Urteil des AG Ludwigsburg vom 27.08.2004

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AG Ludwigsburg Urteil vom 27.8.2004, 10 C 1517/04
Wohnraummiete: Mietzinsanspruch gegen den mitmietenden Ehegatten trotz Platzverweises nach dem Gewaltschutzgesetz und
ordnungsbehördlicher Einweisung in eine öffentliche Unterkunft
Tatbestand
1 (aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM)
2 Der Kläger macht rückständige Mieten und Schadensersatz geltend.
3 Zwischen dem Kläger als Vermieter und dem Beklagten und seiner früheren Ehefrau kam mit Datum vom 3.12.2000 ein Mietvertrag zustande.
4 Gegen den Beklagten wurde vom Polizeirevier K. ein Platzverweis ausgesprochen.
5 Er verließ die angemietete Wohnung und wurde von der Gemeinde in eine gemeindeeigene Wohnung eingewiesen (Einweisungsverfügung vom
6.6.2001).
6 Von März 2002 bis Februar 2003 lief ein Gesamtmietrückstand i. H. v. EUR 4154,50 auf. Bereits am 1.8.2002 war die fristlose Kündigung
ausgesprochen worden. Von der Ehefrau des Beklagten wurde der Räumungsanspruch anerkannt. Die Ehefrau räumte die Wohnung jedoch erst
im Februar 2003. Wiedervermietung erfolgte zum Mai 2003.
7 Der Kläger begehrt neben den Mietausfällen zwischen den Monaten März 2002 und Februar 2003 auch Schadensersatz für die Monate März
2003 und April 2003 sowie Anwaltskosten für die vorbereitete aber nicht durchgeführte Räumungsklage.
8 Der Beklagte trägt vor, er lebe seit April 2001 von seiner Ehefrau getrennt. Auf Grund des Platzverweises habe er nicht in die Wohnung
zurückgekonnt. Seine Ehefrau habe ihm gegenüber erklärt, sie werde das Mietverhältnis übernehmen. Alle Mietschulden seien bezahlt.
Entscheidungsgründe
9
Die zulässige Klage ist begründet, weshalb das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 12.7. 2004 aufrechtzuerhalten war.
10 Mit Abschluss des Mietvertrages hat sich der Beklagte verpflichtet, monatlich die Miete an den Kläger gesamtschuldnerisch mit seiner damaligen
Ehefrau zu bezahlen. Die Mietzahlungsverpflichtung trifft ihn unabhängig davon, ob er sich in der Wohnung aufhält bzw. diese zu Mietzwecken
nutzt. Gem. §537 BGB wird der Mieter von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund
an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird.
11 Selbst unverschuldete persönliche Verhinderung befreit den Mieter nicht von der Mietzahlungspflicht (Palandt/Weidenkaff §537, 4)
12 Deshalb kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der von der Polizei angeordnete Platzverweis rechtmäßig war – insoweit ist auffällig, dass sich
der Beklagte dagegen nicht mit rechtlichen Mitteln zur Wehr gesetzt hat –, da der Platzverweis jedenfalls die Risikosphäre des Beklagten und
nicht des Klägers trifft und bei allem, was in den Risikobereich des Mieters fällt, die Mietzahlungspflicht fortbesteht (BGH NJW-RR 1991, 267
[=WM 1991,25]).
13 Im Übrigen hat weder der Platzverweis durch die Polizei noch die Einweisungsverfügung durch die Gemeinde R. Einfluss auf den zwischen den
Parteien geschlossenen Mietvertrag.
14 Allein der Auszug des Beklagten beendet nicht das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis (BayObLG WM 1983, 107ff.).
15 Haben Eheleute gemeinsam einen Mietvertrag auf der Mieterseite abgeschlossen, so bedarf derjenige Ehegatte, der sich allein aus dem
Mietverhältnis lösen will – wie vorliegend der Beklagte – hierzu nicht nur des Einverständnisses seines im selben Schuldverhältnis stehenden
Ehegatten, sondern ebenso des Einverständnisses des Vermieters (BayObLG a.a.O.).
16 Selbst wenn, wie vom Beklagten vorgetragen, zwischen den getrenntlebenden Eheleuten ein Einverständnis dahin bestanden hatte, dass die
getrenntlebende Ehefrau allein in der Wohnung verbleibt und alleinige Mieterin sein soll, ändert dies nichts am zwischen den Parteien
bestehenden Mietvertrag.
17 Zur „Entlassung“ des Beklagten aus dem Mietverhältnis hätte es eines dreiseitigen Aufhebungsvertrages bedurft, in dem sowohl der Vermieter
als auch die Ehefrau des Beklagten und der Beklagte selbst jeweils das Einverständnis dahingehend erklärt hätten, der Beklagte könne seine
Mieterstellung beenden.
18 Das Gericht übersieht nicht, dass derartige Mietaufhebungsverträge nicht zwangsläufig schriftlich erfolgen müssen und dass auch
Willenserklärungen in konkludentem Verhalten liegen können. Wie oben dargelegt mag zwar der Auszug des Beklagten seine Willenserklärung
dahingehend darstellen, dass er aus dem Mietverhältnis ausscheiden möchte, eine damit korrespondierende Willenserklärung des Klägers, den
Beklagten aus dem Mietverhältnis zu entlassen, ist jedoch nirgends zu erkennen. Der Kläger hat auch bestritten, den Beklagten aus dem
Mietverhältnis entlassen zu haben.
19 Insoweit wäre der Beklagte darlegungs- und beweisverpflichtet im Hinblick auf die dreiseitig abgeschlossene Mietaufhebungsvereinbarung. Er
hat weder dargelegt, worin die Willenserklärung des Klägers auf Entlassung des Beklagten aus dem Mietverhältnis zu sehen sein soll, noch hat
er dafür Beweis angeboten.
20 Damit haftet der Beklagte auch nach seinem Auszug im Jahr 2001 für die aus dem Mietverhältnis heraus entstehenden Ansprüche.
21 Dies bedeutet, dass er nicht nur auf den Erfüllungsanspruch hinsichtlich der Mietzinszahlungen haftet, sondern auch für eventuelle
Schadensersatzansprüche, die im Mietverhältnis selbst begründet sind. Vorliegend sind dies die Anwaltskosten, weil sie durch Verzug mit den
Mietzinszahlungen hervorgerufen wurden, als auch die Mieten für die Monate März und April 2003, da dem Kläger eine Weitervermietung erst
nach diesem Zeitpunkt möglich war.
22 Soweit der Beklagte vortragen lässt, nach Angaben seiner geschiedenen Ehefrau seien Mietrückstände nicht vorhanden bzw. nach ihren
Angaben müsse davon ausgegangen werden, dass sie alle Mietrückstände bezahlt habe, stellt dies kein substantiiertes Bestreiten der vom
Kläger detailliert vorgetragenen Mietrückstände dar und ist damit rechtlich unbeachtlich.
23 Soweit sich der Beklagte auf das Zeugnis seiner geschiedenen Ehefrau beruft, stellt dies einen Ausforschungsbeweis dar, der unzulässig ist.
24 Der Beklagte müsste vielmehr detailliert und konkret vortragen, wann seine geschiedene Ehefrau auf die vom Kläger detailliert vorgetragenen
Zahlungsrückstände Zahlungen geleistet hat.
25 Die Vernehmung der Zeugin durch das Gericht soll offensichtlich erst Klarheit darüber schaffen, wann die geschiedene Ehefrau welche Beträge
auf Zahlungsrückstände geleistet hat. Diese Ermittlungsarbeit durch das Gericht sieht die Zivilprozessordnung jedoch nicht vor. Es ist Aufgabe
des Beklagten, darzulegen und zu beweisen, und nicht die des Gerichts, im Zivilprozess zu ermitteln.
26 Die Einwendungen des Beklagten gegen die substantiiert vorgetragene Klagforderung sind daher rechtlich unerheblich. Der Klage konnte in
vollem Umfang stattgegeben werden.