Urteil des AG Lüdinghausen vom 23.02.2006

AG Lüdinghausen: bewährung, geldstrafe, vollstreckung, beschimpfung, zukunft, stempel, wohnung, urkundenfälschung, gefährdung, toleranz

Amtsgericht Lüdinghausen, 7 Ls 540 Js 1309/05 31/05
Datum:
23.02.2006
Gericht:
Amtsgericht Lüdinghausen
Spruchkörper:
Strafgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Ls 540 Js 1309/05 31/05
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen Beschimpfung von Bekenntnissen zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften: § 166 StGB
G r ü n d e:
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I. Zur Person:
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Der Angeklagte ist geschieden und Vater von vier Kindern, welche mittlerweile sämtlich
erwachsen sind. Er ist derzeit arbeitslos. Ein vor kurzem gestellter Rentenantrag wurde
abgelehnt. Zuvor war er im Bereich Bauleitung und Projektmanagement tätig, obgleich
er keine entsprechende Berufsausbildung durchlaufen, sondern vielmehr den Beruf des
Bankkaufmannes erlernt hatte. Als Bauleiter und Projektmanager war er viele Jahre in
islamisch geprägten Ländern tätig.
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Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
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1.
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Im Jahre 1972 verurteilte ihn das Amtsgericht B wegen gewerbsmäßiger Hehlerei,
Betruges, Urkundenfälschung und Vergehen gegen das Waffengesetz zu einer
zweijährigen Freiheitsstrafe.
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2.
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Das Amtsgericht L2 verurteilte ihn wegen Betäubungsmitteldelikten und Steuerhehlerei
im Jahre 1973 zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe.
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3.
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Das Amtsgericht N2 verurteilte ihn wegen fortgesetzter Umsatzsteuerhiterziehung pp. im
Jahre 1978 zu einer Geldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 30,00 DM.
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4.
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Das Amtsgericht L2 verurteilte ihn wegen Urkundenfälschung pp. im Jahre 1985 zu
einer Geldstrafe von 50 Tagssätzen zu je 30,00 DM.
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5.
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Wegen C-Straße pp. verurteilte ihn das Amtsgericht F 1993 zu einer Geldstrafe von 30
Tagessätzen zu je 50,00 DM.
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6.
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Das Amtsgericht L2 verurteilte ihn im Jahre 1995 wegen Steuerdelikten zu einer
Geldstrafe von 70 Tatessätzen zu je 30,00 DM.
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7.
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Das Landgericht L2 verurteilte ihn 1996 u.a. wegen falscher Verdächtigung und einem
Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren.
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8.
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Wegen gemeinschaftlicher Brandstiftung und umweltgefährdender Abfallbeseitigung
verurteilte ihn das Landgericht L2 im Jahre 1998 zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe,
wobei die Entscheidung zu Ziffer 7) einbezogen wurde. Nach teilweiser
Haftvollstreckung wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit
endete einen Tag nach dem Hauptverhandlungstermin in der hiesigen Sache.
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9.
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Das Amtsgericht N verurteilte ich im Jahre 2004 zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe
wegen versuchten Fahrraddiebstahls. Hier kam es zu einer Bewährungsaussetzung.
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Dementsprechend stand der Angeklagte sowohl wegen der Verurteilung zu Ziffer 8) als
auch wegen der Verurteilung zu Ziffer 9) unter laufender Bewährungsaufsicht.
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II. Zur Sache:
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1.
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Im Juli 2005 verfasste der Angeklagte folgenden Text, den er unter Beifügung jeweils
eines mit einem Stempelaufdruck "KORAN, DER HEILGE QUR-AN" versehenen
Blattes Toilettenpapier an cirka 15 Moscheen, Fernsehsender und
Nachrichtenmagazine versandte:
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"Hallo Mitbürger,
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ganz nach dem Vorbild des Religionsgründers Mohammed haben islamische
Terroristen einen Anschlag in London verübt. Er reiht sich in eine Vielzahl ähnlicher
Anschläge, denen bereits hunderte europäische und deutsche Männer, Frauen und
Kinder zum Opfer gefallen sind. Der Koran, dieses Kochbuch für Terroristen, enthält
viele Textstellen, die zu diesen Gewalttaten aufrufen. Die Täter vollziehen also das
nach, was ihnen der Koran vorgibt und in den Moscheen gelehrt wird. Neuer Höhepunkt
war auch der Mord an dem holländischen Filmemacher van Gogh, der nur dafür
ermordet wurde, dass er seine bürgerlichen Grundrechte in Anspruch nahm. Die Opfer
dieser Terroranschläge dürfen nicht vergessen werden. Deshalb beabsichtigen wir eine
Gedenkstätte für alle Opfer des islamischen Terrors der Vergangenheit und der Zukunft
zu errichten. Sie soll durch Spenden finanziert werden. Wir haben deshalb
Klopapierrollen mit dem Koranaufdruck versehen lassen, die käuflich zu erwerben sind.
Ein Muster ist angefügt. Der Kaufpreis beträgt 4 Euro. Davon werden 2 Euro für die
Errichtung des Mahnmals verwendet. Wir bitten Sie, unser Anliegen zu unterstützen.
Bestellungen können aufgegeben werden entweder per Mail an: ####@##.## oder per
FAX ####1 –........"
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Ein weiteres Exemplar des Textes übersandte der Angeklagte an den gesondert
Verfolgten G in C, der den Text in ein von ihm betriebenes Religionsforum ins Internet
einstellte.
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Der Angeklagte selbst veröffentlichte das Verkaufsangebot in verschiedenen
Internetforen.
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2.
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Der Angeklagte hatte zunächst versucht durch wenig konkrete Angaben seine
Täterschaft in Abrede zu stellen und behauptet, eine Studentengruppe habe diese
Aktion ins Leben gerufen.
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Diese Einlassung hat das Gericht nicht geglaubt und hat dem Angeklagten dies auch zu
verstehen gegeben. Hiergegen sprach u.a.
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die Auffindesituation des Stempels und es Toilettenpapiers im Rahmen der
Wohnungsdurchsuchung der Wohnung des Angeklagten (er hatte das
Toilettenpapier an seinen Schreibtisch geklebt; der Stempel lag offen an dem B-
Platz des Angeklagten in seiner Wohnung),
die Erklärung des Angeklagten, bei dem in Augenschein genommenen an das
XXX gerichteten Briefumschlag handele es sich um einen solchen, den er mit
seiner Handschrift adressiert hatte
die Tatsache, dass der bei dem Betroffenen beschlagnahmte Stempel ein
genaues Abbild des Deckblattes des von dem Angeklagten im Rahmen des
Hauptverhandlungstermins vorgelegten und sodann vorübergehend
beschlagnahmten Koranexemplars des Angeklagten darstellte.
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Dementsprechend hat der Angeklagte sein Einlassungsverhalten nach kurzer
Sitzungsunterbrechung geändert und die Tat umfassend und glaubhaft zugestanden. Er
hat hierzu durch seinen Verteidiger erklären lassen, der Anklagevorwurf stimme
vollends. Er bedauere die Folgen seines Verhaltens. Der Angeklagte bestätigte auf
Nachfrage ausdrücklich die Richtigkeit der Erklärung seines Verteidigers.
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3.
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Der Angeklagte war dementsprechend gemäß § 166 StGB zu bestrafen. Die seitens des
Angeklagten geübte Islamkritik stellte ein "Beschimpfen" im Sinne dieser Vorschrift dar.
Maßstab dafür, ob eine Äußerung nach ihrem objektiven Aussagegehalt eine
Beschimpfung ist, ist nicht das Verständnis und religiöse Gefühl der überzeugten
Anhänger des betreffenden Bekenntnisses, vielmehr kommt es nur darauf an, ob sich
nach dem objektiven Urteil eines auf religiöse Toleranz bedachten Beurteilers in der
Äußerung eine so erhebliche Herabsetzung des Bekenntnisses anderer finden lässt,
dass sie als eine Gefährdung des öffentlichen Friedens gelten kann (so. z.B. OLG D
NJW 1986, 1275; OLG L NStZ 1986, 363).
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Unter dieser Voraussetzung sind entsprechende Äußerungen auch nicht mehr durch
das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt, zumal § 166 StGB selbst wieder
grundrechtsschützenden Charakter hat (vgl. OLG D, NJW 1986, 1275).
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Während der Angeklagte im Ermittlungsverfahren behauptet hatte, es handele sich bei
dem Toilettenpapier um eine "Kunstaktion", hat er diese Behauptung im Rahmen der
Hauptverhandlung nicht mehr aufgestellt, sondern letztlich nur noch glaubhaft erklärt,
dass es sich bei seiner Aktion um eine Handlung im Rahmen akuter Betroffenheit nach
der Ermordung eines holländischen Filmemachers gehandelt habe.
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Aus der zugestandenen Tatsache, dass das gestempelte Toilettenpapier vor allem an
islamische Einrichtungen gesandt wurde, entnimmt das Gericht, dass es dem
Angeklagten eben nicht nur um eine Meinungsäußerung oder die Darstellung eines
Kunstwerkes gegangen sein kann, sondern vielmehr, dass das bedruckte
Toilettenpapier mit dem oben dargestellten Anschreiben nur noch einen
"beschimpfenden Charakter" hatte und dies auch so beabsichtigt war. Durch die
Versendung des Toilettenpapiers an zahlreiche Stellen ist das ebenfalls von einem
entsprechenden Vorsatz getragene Merkmal des Verbreitens erfüllt.
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Auch die von dem Angeklagten billigend in Kauf genommene Eignung, den öffentlichen
Frieden zu stören, ist zu bejahen.
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Hierfür genügt es nämlich, dass das Beschimpfen nach Inhalt und Art der Äußerung und
nach den konkreten Fallumständen die begründete Befürchtung rechtfertigt, dass das
Vertrauen der Betroffenen in die Respektierung ihrer religiösen und weltanschaulichen
Überzeugung erschüttert oder jedenfalls beeinträchtigt werden kann oder das bei Dritten
die Intoleranz gegenüber Anhängern des beschimpften Bekenntnisses gefördert wird
(vgl. z. B. OLG D NJW 1986, 1276, OLG L NStZ 1986, 363, OLG L2 NJW 1982, 657).
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4.
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Bei der Strafzumessung hat das Gericht insbesondere das Geständnis des Angeklagten
und dessen Unrechtseinsicht strafmildernd gewertet. Es war zudem zu seinen Gunsten
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zu berücksichtigen, dass er selbst von den Folgen seiner Tat eingeholt wurde: aufgrund
erheblicher Bedrohungen und einer akuten Gefährdungslage lebt der Angeklagte nicht
mehr unter seiner bisherigen Wohnanschrift, sondern hält sich an wechselnden
Aufenthaltsorten auf, um nicht weiter identifiziert werden zu können.
Strafschärfend waren vor allem die erheblichen Vorstrafen des Angeklagten zu werten
und die Tatsache, dass er sich zweifach unter laufender Bewährung befand.
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Die öffentliche Resonanz, die das Verfahren gefunden hat, hat das Gericht dagegen
nicht in seine Strafzumessungserwägungen eingestellt, da die Resonanz letztlich durch
den Angeklagten bei der Tatbegehung nicht beabsichtigt war.
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Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt das
Gericht daher die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr für tat- und
schuldangemessen.
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Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden. Das
Gericht geht nämlich davon aus, dass der Angeklagte sich allein die Verurteilung zur
Warnung dienen lassen und in Zukunft straffrei leben wird. Zwar hat der Angeklagte
seine Taten während zweier laufender Bewährungen begangen, doch handelte es sich
hier nicht um einschlägige Taten. Nicht nur das Gerichtsverfahren, sondern auch die
erhebliche Gefährdungslage seiner Person hat den Angeklagten erkennbar stark
beeindruckt. Das Gericht geht insoweit zwar davon aus, dass der Angeklagte sich auch
weiterhin religionskritisch äußern und seine Ansichten gegebenenfalls sogar öffentlich
verbreiten wird; das Gericht glaubt aber aufgrund des Einlassungsverhaltens des
Angeklagten, dass er aufgrund seiner bisherigen Erlebnisse nicht nochmals die Grenze
des "Beschimpfens" i.S.d. § 166 StGB überschreiten wird.
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Eine Vollstreckung der Freiheitsstrafe erschien auch nicht zur Verteidigung der
Rechtsordnung i.S.d. § 56 Abs. 3 StGB geboten, da die Frage der Strafhöhe und auch
der Verhängung einer Freiheitsstrafe primär an das Vorstrafenregister des Angeklagten
anknüpft.
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5.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.
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