Urteil des AG Lichtenberg vom 01.04.2006

AG Lichtenberg: wohnungsbau, mietvertrag, anpassung, mietrecht, amtsblatt, wohnraum, vermieter, auflage, einfluss, vertragsschluss

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Gericht:
AG Lichtenberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 C 183/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 305 BGB, § 307 BGB, § 557
BGB, §§ 557ff BGB
Formularmäßiger Wohnraummietvertrag: Einseitige
Mieterhöhung für eine nicht preisgebundene Wohnung
entsprechend der Anhebung von öffentlich-rechtlichen
Mietobergrenzen im sozialen Wohnungsbau
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung einer höheren Miete
von 431,28 € per 01.04.2006 aufgrund der Änderungsmitteilung im Schreiben der
Hausverwaltung R. F. Immobilien der Beklagten vom 06.03.2006 nicht zusteht.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung einer höheren Miete
von 439,62 € per 01.04.2007 aufgrund der Änderungsmitteilung im Schreiben der
Hausverwaltung R. F. Immobilien der Beklagten vom 26.03.2007 nicht zusteht.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere haben die Kläger ein rechtliches Interesse (§ 256
ZPO) daran, feststellen zu lassen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von den Klägern
eine an den fortgeschriebenen Wert der Durchschnittsmiete im sozialen Wohnungsbau
angepasste Mietzinszahlung zu verlangen. Die Beklagte fordert von den Klägern seit
April 2006 eine erhöhte Miete aufgrund der Anpassung des im Amtsblatt für Berlin
fortgeschriebenen Wertes der Durchschnittsmiete im sozialen Wohnungsbau und hat
dieses Verlangen auch im Jahr 2007 erneuert. Hieraus resultiert für die Kläger eine
andauernde Unsicherheit, mit etwaigen Leistungsbegehren der Beklagten –
gegebenenfalls auch gerichtlich - konfrontiert zu werden.
Die Feststellungsanträge sind auch begründet.
1. Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen die Kläger auf Zahlung eines über den
Betrag von 278,24 € hinausgehenden monatlichen Nettokaltmietzinses für den
Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 31. März 2007 gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Sie kann
von den Klägern keinen Nettokaltmietzins in Höhe von 287,29 € für den vorgenannten
Zeitraum verlangen, da eine Erhöhung der ursprünglich vereinbarten Nettokaltmiete
nicht erfolgt ist.
Unstreitig haben die Parteien einen Mietvertrag über die Wohnung der Beklagten im
Hause K. S. 12, 10245 B. geschlossen und darin eine monatliche Nettokaltmiete von
278,24 € vereinbart. Zwar belief sich der grundsätzlich vereinbarte Nettokaltmietzins auf
308,85 €. Nach § 3 Ziffer 1 i. V. m. § 4 Anlage 1 des Mietvertrages sollte sich dieser
jedoch bei Vorlage eines Wohnberechtigungsscheines auf den zuerst genannten Betrag
reduzieren. So lag es hier, da die Beklagten unstreitig über einen gültigen
Wohnberechtigungsschein im Sinne der § 5 WoBindG, § 27 WoFG verfügen bzw. einen
solchen vorgelegt haben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieser vertraglich vereinbarte
Nettokaltmietzins nicht auf 287,24 € aufgrund des Schreibens vom 6. März 2006
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Nettokaltmietzins nicht auf 287,24 € aufgrund des Schreibens vom 6. März 2006
wirksam erhöht worden. Denn der Beklagten steht kein Recht zur einseitigen
Mieterhöhung zu.
Ein solches Recht resultiert vorliegend nicht aus § 10 WoBindG. Zwar sieht diese
Vorschrift im Bereich des preisgebundenen Wohnraums die Befugnis des Vermieters zur
einseitigen Mieterhöhung vor, wenn das Objekt mit öffentlichen Mitteln gefördert worden
ist. Gleichwohl findet sie im vorliegenden Fall keine Anwendung, da es sich hier nicht um
einen solchen Wohnraum handelt. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist die
Sanierung des Hauses, in welchem sich die streitgegenständliche Wohnung befindet, mit
öffentlichen Mitteln gefördert worden. Dennoch handele es sich um preisfreien, d. h.
gerade nicht preisgebundenen Wohnraum.
Eine Anpassung des von den Klägern geschuldeten Mietzinses ergibt sich auch nicht
unmittelbar daraus, dass die Durchschnittsmiete im sozialen Wohnungsbau nach
Veröffentlichung im Amtsblatt für Berlin ab dem 1. April 2006 mit einem neuen Wert von
4,13 € je m² fortgeschrieben worden ist. Denn die bloße Fortschreibung dieses Wertes
hat keine unmittelbare Wirkung auf das Mietverhältnis. Ebenso wenig berechtigt sie zur
Vornahme einer einseitigen Mieterhöhung. Denn der jeweils veröffentlichte Wert gibt
lediglich die jeweilige Mietobergrenze an, die anzuwenden ist, wenn der betreffende
Mieter einen gültigen Wohnberechtigungsschein vorgelegt hat. Soweit die Beklagte unter
Beweisantritt behauptet, im Rahmen öffentlich-rechtlicher Vorgaben zu einseitigen
Mietanpassung berechtigt zu sein, ist dies unbeachtlich. Denn entgegen der Ansicht der
Beklagten richtet sich die Zulässigkeit der begehrten Mieterhöhung vorliegend allein
nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (dazu gleich). Hieran ändert
auch eine etwaige Auskunft der IBB sowie das Zeugnis der Mitarbeiterinnen der
Beklagten nichts, da diese allenfalls Rechtsansichten wiedergeben könnten.
Eine Berechtigung der Beklagten zur Anpassung des Mietzinses an den
fortgeschriebenen Wert der jeweils im Amtsblatt für Berlin veröffentlichen
Durchschnittsmiete des ab dem Jahre 1970 mit öffentlichen Mitteln geförderten sozialen
Wohnungsbaus lässt sich auch den mietvertraglichen Bestimmungen nicht entnehmen.
Die Beklagte kann eine solche insbesondere nicht aus § 3 Ziffer 5 den Mietvertrages i. V.
m. § 4 Ziffer 1 Anlage 1 zum Mietvertrag ableiten. Es kann dahinstehen, ob die
vorgenannten Klauseln des Mietvertrages überhaupt eine vertragliche Regelung
enthalten, wonach es bei Fortschreibung der maßgeblichen Durchschnittsmiete keiner
weiteren Zustimmung der Kläger bedurfte. Hieran bestehen bereits Zweifel, weil die
Klausel nach objektiver Auslegung nicht zwingend in der Weise zu verstehen ist, dass die
Beklagte aufgrund der Förderung mit öffentlichen Mitteln zur einseitigen Erhöhung der
Miete befugt sein sollte und Unklarheiten bei der Auslegung von Klauseln im Sinne der §§
305 ff. BGB zu Lasten des Verwenders gehen (§ 305c Abs. 2 BGB). Denn in § 3 Anlage 1
zum Mietvertrag ist die Frage einer Mieterhöhung gemäß § 558 BGB ausdrücklich
geregelt. Ferner sind Erhöhungen nach § 557a und b BGB ausgeschlossen (§ 3 Ziffer 3
Anlage 1 zum Mietvertrag).
Doch selbst wenn man der Klausel einen entsprechenden Inhalt zuerkennen wollte,
könnte die Beklagte ihr einseitiges Mieterhöhungsverlangen hierauf nicht stützen. Denn
in diesem Fall wäre die vertragliche Bestimmung gemäß §§ 557 Abs. 4, 558 Abs. 6 BGB
unwirksam, weil hiernach zum Nachteil der Kläger von den materiellen und formellen
Mieterhöhungsvoraussetzungen der §§ 557 bis 561 BGB abgewichen, d. h. der Mieter
unangemessen benachteiligt würde. Die Regelung würde zunächst von den
Bestimmungen der §§ 557 ff. BGB abweichen. Grundsätzlich finden auf mietvertragliche
Regelungen zur Miethöhe die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 557 bis
561 BGB) Anwendung. Zwar wurden ausweislich der Anlage 1 zum Mietvertrag und des
zum Grundstück vorliegenden Fördervertrages die Sanierungsmaßnahmen für die
streitgegenständliche Wohnung mit öffentlichen Mitteln gefördert. Dennoch handelt es
sich – wie bereits ausgeführt - um preisfreien Wohnraum, bei dem Mieterhöhungen nur
unter Beachtung der materiellen und formellen Voraussetzungen des BGB zulässig sind
(BGH, NJW-RR 2007, 667; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., vor § 557
Rn. 43), da die Förderung der Modernisierungsarbeiten außerhalb des sozialen
Wohnungsbaus durch vertragliche Vereinbarung zwischen dem Land Berlin als
Förderungsgeber und der Grundstückseigentümerin als Förderungsnehmer mit
Vereinbarung einer höchstzulässigen Miete und einschränkenden Bestimmungen zum
Mieterhöhungsrecht erfolgte (vgl. Kunze/Tietzsch, Miethöhe und Mieterhöhung, Kap. II
Rn. 605). Die in § 4 Ziffer 1 der Anlage 1 zum Mietvertrag enthaltene Regelung stellt –
bei entsprechender Auslegung - eine Mietanpassungsklausel dar und weicht von den
insoweit maßgeblichen Bestimmungen der §§ 557 ff. BGB ab, weil künftige
Mieterhöhungen gemäß § 557 Abs. 2 BGB nur als Staffelmiete (§ 557a BGB) oder als
Indexmiete (§ 557b BGB) vereinbart werden können. Unter einer Mietanpassungsklausel
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Indexmiete (§ 557b BGB) vereinbart werden können. Unter einer Mietanpassungsklausel
wird jede vertragliche Vereinbarung verstanden, nach der sich die Höhe des Mietzinses
für die Zukunft erhöht. Dies träfe vorliegend zu, weil die Beklagte berechtigt wäre, die
ursprünglich vereinbarte monatliche Nettokaltmiete von 4,00 € je m² bzw. von
insgesamt 278,24 € je nach Fortschreibung der Durchschnittsmiete im sozialen
Wohnungsbau zu erhöhen. Die Klausel entspricht jedoch nicht den Anforderungen der §§
557a und b BGB. Eine Auslegung als Staffelmietvereinbarung (§ 557a BGB) scheidet
bereits deshalb aus, weil weder der Zeitpunkt der Erhöhung noch der Erhöhungsbetrag
genau bestimmt sind. Ebenso wenig lägen die Anforderungen des § 557b BGB vor. Zwar
beinhaltet die Klausel bei der hier unterstellten Auslegung eine sog. Mietgleitklausel.
Darunter werden Regelungen verstanden, nach denen sich die Höhe der Miete mit der
Änderung einer bestimmten, von den Parteien gewählten Bezugsgröße verändern soll
(Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 557b Rn. 13). Die vorliegende
Klausel sähe bei entsprechender Auslegung als eine solche Bezugsgröße die Entwicklung
der Durchschnittsmiete im sozialen Wohnungsbau vor, wobei die Erhöhung zu einem
nicht näher bestimmten Zeitpunkt eintreten soll, ohne dass die Klägerin die Erhöhung in
einer der Textform entsprechenden Mitteilung oder in einem Zustimmungsverlangen
unter Beachtung des § 558 BGB erklären müsste. Als solche ist sie gemäß § 557b Abs. 4
i. V. m. § 557 Abs. 4 BGB unwirksam. Denn hiernach sind nur solche Vereinbarungen
wirksam, nach denen die Entwicklung der Miete durch die Änderung eines vom
Statistischen Bundesamtes ermittelten Preisindex für die Lebenshaltungskosten aller
privaten Haushalte in Deutschland bestimmt wird. Die vorliegende Klausel würde hiervon
abweichen, weil sie als Bezugsgröße für die Mietanpassung die im Amtsblatt von Berlin
veröffentlichte Durchschnittsmiete im sozialen Wohnungsbau bestimmt.
Die Klausel würde ferner zum Nachteil der Kläger vom Zustimmungserfordernis
abweichen. Denn die Beklagte könnte nach Maßgabe der §§ 558 ff. BGB und mangels
Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 557 ff. BGB Mieterhöhungen nur mit Zustimmung
der Kläger verlangen. Die Zustimmung im Vergleichsmietverfahren ist Ausdruck des
Prinzips der Vertragsfreiheit, das nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Bereich
des preisfreien Wohnraums nicht nur für die Einigung über die Höhe der Miete bei
Vertragsschluss, sondern auch bei der Erhöhung der Miete während des laufenden
Mietverhältnisses gelten soll. Das damit grundsätzlich nicht zu vereinbarende Recht des
Vermieters zur einseitigen Erhöhung der Miete nach § 10 WoBindG ist demgegenüber
Ausdruck der strengen staatlichen Reglementierung der Miethöhe im Bereich des
preisgebundenen Wohnraums (BGH, NJW-RR 2007, 667, 668).
Die vorstehenden Abweichungen wären auch zum Nachteil der Kläger. Maßgeblich für die
Annahme der Unwirksamkeit nach §§ 557 Abs. 4, 558 Abs. 6 BGB ist, ob dem Vermieter
durch die Klausel eine objektiv günstigere Rechtsstellung eingeräumt wird, als er sie bei
Beachtung der materiellen und formellen Beschränkungen des BGB hätte (OLG
Stuttgart, NJW-RR 1989, 1357). Nicht maßgeblich ist das Ergebnis der Auswirkungen der
Vereinbarung im konkreten Einzelfall (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9.
Auflage, § 557 Rn. 65). Dabei sind Regelungen, die Einfluss auf die künftige Miethöhe
haben und dazu führen, dass der Vermieter einseitig und unter Außerachtlassung der §§
557 ff. BGB die Miete erhöhen kann, unwirksam (vgl. BGH, NZM 2005, 735; BGH, NZM
2004, 136; LG Berlin, GE 2003, 394). Zwar kann der Mieter
Dies betrifft insbesondere Regelungen, welche die Anforderungen an Form und
Begründung der Erhöhung senken (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9.
Auflage, § 557 Rn. 69). Unwirksam sind dementsprechend Klauseln, die eine
automatische Anpassung ohne Erhöhungsschreiben vorsehen (LG Berlin, NZM 2002,
947, 948; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 557 b Rn. 58). Die
vorliegende Klausel in § 4 Ziffer 1 der Anlage zum Mietvertrag sähe für den Fall der oben
unterstellten Auslegung eine Mieterhöhung in automatischer Anpassung der
Nettokaltmiete an die Entwicklung der Durchschnittsmiete im sozialen Wohnungsbau
vor, ohne dass die Beklagte für den Eintritt der Mieterhöhung eine vorherige Mitteilung in
Textform und unter Angabe der für die Erhöhung maßgeblichen Gründe nach § 557 b
Abs. 3 BGB oder ein Zustimmungsverlangen nach § 558 Abs. 1 BGB an die Klägerin
abgegeben müsste.
Schließlich wäre eine Mietanpassung im Sinne des § 558 BGB ab dem 1. April 2006 auch
vor dem Hintergrund des § 3 Ziffer 1 Anlage 1 des Mietvertrages unwirksam.
2. Die Beklagte hat auch keinen Anspruch gegen die Kläger auf Zahlung eines über den
Betrag von 278,24 € hinausgehenden monatlichen Nettokaltmietzinses für den
Zeitraum vom 1. April 2007 gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Sie kann von den Klägern keinen
Nettokaltmietzins in Höhe von 295,63 € verlangen, da sie aus den vorgenannten
Gründen weder eine einseitige Erhöhung der Miete vornehmen konnte noch die Kläger
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Gründen weder eine einseitige Erhöhung der Miete vornehmen konnte noch die Kläger
einer Erhöhung zugestimmt haben. Darüber hinaus würde es an einem wirksamen
Zustimmungsverlangen fehlen, da die Beklagte in ihrem Schreiben vom 26. März 2007
von einer Nettokaltmiete von 287,29 € ausgeht, diese jedoch tatsächlich 278,24 €
beträgt (LG Berlin, GE 2000, 473 ff.).
II.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO waren nicht ersichtlich.
Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des
Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Schließlich ist das Gericht bei seiner
Entscheidung auch nicht von der obergerichtlichen Rechtsprechung abgewichen.
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