Urteil des AG Lüdinghausen vom 23.01.2009

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Amtsgericht Lüdinghausen, 19 OWi 89 Js 1585/08 - 146/08
Datum:
23.01.2009
Gericht:
Amtsgericht Lüdinghausen
Spruchkörper:
Strafgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 OWi 89 Js 1585/08 - 146/08
Leitsätze:
1. Die Geschwindigkeitsmessung mittels des Messgerätes ES 3.0 des
Herstellers eso ist standardisiertes Messverfahren im Sinne der
Rechtsprechung des BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081
2. Ein Absehen von einem Regelfahrverbot nach einem grob
pflichtwidrigen Geschwindigkeitsverstoß ist selbst bei Vorliegen
etwaiger Härten dann nicht möglich, wenn zugleich ein Fall der
Beharrlichkeit vorlag.
Tenor:
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit
zu einer Geldbuße von 125 EUR verurteilt.
Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten,
Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach
Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens
jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der
Betroffene.
(§§ 41 II, 49 StVO, 24, 25 StVG).
G r ü n d e :
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Der Betroffene ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Von Beruf ist er Vertriebsleiter.
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Zu seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen hat er auf ausdrückliche
Nachfrage des Gerichts angegeben, dass diese gesichert seien und zwar so, dass es
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weder zu einer Herabsetzung des im Bußgeldbescheid verhängten Bußgeldes, noch zu
einer Ratenzahlung allein auf Grund der wirtschaftlichen und persönlichen
Verhältnissen kommen muss.
Ausweislich des Verkehrszentralregisterauszuges ist der Betroffene
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wie folgt vorbelastet:
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Am 09.07.2007 (Rechtskraft: 25.07.2007) setzte die Stadt M gegen den Betroffenen
wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes vom 13.06.20007 in M als Pkw-Fahrer eine
Geldbuße von 110 Euro fest. Der Betroffene war statt zulässiger 60 km/h außerhalb
geschlossener Ortschaften mit einer Geschwindigkeit von 92 km/h, also 32 km/h zu
schnell gefahren. Zudem war ein tateinheitlich hiermit begangener Abstandsverstoß
erfolgt. Der Betroffene hatte bei der Geschwindigkeit von 92 km/h den erforderlichen
Sicherheitsabstand von 46 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten,
sondern nur einen Abstand von 20,6 m und damit weniger als 5/10 des halben
Tachowertes eingehalten.
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Am 09.05.2008 befuhr der Betroffene gegen 9.05 Uhr in M außerorts die B ### im
Bereich des Hauses Gaststätte T. Er war hier der Führer eines PKW mit dem amtlichen
Kennzeichen W – XXXXXXX Geschwindigkeitsbegrenzungen sind hier nicht
beschildert. Die somit zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug für PKW 100 km/h. Der
Betroffene wurde hier von der Messanlage des Typs es 3.0 des Herstellers eso erfasst
und gemessen. Dieses eichfähige Messsystem zur Geschwindigkeitsmessung war zur
Tatzeit gültig geeicht und wurde von dem Zeugen M am Tattage nach den
Herstellervorschriften in der Bedienungsanleitung des Messsystems aufgebaut. Der
Betroffene wurde von der Geschwindigkeitsmessanlage mit einer Geschwindigkeit von
147 km/h gemessen und bei der Überschreitung der Geschwindigkeit fotografiert. Nach
Abzug des erforderlichen Sicherheitsabschlages von 5 km/h ergab sich in soweit eine
vorwerfbare Geschwindigkeit von 142 km/h und somit eine Überschreitung von 42 km/h.
Der Betroffene hätte seine Geschwindigkeit auf die absolute Höchstgeschwindigkeit
außerorts einrichten müssen.
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Der Betroffene hat sich durch seinen Verteidiger dahin eingelassen, er sei nicht der
Fahrer zum Tatzeitpunkt gewesen. Zwar handele es sich betriebsintern bei dem auf dem
Messfoto abgebildeten Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen W – XXXXXXX um
ein Fahrzeug, das ihm betriebsintern zugeordnet sei, doch würden innerhalb des
Betriebes die Fahrzeuge oft ihre Nutzer wechseln.
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Wenn in dem an seine Arbeitgeberin gerichteten Schreiben eine Mitarbeiterin der
Arbeitgeberin ihn als Fahrzeugführer bezeichnet habe und dieses Schreiben an die
Verwaltungsbehörde zurückgesandt habe, so sei es so, dass diese Mitarbeiterin damit
nur gemeint habe, dass üblicherweise er das Fahrzeug benutze. Die Mitarbeiterin habe
ihn als Vertriebsleiter gar nicht gekannt. Als möglichen anderen Nutzer des Fahrzeuges
hat der Betroffene einen H aus F bezeichnet, ohne jedoch konkret zu behaupten, dass
dieser auf dem Messfoto abgebildet ist oder auch dem Angeklagten ähnlich sieht.
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Das Gericht musste dementsprechend nicht weitere Ermittlungen zur Täterschaft
anstellen, als das Messfoto mit dem Gesicht des Betroffenen zu vergleichen.
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Das Gericht konnte sich so von der Fahrereigenschaft durch Inaugenscheinnahme des
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Messfotos Bl. 3 d.A. überzeugen. Das Messfoto zeigt den Betroffenen eindeutig als
Fahrzeugführer zur Tatzeit. Das Gesicht des Betroffenen und dessen Hals sind hier gut
erkennbar. Sichthindernisse sind nur unwesentlich vorhanden:
Nur der Haaransatz des Betroffenen ist durch den Fahrzeuginnenspiegel auf dem
Messfoto verdeckt.
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Das Gesicht (Mund, Nase, Augen, Stirn, rechtes Ohr) ist aber sehr wohl detailliert,
konturiert und kontrastiert erkennbar.
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Es handelt sich damit um ein qualitativ gutes Lichtbild. Daher wird gem. § 267 Abs. 1 S.
3 StPO auf das vorbezeichnete Messfoto verwiesen.
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Die durch das Messgerät angezeigte Geschwindigkeit konnte ebenfalls durch
Inaugenscheinnahme des Messfotos (Bl. 3 der Akte) und Verlesung der in das Messfoto
"eingespielten" Zahlen und Daten im Datenfeld des Messfotos festgestellt werden. Hier
ließ sich eine Geschwindigkeit von 147 km/h ablesen. Insoweit wurde ergänzend das
Messprotokoll 92 vom Tattage verlesen, aus dem sich ergab, dass keinerlei
Besonderheiten bei der Messung zu verzeichnen waren. Der Zeuge erklärte, dass das
Messgerät zur Tatzeit gültig geeicht gewesen sei. Bestätigt werden konnte dies durch
Verlesung des sich bei der Akte der befindenden Eichscheins, der eine
ordnungsgemäße Eichung vom 07.03.2008 gültig bis zum 31.12.2009 auswies.
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Anhaltspunkte für etwaige Messfehler oder Fehlbedienungen sind dem Gericht nicht
bekannt geworden und wurden auch nicht geltend gemacht, so dass es nach den oben
genannten Feststellungen von einer ordnungsgemäßen und verwertbaren Messung
ausgehen konnte. Bei der mobilen Geschwindigkeitsmessanlage ES3.0 handelt es sich
um einen sog. Einseitensensor des Herstellers eso. Die Grundausstattung des ES3.0
besteht aus einem Sensorkopf auf Stativ, einer Rechnereinheit mit Messkarte, einem
berührungsempfindlichen Bildschirm, einer digitalen Fotoeinrichtung des Typs FE3.0
sowie entsprechendem Zubehör. Zur Verbesserung der Ausleuchtung des
Fotobereichs, insbesondere bei Dunkelheit, wird eine Blitzeinheit BE1.1 verwendet. Mit
dem System können Geschwindigkeitsmessungen mit Frontfotodokumentation zur
Fahreridentifikation entweder gleichzeitig in beide Fahrtrichtungen (zu- und abfließend)
oder für mehrere Spuren durchgeführt werden. Die Einzelmesswerte, die gleich oder
größer als ein vorgewählter Geschwindigkeitsgrenzwert (im vorliegenden Falle: 63
km/h) sind, bleiben im Rechner gespeichert und können per Speichermedium (USB2.0
Stick) auf einen anderen Rechner übertragen werden. Die Speicherung auf dem
Speichermedium erfolgt automatisch bei Messende. Den Kern der Anlage bildet der
Sensorkopf mit 5 optischen Helligkeitssensoren. Drei der fünf Sensoren überbrücken die
Straße rechtwinklig zum Fahrbahnrichtungsverlauf, der vierte und fünfte dagegen schräg
versetzt. Die Sensorebene mit allen fünf Sensoren ist in der Regel parallel zur Fahrbahn
ausgerichtet, wobei die Blickrichtung des Sensors über die Straße je nach
Einsatzbedingung auch abweichen kann. Das Messprinzip beruht bei dem ES3.0 auf
einer"Weg - Zeitmessung". Die Geschwindigkeit v eines Fahrzeuges ergibt sich dabei
aus der Messbasis s und der Zeit t, in der das zu messende Fahrzeug die Messbasis
durchfährt. Bei der Durchfahrt wird in jedem der 5 Sensoren ein Helligkeitsprofil des
gemessenen Fahrzeugs erfasst, digitalisiert und gespeichert. Aus den abgetasteten
Helligkeitsprofilen der drei parallelen Sensoren wird der zeitliche Versatz ermittelt, um
dann die Geschwindigkeit zu errechnen. Der Einseitensensor ES3.0 arbeitet
vollautomatisch, nachdem er nach den Herstellerangaben entsprechend der
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Bedienungsanleitung aufgebaut wird (weitere Einzelheiten zum Messsystem: Grün in:
Burhoff/Neidel/Grün, Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen im Straßenverkehr, 1.
Aufl. 2007, Rn. 470 ff).
Nach alledem geht das Gericht davon aus, dass es sich bei dem Einseitensensor ES3.0
um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne von BGHSt 39, 291 =
NJW 1993, 3081 handelt. Unter diesem Begriff ist ein durch Normen vereinheitlichtes
(technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit
und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche
Ergebnisse zu erwarten sind (BGH NJW 1998, 321). Es ist insoweit auf die
Ausführungen des OLG Stuttgart zum Vorgängermodell ES1.0 des hier genutzten
Messsystems in NJW-Spezial 2008, 75 = VRR 2007, 476 [Deutscher] zu verweisen.
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Der Betroffene war dementsprechend wegen fahrlässiger Überschreitung der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit und folgerichtig wegen einer Ordnungswidrigkeit
nach §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen, da er die aufgestellten Schilder
hätte beachten und seine Geschwindigkeit hierauf hätte einstellen müssen.
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Die hierfür im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße war aufgrund der
Voreintragungen angemessen auf 125 € zu erhöhen.
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Ferner war ein einmonatiges Fahrverbot als Regelfolge unter Gewährung der Schonfrist
nach § 25 Abs. 2a StVG festzusetzen.
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Ein Absehen von diesem Regelfahrverbot kam nicht in Betracht. Dieses scheiterte
insbesondere daran, dass neben der groben Pflichtverletzung auch eine beharrliche
Pflichtverletzung angenommen werden konnte, wie ein Blick auf die oben genannte
Voreintragung ergibt.
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Aufgrund der Überschreitung der absoluten Höchstgeschwindigkeit am Tattage schied
auch ein sogenanntes Augenblickversagen aus. Eine Erhöhung der Geldbuße unter
gleichzeitigem Absehen vom Fahrverbot nach § 4 Abs.4 BKatV kam für das Gericht
nicht in Betracht. Auch hier ist darauf zu verweisen, dass gleichzeitig eine grobe und
eine beharrliche Pflichtverletzung des Betroffenen gegeben war.
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Auf Nachfrage hat der Betroffene auch keinerlei Härten geltend machen können, die
über die üblichen Probleme infolge eines Fahrverbotes hinausgehen. Der Betroffene
erklärte, er sei Vielfahrer und fahre 80 Tsd. km pro Jahr mit seinem Pkw. Er habe etwa 5
Wochen Urlaub. Monatlich verdiene er 3500 Euro netto, habe jedoch Unterlagen zu
seinem Verdienst nicht dabei. Seine Ehefrau arbeite halbtags im öffentlichen Dienst und
verdiene hier etwa 1000 Euro netto pro Monat. Seine beiden Kinder seien bereits
erwachsen. Keines der Kinder befinde sich mehr in einer Ausbildung. Die Kinder seien
26 und 30 Jahre alt. Das Gericht geht insoweit davon aus, dass die Fahrverbots-
Verbüßung zwar für den Betroffenen unangenehm wird, jedoch keine unbillige Härte
darstellen wird, zumal er über den Antritt des Fahrverbotes infolge der gewährten
Schonfrist nach § 25 Abs. II a StVG disponieren kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO, 46 OWiG.
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