Urteil des AG Lichtenberg vom 14.03.2017

AG Lichtenberg: fahrrad, eigentümer, polizei, strafanzeige, beweiskraft, akte, kennzeichen, vollstreckung, unfall, gefahr

1
2
3
4
5
6
7
8
9
Gericht:
AG Lichtenberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 C 120/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 823 Abs 1 BGB
Verkehrssicherungspflicht: Haftung eines Fahrradvermieters bei
Beschädigung eines PKW durch Umwerfen eines abgestellten
Mietfahrrades durch einen Dritten
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beklagte vermietet unter der Bezeichnung “Call a bike” gewerbsmäßig Fahrräder mit
der Maßgabe, dass die Kunden die Fahrräder an einem Ort abstellen, an dem es
regelmäßig verbleibt, bis der nächste Kunde das Fahrrad entleiht. Am 18. August 2005
stellte ein Kunde ein Fahrrad der Beklagten in der W. in B. Friedrichshain ab. Am 21.
August 2005 parkte der Kläger das Kraftfahrzeug Alfa 156 mit dem amtlichen
Kennzeichen B-… ebenfalls in der W.. Am 22. August 2005 stellte der Kläger bei der
Polizei eine Strafanzeige. Dabei gab er an, dass unbekannt gebliebene Täter das Fahrrad
der Beklagten umgeworfen und dadurch Schäden an seinem Auto verursacht hätten.
Auf die Strafanzeige wird verwiesen (Bl. 34ff.).
Der Kläger behauptet, dass er Eigentümer des von ihm abgestellten Fahrzeugs sei. Das
Fahrrad der Beklagten sei gegen sein Kraftfahrzeug gefallen und habe dort einen
Schaden in Höhe von 726,01 Euro verursacht. Er “bestreitet”, dass das Fahrrad der
Beklagten mit einem stabilen Fahrradständer ausgestattet war, der einen sicheren
Stand des Rades gewährleistet und damit ein Umfallen des Rades verhindert.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 726,01 Euro nebst 5 % Zinsen seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823
Abs. 1 BGB wegen eines Schadens an dem Kraftfahrzeug mit dem amtlichen
Kennzeichen B-… in Höhe von 726,01 Euro.
Ein Anspruch scheidet bereits aus, weil der Kläger keinen Beweis dafür angeboten hat,
dass er Eigentümer des Fahrzeuges ist. Der Verweis auf die Akte der Amtsanwaltschaft
reicht nicht aus. Die Akte enthält schon keine Angaben über den Eigentümer, da die
Polizei lediglich Angaben zum Halter gemacht hat, dieser aber nicht mit dem
Eigentümer identisch sein muss. Zudem entfaltet der Inhalt von polizeilichen
Ermittlungsakten keine Beweiskraft dafür, dass die dortigen Angaben zutreffend sind.
Nach § 415 Abs. 1 ZPO entfalten nur öffentliche Urkunden Beweiskraft dafür, dass
Erklärungen, die Rechtswirkungen erzeugen, richtig wiedergegeben sind.
Ermittlungskaten sind keine öffentlichen Urkunden. Öffentliche Urkunden sind nur die
von öffentlich bestellten Personen (Notare, Konsularbeamte usw) erstellten Zeugnisse
10
11
12
13
14
15
16
17
von öffentlich bestellten Personen (Notare, Konsularbeamte usw) erstellten Zeugnisse
über Erklärungen Dritter, über behördlicher Erklärungen und Entscheidungen und über
Wahrnehmungen (vgl. Zöller, ZPO, 25. Auflage 2006, vor § 415 Rn. 4). Das Verfahren
und die Zuständigkeit regelt das Beurkundungsgesetz (Zöller, aaO). In Ermittlungsakten
werden keine Erklärungen in einer vom Beurkundungsgesetz geregelten Weise
aufgenommen, Angaben sollen auch keine Rechtswirkungen erzeugen.
Die Beklagte hat auch keine Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Soweit der Kläger bestreitet, dass das Fahrrad mit einem sicheren Ständer ausgestattet
war, ist dies nicht ausreichend. Ihm obliegt es, die Tatsachen, aus denen die Verletzung
einer Verkehrssicherungspflicht folgen soll, konkret zu bezeichnen. Soweit er also die
Ursache in einem nicht ausreichenden Ständer sieht, hätte er dies im einzelnen
darlegen und hierfür Beweis anbieten müssen (vgl. hierzu auch AG Schöneberg, Urteil
vom 1.12.2004, 104a C 482/04). Dies hat er nicht getan, obwohl es ihm ohne weiteres
möglich war, nach dem Unfall festzustellen, ob der Fahrradständer nicht ausreichend
war, und entsprechende Beweise zu sichern. Im Übrigen lagen bereits nach seiner
eigenen Einschätzung nach dem Unfall keine Anhaltspunkte für einen nicht
ausreichenden Fahrradständer vor, da er bei der Polizei angeben hat, dass unbekannt
gebliebene Täter das Fahrrad umgeworfen hätten.
Die Beklagte hat auch nicht dadurch eine Pflicht verletzt, dass sie die Räder nicht nach
Gebrauch einsammelt bzw. dafür sorgt, dass die Räder nur an einen festen Gegenstand
angeschlossen werden, damit diese nicht umfallen und auch nicht von Dritten
umgeworfen werden können.
Derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, hat diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die
nach Lage der Dinge im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren und gemäß den
berechtigten Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs erforderlich und geeignet
sind, Gefahren von Dritten abzuwenden, deren Eintritt bei bestimmungsgemäßer oder
nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (BGH, NJW 1961, 455;
AG Schöneberg, Urteil vom 1.12.2004, 104a C 482/04). Je größer die Wahrscheinlichkeit
der Schädigung ist und je größter der drohende Schaden, desto höher ist das Maß des
Zumutbaren (BGH, NJW-RR 2005, 251, AG Schöneberg, aaO).
Von abgestellten Fahrrädern geht keine große Gefahr aus (vgl. AG Schöneberg, aaO).
Der mögliche Schaden an Rechtsgütern Dritter ist gering. Die bloße Möglichkeit, dass ein
Dritter mit einem abgestellten Fahrrad fremdes Eigentum verletzt, liegt nicht so nahe,
dass es jedem Fahrradfahrer zuzumuten wäre, sich jeweils eine Möglichkeit zu suchen,
sein Fahrrad anzuschließen (vgl. AG Schöneberg, aaO).
Es gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil die Beklagte Fahrräder gewerbsmäßig mit
der Maßgabe verleiht, dass ihre Kunden die Fahrräder an einem Ort abstellen, an dem
diese dann regelmäßig stehen, bis der nächste Kunde eines entleiht. Naturgemäß
ändert sich hierdurch die Gefahr nicht, die von dem einzelnen Fahrrad ausgeht. Es ist
auch nicht ersichtlich, dass Kunden der Beklagten weniger in der Lage sind, Fahrräder
ordnungsgemäß abzustellen, als dies bei einem durchschnittlichen Fahrradfahrer der Fall
ist.
Ohne Bedeutung ist, inwieweit ein Kraftfahrzeughalter dafür Sorge zu tragen hat, dass
sein Fahrzeug gegen ein Wegrollen ausreichend gesichert ist, da das Wegrollen eines
abgestellten Kraftfahrzeuges um ein vielfaches gefährlicher ist als das Umfallen eines
nicht angeschlossenen Fahrrad.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum