Urteil des AG Lüdinghausen vom 08.12.2009

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Amtsgericht Lüdinghausen, 9 Ds 82 Js 5515/09-156/09
Datum:
08.12.2009
Gericht:
Amtsgericht Lüdinghausen
Spruchkörper:
Strafgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Ds 82 Js 5515/09-156/09
Normen:
§ 69a Abs. 2 StGB
Leitsätze:
1. Ausschlaggebend für das Ausnehmen einer Fahrzeugart von der
Sperre ist das Vorliegen einer Gefahrenabschirmung.
2. An einer ausreichenden Gefahrenabschirmung fehlt es, wenn
keinerlei Kontrollen des Arbeitgebers vor Fahrtantritt mit der
auszunehmenden Fahrzeugart stattfinden.
3. An einer Gefahrenabschirmung fehlt es auch, wenn bei einer
hypothetischen BAK-Berechnung auf den Zeitpunkt des üblichen
Fahrtantritts mit den auszunehmenden Fahrzeugarten sich noch ein
BAK-Wert von 0,7 Promille ergibt – allenfalls geringste
Restalkoholmengen von weniger als 0,3 o/oo sind hier zur Zeit des
üblichen Fahrtantritts tolerierbar.
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr
zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen in Höhe von jeweils 15 Euro
verurteilt.
Ihm wird die Fahrerlaubnis entzogen. Sein Führerschein wird
eingezogen. Vor Ablauf von noch 5 Monaten darf ihm keine neue
Fahrerlaubnis erteilt werden.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften: §§ 316 I, 69, 69a StGB.
G r ü n d e: (Abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
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Der bereits wegen eines anderen (aber nicht im Straßenverkehr begangenen)
Alkoholdelikts vorbestrafte Angeklagte befuhr am 11.07.2009 gegen 20:55 Uhr mit
einem privaten Pkw der Marke Q in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand u. a. die S
in M. Er hatte zuvor in seinem Kleingarten und bei einem Hundesportverein Alkohol in
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erheblicher Menge getrunken. Zur Tatzeit wies er zumindest eine
Blutalkoholkonzentration von 2,0 o/oo auf. Diesen Wert ergab die ihm nach Anhalten
durch die Polizei um 21.27 Uhr entnommene Blutprobe. Der Angeklagte hätte erkennen
können und müssen, dass er alkoholbedingt fahruntüchtig war.
Der Angeklagte war umfassend geständig. Der Blutalkoholbefund konnte gem. § 256
Abs. 1 Nr. 4 StPO urkundsbeweislich verlesen werden und ergab den o.g. Wert.
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Der Angeklagte war dementsprechend wegen fahrlässiger Trunkenheit im
Straßenverkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB zu bestrafen. Unter Abwägung aller für und
gegen ihn sprechenden Umstände hielt das Gericht die Verhängung einer Geldstrafe
von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro für tat- und schuldangemessen. Die Tagessatzhöhe
bemisst sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen.
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Zudem war die Fahrerlaubnis zu entziehen und eine Sperrfrist anzuordnen nach §§ 69,
69 a StGB. Der Angeklagte hat sich nämlich als ungeeignet zum Führen von
Kraftfahrzeugen erwiesen, § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB.
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Der Angeklagte hat angeregt, von der Sperre "Sattelkippzüge mit einem zulässigen
Gesamtgewicht von 40 Tonnen" auszunehmen. Eine solche Ausnahme ist zwar nach §
69a Abs. 2 StGB grundsätzlich möglich, wenn besondere Umstände vorliegen, die die
Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.
Erforderlich ist damit eine feststellbare Abschirmung der Gefährdung des
Maßregelzwecks und damit der Gefährdung des Straßenverkehrs, die zunächst einmal
"per se" durch einen ungeeigneten Kraftfahrzeugführer besteht (hierzu etwa BayObLG
NZV 1991, 397; Geppert in: LK, StGB, 12. Aufl., § 69a StGB, Rn. 10; Hentschel/Krumm,
Fahrerlaubnis und Alkohol, 5. Aufl. 2010, Rn. 592). Eine solche objektive oder
subjektive Gefahrenabschirmung konnte das Gericht auch nicht nach der
Zeugenvernehmung der Arbeitgeberin des Angeklagten feststellen.
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Der Angeklagte hat zwar seinen Arbeitsplatz aufgrund der vorläufigen
Fahrerlaubnisentziehung im hiesigen Verfahren verloren und könnte diesen nach
Aussage seiner Arbeitgeberin sofort wieder erlangen, wenn die genannten Fahrzeuge
von der Sperrfrist ausgenommen würden. Der Angeklagte tritt aber morgens regelmäßig
bereits um 4.00 Uhr früh seine Arbeit an. Selbst bei großzügigster Rückrechnung mit
einem Maximalabbau von 0,2 o/oo pro Stunde hätte der Angeklagte am Tage nach der
hier abgeurteilten Trunkenheitsfahrt zur Zeit des Fahrtantrittes mit einem Lkw noch eine
Blutalkoholkonzentration von etwa 0,7 o/oo aufgewiesen (BAK von 2.0 o/oo um 21.27
abzüglich 6 ½ Stunden Abbau von stündlich je max. 0,2 Promille). Bei realistischen
mittleren Abbauwerten von etwa 0,15 o/oo pro Stunde wäre der Anklagte gegen 4 Uhr
morgens sogar noch am Rande der absoluten Fahruntüchtigkeit gewesen. Bereits dies
macht deutlich, dass eine Gefahrenabschirmung nicht aus einer Abgrenzung
Privatfahrt/Dienstfahrt entnommen werden kann – allenfalls geringste
Restalkoholmengen von weniger als 0,3 o/oo wären hier zur Zeit des üblichen
Fahrtantritts tolerierbar. Zudem finden keine Kontrollen vor Arbeitsantritt oder während
der Arbeit statt. Vielmehr haben der Angeklagte und seine Arbeitgeberin erklärt, die
Fahrzeugschlüssel und Fahrzeugpapiere würden in einem Container bei dem
Fahrzeugpark verwahrt, der morgens von dem ersten Fahrer aufgeschlossen werde.
Jeder Fahrer nehme sich dann eigenständig ohne weitere Kontrolle durch Dritte seinen
Fahrzeugschlüssel und die Fahrzeugpapiere und führe die ihm aufgegebenen Fahrten
durch. Unter diesen Umständen kann das Gericht eine Gefahrenabschirmung im
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vorbeschriebenen Sinne nicht feststellen und folgerichtig auch nicht zu einem
Ausnehmen einer Fahrzeugart von der Sperre kommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.
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