Urteil des AG Lüdenscheid vom 08.06.2005

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Amtsgericht Lüdenscheid, 5 F 56/05
Datum:
08.06.2005
Gericht:
Amtsgericht Lüdenscheid
Spruchkörper:
hat das Amtsgericht - Familiengericht - Lüdenscheid
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 F 56/05
Tenor:
Die am 13.08.1999 vor dem Standesbeamten in N (Heiratseintrag Nr.
##/####) geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.
Von dem bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen in N2 unter der
Versiche-rungsnummer ######### geführten Rentenkonto des
Antragsgegners werden auf das bei der Landesversicherungsanstalt
Westfalen in N2 unter der Versicherungsnummer ######### geführte
Rentenkonto der Antragstellerin Anwartschaften in der gesetzlichen
Rentenversicherung in Höhe von monatlich
40,91 € übertragen,
wovon 4,94 € zum Ausgleich unverfallbarer Anwartschaften des
Antragsgegners auf Leistungen aus einer Lebensversicherung gemäß §
3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG bestimmt sind.
Bezugszeitpunkt ist: 31.01.2005.
Die Umrechnung in Entgeltpunkte wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
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I. Ehescheidung
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Von der Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird abgesehen,
weil die Parteien hierauf sowie auf die Einlegung von Rechtsmitteln und
Anschlußrechtsmitteln verzichtet haben, § 624 Abs. 3 i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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II. Versorgungsausgleich
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dem Scheidungsauspruch auch der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich nach §§
1587 ff. BGB i. V. m. VAHRG zwischen den Parteien zu regeln. Deshalb hat das
Familiengericht über die laufenden Versorgungen sowie Anwartschaften und
Aussichten der Parteien auf Versorgung wegen Alters und verminderter
Erwerbsfähigkeit Auskünfte eingeholt. Auf diese Auskünfte, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind, wird verwiesen. Einwendungen gegen ihre
Richtigkeit hat keine Partei erhoben. Wegen des Vorbringens der Parteien zum
Versorgungsausgleich wird auf die eingereichten Formulare und Schriftstücke sowie auf
die Sitzungsniederschrift vom 08.06.2005 Bezug genommen.
Die Ehefrau hat gegen den Ehemann einen Anspruch auf Wertausgleich in Höhe von
40,91 € gemäß § 1587 a Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser Betrag entspricht der Hälfte des
Wertunterschiedes der von den Ehegatten während der Ehezeit erworbenen
versorgungsausgleichsrelevanten Rechtspositionen. Diese betragen für den Ehemann
166,63 € und für die Ehefrau 84,81 €.
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Diese Zahlen und die Ausgleichspflicht folgen aus der nachstehenden Ausgleichsbilanz
für die Ehezeit 01.08.1999 bis 31.01.2005. Diese erstreckt sich gemäß § 1587 Abs. 2
BGB von dem Beginn des Monats der Eheschließung bis zum Ende des Monats, der
dem Eintritt der Rechtshängigkeit vorausgeht. Wegen des Ehezeitbeginns wird auf das
Datum der Eheschließung gemäß obigem Tenor verwiesen. Der Scheidungsantrag ist
rechtshängig geworden durch seine Zustellung am 23.02.2005, §§ 622, 608, 253 Abs. 1,
261 Abs. 1 ZPO.
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Die Parteien haben jeweils - der Art nach gleichwertige - Anwartschaften auf
Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 2
BGB erworben, und zwar monatlich der Ehemann in Höhe von 156,74 € und die Ehefrau
in Höhe von 84,81 €.
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Darüber hinausgehend hat der Ehemann gemäß den Auskünften der M AG vom
02.05.2005 ein Versorgungsanrecht gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 5. a) BGB erworben, zu
dem das Deckungskapital für die beitragsfreie Differenzrente am Ende der Ehezeit
2.181,39 € betragen hat, während für den Zeitpunkt des Ehezeitbeginns insoweit kein
Deckungskapital vorhanden gewesen ist.
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Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Gerichts, derartige Anrechte gemäß
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§ 1587 a Abs. 2 Nr. 5 BGB zu bewerten, und nicht unter Bezugnahme auf den Begriff
"Deckungskapital" unmittelbar auf § 1587 a Abs. 3 Nr. 1 BGB abzustellen.
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Insbesondere ist diese Vorschrift nicht Spezialgesetz gegenüber § 1587 a Abs. 2 Nr. 5
BGB.
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Dem Wortlaut nach knüpft § 1587 a Abs. 3 BGB mit der Formulierung "...sowie in den
Fällen des Absatzes 2 Nr. 5..." unmittelbar an das in § 1587 a Abs. 2 Nr. 5 BGB
vorgesehene rechnerische Vorgehen an. Es ist damit methodisch unzulässig, dieses
rechnerische Vorgehen durch einen unmittelbaren Rückgriff auf das Deckungskapital zu
vermeiden.
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Außerdem ist § 1587 a Abs. 3 BGB ausschließlich eine Umrechnungsvorschrift zur
qualitativen Angleichung nicht vergleichbarer Versorgungsanrechte. Dieser
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Umrechnung muß jedoch dessen betragsmäßige Feststellung vorausgehen, was
gemäß
§ 1587 a Abs. 2 BGB und dort unter anderem nach Nr. 5 geschieht.
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Wortlaut und Systematik gebieten vor diesem Hintergrund die Berechnung nach
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§ 1587 a Abs. 2 Nr. 5 BGB und anschließend die Umrechnung gemäß § 1587 a Abs. 3
Nr. 1 BGB (im Ergebnis ebenso: Winter in: Soergel, 13. Aufl., § 1587 a BGB Rdnr. 333
bis 339; Hahne in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 1587 a BGB Rdnr. 228;
Münchener Kommentar, 4. Aufl., § 1587 a BGB Rdnr. 453; Rehme in: Staudinger, 12.
Aufl., § 1587 a BGB Rdnr. 402, 444).
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Das nach der maßgeblichen Berechnungsmethode II gemäß dem Vordruck VE 3 für die
beitragsfreie Differenzrente am Ende der Ehezeit maßgebliche Deckungskapital von
2.181,39 € ist mit dem Produkt aus aktuellem Rentenwert, der gemäß § 68 SGB VI i. V.
m. der auf der Grundlage von § 69 SGB VI erlassenen Verordnung bestimmt ist, und
dem als Folge der Ermächtigung gemäß § 188 SGB VI ebenfalls im Verordnungswege
festgesetzten Umrechnungsfaktor - jeweils in der für das Ehezeitende geltenden
Fassung - zu vervielfältigen, das 0, 0045317729 beträgt. Daraus resultiert ein
Endergebnis von 9,89 €. Das erwähnte Deckungskapital entspricht somit einem Anrecht
in der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 9,89 €.
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Der Berücksichtigung dieses Anrechtes steht nicht entgegen, dass der Ehemann seine
Rechte aus dem Vertrag betreffend die Lebensversicherung zur Sicherung eines Kredits
an die Sparkasse L - N abgetreten hat.
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Die Sicherungsabtretung ist durch einen Widerspruch zwischen ihrer rechtlichen
Tragweite und ihrem wirtschaftlichen Zweck gekennzeichnet. Die Sparkasse als
Sicherungsnehmerin erwirbt rechtlich die volle Gläubigerstellung. Nach der getroffenen
Zweckabrede sollen ihr aber nur Befugnisse ähnlich denjenigen eines Pfandgläubigers
zustehen. Es muß daher ebenso wie bei anderen fiduziarischen Rechtsverhältnissen
unterschieden werden zwischen dem Außenverhältnis, wo der Sicherungsnehmer alle
Gläubigerrechte erwirbt, und dem Innenverhältnis, in dem der Sicherungsnehmer nur
nach Maßgabe des Sicherungszwecks über die Forderung verfügen darf. Dabei ist er im
Zweifel nur zur Einziehung berechtigt, wenn die gesicherte Forderung fällig ist und der
Sicherungsgeber in Verzug kommt (vgl. Heinrichs: Palandt, 64. Aufl., § 398 BGB Rdnr.
20 bis 22; S in: Münchener Kommentar, 4. Aufl., § 398 BGB, Rdnr. 108).
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Ungeachtet der Frage der Akzessoriätät des Sicherungsrechtes und der übrigen
möglichen Konstruktionen, die Wirkung der Sicherungszession entfallen zu lassen (vgl.
S a. a. O., Rdnr. 109 ff.), und ob ein Anwartschaftsrecht oder - im Hinblick auf die AGB
der Sparkasse - lediglich eine Anwartschaft des Ehemannes besteht, ist für den
Versorgungsausgleich hier eine Zuordnung zum Vermögen des Ehemannes
vorzunehmen, die zur uneingeschränkten Berücksichtigung im Rahmen des
Versorgungsausgleichs führt. Im Rahmen der anzustellenden Prognose ist zu beachten,
dass bei der zu unterstellenden redlichen Verhaltensweise der Zessionarin nach dem
normalen Verlauf der Dinge nicht zu erwarten ist, dass sie auf das Sicherungsinstrument
zurückgreifen muß, sondern vielmehr entsprechend dem - zumindest bestehenden -
Rückübertragungsanspruch des Ehemannes - dieser sein Recht wieder eingeräumt
erhält.
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Diese Beurteilung wird dadurch bestätigt, dass nach der Auskunft des Kreditinstitutes in
der Vergangenheit der Ehemann seine Raten regelmäßig gezahlt hat. Zudem hat der
Ehemann glaubhaft erklärt, aufgrund einer Abfindungszahlung bereit und Willens zu
sein, den Kredit vorzeitig abzulösen.
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Die wirtschaftliche Zuordnung zum Vermögen des Ehemannes wird auch dadurch
bestätigt, dass er vor der - hier nicht gegeben - Verwertungsreife der Sicherheit
berechtigt ist, Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO zu erheben, wenn Gläubiger
des Zessionars diese Forderung pfänden (S a. a. O., Rdnr. 114) und er trotz der
Sicherungszession einen anderen Bezugsberechtigten bestimmen kann (Gottwald in:
Münchener Kommentar, 4. Aufl., § 330 BGB, Rdnr. 12 m. w. N.).
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Dem entspricht es, wenn in Rechtsprechung und Literatur die Einbeziehung von zur
Sicherheit abgetretenen Anwartschaften aus einer privaten Rentenversicherung in den
Versorgungsausgleich grundsätzlich befürwortet wird (vgl. OLG Y, FamRZ 2004, 642;
Winter in: Soergel, 13. Aufl., § 1587 a BGB, Rdnr. 313; Brudermöller in: Palandt, 64.
Aufl., § 1587 a BGB, Rdnr. 98).
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Aus diesen Zahlen folgt die Ausgleichspflicht des Ehemannes. Den addierten
Anwartschaften dieses Ehegatten von 156,74 € + 9,89 € = 166,63 € stehen auf Seiten
des anderen Ehegatten als niedrigerer Wert lediglich die bereits erwähnten 84,81 €
gegenüber.
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Daraus folgt ein Ausgleichsbetrag von (166,63 € - 84,81 € =) 81,82 € : 2 = 40,91 €.
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Für den Wertausgleich ist zu beachten, daß die Ausgleichsformen des § 1587 b und des
VAHRG in einem Rangverhältnis zueinander stehen, dem zufolge zunächst Splitting
gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB, dann das Quasisplitting nach dessen Abs. 2 und
schließlich die Regelungen nach dem VAHRG eingreifen (Münchener Kommentar, 4.
Aufl., § 1587 b, Rdnr. 5; Hahne in: Johannsen / Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 1587 b
BGB, Randnr. 8 ff.; Bergmann in: Bamberger / S, § 1587 BGB, Rdnr. 62 ff.; Schmidbauer,
Der Versorgungsausgleich bei Ehescheidungen, Suchnummer 32;
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Hk-BGB / Kemper, 2. Aufl., § 1587 b BGB, Rdnr. 3), für die wiederum weitere
Rangfolgen vorgegeben sind (vgl.Bergmann, a. a. O).
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Bei jedem Ausgleichsschritt ist zu beachten, dass dem Berechtigten zusammen mit den
übertragenen und begründeten Anwartschaften nie mehr an Anrechten gut-gebracht
werden darf, als sich für ihn aufgrund der nach § 1587 a Abs. 1 BGB vorzunehmenden
Saldierung aller auszugleichenden Anrechte als Ausgleichsanspruch ergibt (Hahne, a.
a. O., Rdnr. 9;).
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Im Hinblick auf diese Grundsätze ist zunächst der Ausgleich betreffend die Anwartschaft
aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB
durchzuführen. Denn in dem Fall, da - wie hier - der Verpflichtete neben seinen
Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung weitere Versorgungsanrechte
hat, die ihrerseits höher sind als die entsprechenden Anrechte des Berechtigten, findet
eine getrennte Saldierung und - je nach Versorgungsart - ein gestaffelter Ausgleich statt
(Hahne a. a. O., § 1587 b BGB, Rdnr. 16; BGH, FamRZ 1983, 1003, 1004; OLG I,
FamRZ 1985, 80, 81).
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Daher sind vom Rentenkonto des Ehemann (156,74 € - 84,81 € =) 71,93 € : 2 = 35,97 €
auf dasjenige der Ehefrau zu übertragen.
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Außerdem steht der Ehefrau auch von den Anwartschaften des verpflichteten Ehegatten
aus der Lebensversicherung die Hälfte als Ausgleich zu. Da insoweit eine Realteilung
im Sinne von § 1 Abs. 2 VAHRG nicht vorgesehen ist und die auszugleichenden
Anrechte sich nicht gegen einen öffentlich - rechtlichen Versorgungsträger richten, ist
der Versorgungsausgleich mit Zustimmung der Parteien in anderer Weise gemäß § 3 b
ff. VAHRG geregelt worden. Dazu hat das Gericht nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG
weitere (40,91 € < Gesamtausgleichsbetrag, s. o. > - 35,97 € <
Splittingübertragungswert, s. o. > =) 4,94 €, d. h. - wegen des strikten
Halbteilungsgrundsatzes abgerundet - die Hälfte von 9,89 €, an Anwartschaften von
dem Konto der gesetzlichen Rentenversicherung des pflichtigen auf dasjenige des
berechtigten Ehegatten übertragen.
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Hierdurch wird der Grenzwert gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VAHRG in Höhe von
48,30 € für das Jahr 2005 nicht überschritten.
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Dieser Ausgleich hält sich im Rahmen des seitens des Versorgungsträgers des
ausgleichsberechtigten Ehegatten mitgeteilten Höchstbetrages gemäß § 1587 b Abs. 5
BGB von 202,62 €.
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Die Anordnung über die Umrechnung in Entgeltpunkte folgt aus § 1587 b Abs. 6 BGB.
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III. Kosten
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.
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