Urteil des AG Lichtenberg vom 12.09.2008

AG Lichtenberg: wohnung, vertrag zugunsten dritter, eigentümer, ordentliche kündigung, mietvertrag, kopie, ausschluss, unterlassen, quelle, verzicht

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Gericht:
AG Lichtenberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 C 79/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 328 BGB, § 573
Abs 1 BGB, § 573 Abs 2 Nr 2
BGB
Wohnungsmietvertrag: Ausschluss des Rechts zur
Eigenbedarfskündigung in einem Sanierungsvertrag
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnmiethaus bebauten Grundstücks ….
Er hat das Grundstück mit Zuschlagsbeschluss vom 23. Februar 2005 erworben,
nachdem die restituierten Eigentümer … das Grundstück zuvor mit Auflassung vom 08.
Juni 1993 und Eintrag vom 20. März 1995 an einen im hiesigen Verfahren namentlich
nicht benannten Erwerber veräußert hatten.
Die Beklagte hat mit Mietvertrag vom 07. Juli 1992 die im 4. OG Vorderhaus in der …
belegene Zweizimmer-Wohnung mit einer Größe von 61,10 qm gemietet. Als
Vermieterin ist im Mietvertrag die … angegeben (Kopie des Mietvertrages, Bl. 6 ff. d. A.).
Der Kläger hat der Beklagten nach dem Zuschlagsbeschluss weiterhin den Gebrauch an
der Wohnung eingeräumt und die Mietzinszahlungen der Beklagten
entgegengenommen.
Mit Schreiben vom 26.06.2007, welches der Beklagten am 29.06.2007 zugestellt wurde,
hat der Kläger der Beklagten wegen Eigenbedarfs ordentlich gekündigt. Hinsichtlich der
Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf die bei den Akten befindliche Kopie, Bl.
14 d. A., verwiesen.
Mit der Klageschrift vom 19. März 2008 hat der Kläger durch seinen
Prozessbevollmächtigten nochmals vorsorglich die ordentliche Kündigung wegen
Eigenbedarfs erklärt.
Nach Erwerb des streitgegenständlichen Grundstücks schloss der Kläger mit dem … am
11. Juli 2005 einen Sanierungsvertrag der als “Durchführungsvertrag vom 11. Juli 2005”
bezeichnet ist. Unter § 7 des Vertrages heißt es unter anderem:
In § 8 des Vertrages heißt es unter anderem:
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die bei den Akten
befindliche Kopie des Vertrages verwiesen (Bl. 27 ff. d. A.).
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. Mai 2008 die Kopie einer als
“Mustervereinbarung über die Durchführung einer Mietermodernisierung mit öffentlichen
Förderungsmitteln” vorgelegt (Bl. 35 ff. d. A.). Dort ist in der Präambel festgehalten,
dass die Vereinbarung zwischen der … und der Mieterin geschlossen worden ist. Unter §
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dass die Vereinbarung zwischen der … und der Mieterin geschlossen worden ist. Unter §
2 heißt es: “Der Vermieter verzichtet dem Mieter gegenüber für die Dauer des
Mietverhältnisses/- Jahre auf die Ausübung des Kündigungsrechts nach § 564 b Abs.2 Nr.
2 und 3 BGB …”.
Der Kläger behauptet, er wolle die Wohnung selber nutzen. Hinsichtlich seines Vortrages
bezüglich des behaupteten Eigennutzungswunsches und der Gründe hierfür wird auf den
Vortrag der Klägerseite in der Klageschrift S. 3 und 4, Bl. 3/4 d. A., sowie die
Ausführungen im Schriftsatz vom 04. August 2008 S.1 bis 3, Bl. 66/67 d.A., verwiesen.
Der Kläger trägt vor, dass der Sanierungsvertrag mit dem … einer
Eigenbedarfskündigung nicht entgegenstehe, da der Kläger in der Vereinbarung weder
ausdrücklich, noch konkludent einen Verzicht auf das Recht zur Eigenbedarfskündigung
erklärt habe. Aus der Vertragsstrafenregelung ergäbe sich vielmehr, dass bei einer dem
Belegungsrecht widersprechenden Nutzung nur eine Vertragsstrafe verwirkt sei. Die
Beklagte sei auch nicht Beteiligte der Vereinbarung, ihr gegenüber sei auch kein Verzicht
auf die Eigenbedarfskündigung erklärt worden. Die Vereinbarung stelle auch keinen
Vertrag zugunsten der Beklagten i. S .d. § 328 BGB dar.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die von ihr innegehaltene im 4. OG rechts des
Vorderhauses … gelegene Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem
Badezimmer mit Toilette und einem Flur zu räumen und geräumt an den Kläger
herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
der Beklagten eine Räumungsfrist von nicht unter sechs Monaten Dauer zu
bewilligen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei mit dem geltend gemachten
Kündigungsgrund in mehrfacher Hinsicht rechtlich durch vertragliche Vereinbarungen
ausgeschlossen.
Die vorliegende Kopie der Mietermodernisierungsvereinbarung entspreche dem Original.
Die … habe als staatliche Verwalterin i.S.d. § 11 VermG gehandelt. Die Vereinbarung sei
von den damals vertretungsbefugten Mitarbeiterinnen der … unterzeichnet worden.
Die Beklagte ist der Ansicht die Geltendmachung des bestrittenen Eigenbedarfs sei
rechtsmissbräuchlich, da dem Kläger stehe im erheblichen Umfang Alternativwohnraum
zur Verfügung. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrages wird auf die Ausführungen im
Schriftsatz vom 23. Mai 2008 S.3, Bl. 24 d. A., und im Schriftsatz vom 04. Juli 2008, S.
1und 2 nebst Anlage, Bl. 61 - 65 d. A., verwiesen.
Die Beklagte habe zudem in erheblichen Umfang Investitionen in der
streitgegenständlichen Wohnung vorgenommen, die noch nicht abgewohnt seien.
Hinsichtlich der behaupteten Investitionen im Einzelnen wird auf die Ausführungen im
Schriftsatz vom 23. Mai 2008, S. 4 d. A., Bl. 25 d. A verwiesen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Räumung der
streitgegenständlichen Wohnung gemäß § 546 Abs.1 BGB zu.
Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis über die von der Beklagten
innegehaltene im 4. OG rechts des Vorderhauses … gelegene Wohnung. Jedenfalls ist
spätestens durch Gebrauchsüberlassung der Wohnung an die Beklagte durch den Kläger
nach dem Zuschlagbeschluss und durch die Entgegennahme der Mietzinszahlungen ein
Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung geschlossen worden.
Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist jedoch nicht durch die am 26.
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Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist jedoch nicht durch die am 26.
Juni 2007 und die mit der Klageschrift vom 19. März 2008 erklärten ordentlichen
Kündigungen beendet worden.
Denn jedenfalls hat der Kläger kein berechtigtes Interesse gemäß § 573 Abs.1 BGB an
der Beendigung des Mietverhältnisses. Soweit der Beklagte seine Kündigungen auf den
von ihm behaupteten Kündigungsgrund des Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB
stützt, kann er seine Kündigungen gegenüber der Beklagten zu den Zeitpunkten der
Kündigungen, bzw. des Zugangs derselben, nicht auf diesen Kündigungsgrund stützen.
Aufgrund der zwischen dem Kläger und dem Land Berlin am 11. Juli 2005 geschlossenen
Sanierungsvereinbarung ist eine Kündigung der Wohnung der Beklagten wegen
Eigenbedarfs ausgeschlossen.
Dieser Ausschluss beruht auf den zwischen dem … und dem Kläger in dieser
Vereinbarung getroffenen Regelungen. Zwar ist ausdrücklich kein Ausschluss der
Eigenbedarfskündigung für die von der Beklagten bewohnte Wohnung vereinbart, jedoch
ergibt sich aus verschiedenen Regelungen im Vertrag, dass die Parteien dieser
Vereinbarung konkludent einen solchen Ausschluss vereinbart haben.
So ist in § 7 des Vertrages “Wohnungsbelegung” unter Ziffer 1 geregelt, dass der
Eigentümer dem … zur angemessenen Versorgung sanierungsbetroffener Mieter sowie
von gebietsansässigen Haushalten mit dringenden Wohnraumbedarf in den ersten fünf
Jahren nach erfolgter Modernisierung und Instandsetzung ein Belegungsrecht für zwei
Wohnungen im Gebäude “…” einräumt. Als eine der Wohnungen ist ausdrücklich die von
der Beklagten bewohnte Wohnung genannt. Dabei ist der Kläger - wie sich aus der
weiteren Regelung ergibt – aufgrund des Belegungsrechts grundsätzlich verpflichtet, mit
dem vom … vorgeschlagenen Haushalten Mietverträge abzuschließen, soweit es keine
triftigen gegenteiligen Gründe gibt (vgl. § 7 Abs. 3 des Vertrages). In § 8 Abs. 2 des
Vertrages ist ausdrücklich festgehalten, dass für zwei Wohnungen Belegrechte gesichert
und Mietpreisbeschränkungen mit einer Bindungsfrist von 5 Jahren eingegangen worden
sind. Dann folgt die Nennung der Wohnungen, u. a. die der Beklagten, und die
namentliche Nennung der Beklagten.
Der Kläger hat sich somit durch die ausdrückliche Einräumung eines Belegungsrechtes
für die Beklagte hinsichtlich der streitgegenständlichen Wohnung verpflichtet, mit der
Beklagten einen Mietvertrag zu schließen bzw. den mit der Beklagten bereits
geschlossenen Mietvertrag fortzuführen und zwar zu den in § 8 Abs.2 des Vertrages
genannten Konditionen hinsichtlich der Miethöhe. Er hat sich auch konkludent
verpflichtet, während der Bindungsfrist das streitgegenständliche Mietverhältnis nicht
wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Dies folgt schon daraus, dass der Kläger nicht zu dem
von den Parteien des Vertrages festgelegten Personenkreis gehört, für den in der
Regelung ein Belegungsrecht an der streitgegenständlichen Wohnung eingeräumt wird.
Denn er ist weder ein sanierungsbetroffener Mieter, noch ein gebietsansässiger Haushalt
mit dringendem Wohnraumbedarf. In den genannten Regelungen gehen die Parteien der
Sanierungsvereinbarung übereinstimmend davon aus, dass der Kläger hinsichtlich der
belegungsgebundenen Wohnungen Mietverträge mit anderen Personen abschließt.
Durch die Regelungen lässt sich der Wille der Parteien erkennen, dass die
belegungsgebundenen Wohnungen in der Belegungszeit grundsätzlich von dem durch
die Vereinbarung geschützten Personenkreis belegt werden sollen, somit im
Belegungszeitraum eine Eigennutzung durch den Eigentümer ausgeschlossen und damit
auch eine Kündigung wegen Eigenbedarfs durch den Kläger als Eigentümer zu
unterlassen ist. Der gefundenen Auslegung steht auch nicht die Vertragsstrafenregelung
in § 7 Abs.7 der Vereinbarung entgegen. Denn das Bestehen einer
Vertragsstrafenregelung heißt gerade nicht, dass das verbotene Verhalten grundsätzlich
erlaubt ist. Zudem sollten durch die Vertragsstrafenregelung die Fälle erfasst werden, in
denen der Kläger entgegen den Belegungsvorschlägen eine belegungsgebundene, aber
freie Wohnung vermietet. Daraus lässt sich keine Erkenntnis für den hiesigen Fall ziehen,
in dem ein bereits geschlossener Mietvertrag wegen Eigenbedarfs gekündigt wird.
Aus den oben genannten Darlegungen folgt, dass die Parteien der
Sanierungsvereinbarung die Kündigung wegen Eigenbedarfs konkludent in dem Sinne
ausgeschlossen haben, dass der Beklagte eine Eigenbedarfskündigung zu unterlassen
hat. Das … oder die Beklagte waren entgegen der Auffassung des Klägers insoweit auch
nicht gehalten, eine Verzichtserklärung des Klägers zu verlangen.
Diese Vereinbarung, nämlich die Eigenbedarfskündigung zu unterlassen, wirkt auch
zugunsten der Beklagten. Es ist insoweit von einem Vertrag zugunsten Dritter
auszugehen. Dabei kann die zugunsten eines Dritten versprochene Leistung gemäß §
241 BGB auch in einem Unterlassen bestehen (vgl. Staudinger-Jagmann, BGB, 2004, §
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241 BGB auch in einem Unterlassen bestehen (vgl. Staudinger-Jagmann, BGB, 2004, §
328 Rn.10). Die Beklagte ist als Mieterin der streitgegenständlichen Wohnung
Begünstigte, da sie sogar in der Sanierungsvereinbarung als belegungsberechtigte
Mieterin namentlich genannt worden ist.
Selbst wenn man einen konkludenten Ausschluss des Rechts zur Eigenbedarfskündigung
in dem Sanierungsvertrag verneinen wollte, wäre die Ausübung dieses Rechts im
konkreten Fall rechtsmißbräuchlich (§ 242 BGB) und würde die Kündigung, selbst wenn
die sonstigen Voraussetzungen vorliegen würden, unwirksam machen. Denn der Kläger
ist als Eigentümer für die streitgegenständliche Wohnung im Sanierungsvertrag bewusst
eine Bindung eingegangen, deren Ziel es ist sanierungsbetroffene Mieter, sowie
gebietsansässige Haushalte zu schützen. Dabei ist er diese Bindung nur für zwei von
dreiundzwanzig Wohnungen eingegangen. Er hat sich nicht nur hinsichtlich der Wohnung
gebunden, sondern er hat ausdrücklich die Beklagte als belegungsberechtigte Mieterin
akzeptiert. Es stellt sich damit als rechtsmissbräuchlich dar, wenn der Kläger einerseits
solche Bindungen eingeht, sowie die Beklagte als Mieterin akzeptiert und mit dieser
einen Mietvertrag abschließt bzw. weiterführt, um andererseits in dem von ihm freiwillig
vereinbarten Bindungszeitraum dann diese Mieterin wegen Eigenbedarfs zu kündigen.
Durch die ausgesprochenen Kündigungen wurde das Mietverhältnis somit nicht beendet.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.
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