sind und der
Angeklagte in dieser Zeit durch intensive verkehrspsychologische
Maßnahmen (hier: IVT-Hö) seine Fahreignung wiederhergestellt hat.
2. In einem solchen Fall ist jedoch ein „deklaratorisches“ Fahrverbot
nach § 44 Abs. 1 S. 2 StGB festzusetzen.
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr
zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,00 € verurteilt.
Ihm wird für die Dauer von 3 Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art
im Straßenverkehr zu führen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Eine Entschädigung für die die Fahrverbotszeit überschießende Zeit der
Fahrerlaubnisentziehung / Führerscheinsicherstellung findet nicht statt.
Angewendete Vorschriften: §§ 316 I, II, 69, 69a StGB.
G r ü n d e :
1
(Abgekürzt gem. § 267 Abs. IV StP0).
2
Der strafrechtlich bislang noch nicht in Erscheinung getretene Angeklagte hatte am
Abend des 29.04.2009 zunächst mit der Reparatur eines Kraftfahrzeugs begonnen und
im Rahmen dieser Reparaturarbeiten erhebliche Mengen Alkohol getrunken. Im Laufe
der Nacht bestieg er dann seinen Lastkraftwagen mit dem Kennzeichen XX-XX XXX
3
und befuhr hiermit gegen 3.05 Uhr u.a. die E Straße in B. Zur Tatzeit wies er zumindest
eine Blutalkoholkonzentration von 2,57 o/oo auf und war dementsprechend absolut
fahruntüchtig.
Der Angeklagte war geständig und daher wegen fahrlässiger Trunkenheit im
Straßenverkehr gem. § 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB zu verurteilen. Unter Abwägung aller für
und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt das Gericht die für Ersttäter
einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt übliche Sanktionen eines Nettomonatsgehaltes
und damit von 30 Tagessätzen zu je 25,00 Euro für tat- und schuldangemessen.
4
Der Angeklagte hat sich zudem durch seine Tat als ungeeignet zum Führen von
Kraftfahrzeugen erwiesen, so dass ihm eigentlich hätte seine Fahrerlaubnis entzogen
und eine Sperrfrist festgesetzt werden müssen. Seit der Tat sind nunmehr jedoch über
10 Monate Zeit vergangen, in denen seine Fahrerlaubnis auch vorläufig entzogen bzw.
der Führerschein zuvor sichergestellt worden war. Der Angeklagte hat zudem dargelegt
und durch entsprechende Bescheinigungen auch nachgewiesen, dass er seit der Tat
abstinent lebt. Er hat unmittelbar nach der Tat durch seinen Hausarzt zunächst
regelmäßig Blutproben entnehmen lassen und später regelmäßige Harnproben
abgegeben. Zudem hat er sich in verkehrspsychologische Beratung begeben und
anerkannte verkehrsindividualpsychologische Verkehrstherapien des Anbieters "IVT-
Hö" durchgeführt.
5
Der Angeklagte selbst hat die Maßnahmen geschildert. Zudem hat das Gericht die Dipl.
Psychologin S , die als verantwortliche Verkehrstherapeutin die
verkehrspsychologischen Maßnahmen durchgeführt hat als sachverständige Zeugin
vernommen. Die Zeugin hat hier ausgeführt, der Betroffene habe sich zunächst nach
einem intensiven Beratungsgespräch für die Teilnahme an einer Therapiegruppe
entschieden. Er habe dann wöchentlich je 2 Stunden an einer Kleingruppensitzung
teilgenommen und zwar 14 Mal. Zusätzlich habe er ein Intensivseminar über 16
Stunden besucht. In diesen Therapiestunden sei deutlich geworden, dass der
Angeklagte ein verantwortungsbewusster Mensch sei, der Ängste und um sich reiten
bisher verdrängt habe. Er habe sich mit seinen Versagensängsten auseinandergesetzt
und den Ursprung der Ängste erkannt. Somit sei es ihm möglich, mit Unsicherheiten und
Ängsten in der Zukunft anders umzugehen. Er habe für sich die Funktion des Alkohols
erkannt und habe sich in der Verkehrstherapie alternative Handlungsweisen, die
zukünftig einen Missbrauch von Alkohol unnötig machen erarbeitet. Er habe engagiert
und konsequent in der Therapie mitgearbeitet und habe die Therapie erfolgreich
abgeschlossen, so dass nach Ansicht der Verkehrspsychologin ohne weiteres wieder
von dem Vorliegen einer Eignung im Straßenverkehr auszugehen sei. Insoweit ist auch
bekannt, dass die Maßnahme IVT-Hö nach einer Evaluation der Universität X eine hohe
Erfolgsquote aufweist, dass nämlich nur 6,4 % der Teilnehmer innerhalb der ersten 5
Jahre nach Abschluss der Maßnahme und der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis
wieder im Straßenverkehr mit Alkohol auffällig werden.
6
Die Verkehrspsychologin hat zudem ausgeführt, sie auch im Übrigen Maßnahmen zur
Wiederherstellung der Fahreignung nach § 70 FeV durch. Die von dem Angeklagten
absolvierten verkehrspsychologischen Maßnahmen seien derart umfangreich gewesen,
dass sie nahezu der Absolvierung eines solchen Kurses gleichstehen. Frau S erklärte
weiterhin, sie habe im Laufe ihrer Ausbildung für die Verkehrstherapie an über 30
medizinisch psychologischen Untersuchungen teilgenommen und hospitiert.
7
Das Gericht nimmt daher nicht nur an, dass die Ungeeignetheit zum Führen von
Kraftfahrzeugen nicht mehr feststellbar ist, sondern vielmehr gar die Geeignetheit des
Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen trotz seiner Tat nach der
Zeugenvernehmung der sachverständigen Zeugin S positiv festgestellt ist. Das Gericht
ist sich hier der hohen Tatzeit-BAK bewusst – angesichts der dargestellten
verkehrspsychologischen Maßnahmen war dies aber kein Hindernis im Rahmen der
Entscheidung über die Voraussetzungen der §§ 69, 69a StGB. Hierzu beigetragen hat
auch die Zeit der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung bzw. der Sicherstellung des
Führerscheins des Angeklagten.
8
Diese Maßnahmen begannen bereits am Tattage. Der Angeklagte hat hierzu ausgeführt,
dass er seit dieser Zeit täglich mit seinem Fahrrad etwa 40 km Arbeitsweg fahren müsse
und dies auch jeden Tag getan habe. Er habe zudem in seinem beruflichen
Fortkommen Einbußen hinnehmen müssen, da er bei Beförderungen innerhalb des
Betriebs aufgrund mangelnder Flexibilität ohne Fahrerlaubnis nicht zum Zuge
gekommen sei. Folgerichtig reicht es nach Ansicht des Gerichtes aus, das
Regelfahrverbot des § 44 Abs. 1 Satz 2 StGB – deklaratorisch - festzusetzen und nicht
die Fahrerlaubnis nach §§ 69, 69 a StGB zu entziehen.
9
Es wird insoweit auf die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf, DAR 2008, 597
Bezug genommen, die einen ähnlichen Fall betraf.
10
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.
11