Urteil des AG Lichtenberg vom 16.08.2007

AG Lichtenberg: echter vertrag zugunsten dritter, treu und glauben, rücknahme der klage, mietvertrag, rückzahlung, vollstreckung, bestandteil, versendung, zugang, verschulden

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Gericht:
AG Lichtenberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 C 238/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 133 BGB, § 157 BGB, § 280
BGB, § 249 BGB, § 305c BGB
Wohnraummietvertrag: Bezugnahme auf den Fördervertrag des
Vermieters mit einer Investitionsbank über öffentliche Mittel für
die Wohnungsinstandsetzung; Unterrichtungspflicht des
Vermieters über Voraussetzungen einer Mietreduzierung
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 806,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 800,48 € seit dem 16.8.2007 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Kläger in
Höhe des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zzgl.
10% leisten.
Tatbestand
Zwischen den Klägern und der Beklagten besteht aufgrund des Vertrages vom 5.
November 2005 ein Mietverhältnis über eine auf dem Grundstück … gelegene Wohnung.
Die Wohnfläche beträgt 78,06 m
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. Das Mietverhältnis begann am 15. November 2005
und endete nach Kündigung der Kläger am 31. Juli 2007.
Die vertraglich vereinbarte Miete betrug nach § 3 Ziffer 1 des Mietvertrages 549,54 €
(Nettokaltmiete: 377,81 €; Betriebskostenvorauszahlungen: 93,67 €;
Heizkostenvorauszahlungen: 78,06 €). Die Anlage zum Mietvertrag enthält den Hinweis,
dass nahezu die gesamte Wohnanlage mit öffentlichen Mitteln nach dem Programm „
“ im Programmjahr 2001 gefördert wurde und für
im einzelnen näher bezeichnete Kriterien (Zulässigkeit von Mieterhöhungen;
Kündigungsrechte des Vermieters usw.) eine Bindung aufgrund eines mit dem Land
Berlin geschlossenen Fördervertrages bestehe.
Unter dem Stichwort „Nettokaltmiete“ enthält die Anlage folgende Zusatzbemerkung:
Der von der Beklagten tatsächlich mit der Investitionsbank Berlin (nicht mit dem Land
Berlin) geschlossene Fördervertrag schreibt in § 7 b Abs. 1 des Fördervertrages vor, dass
ein Mieter, der die Einkommensvoraussetzungen nach den §§ 25 bis 25d Zweites
Wohnungsbaugesetz erfüllt, keine höhere als die Durchschnittsmiete des geförderten
sozialen Wohnungsbaus bei städtischen Wohnungsbauunternehmen zahlen soll. Nach
Absatz 2 Satz 1 dieser Bestimmung hat der Eigentümer die Mieter, sofern die nach §§ 7
und 7 a verlangte Miete die einkommensabhängige Miete übersteigt, über die
Möglichkeit nach Absatz 1 zu unterrichten.
Zwischen den Parteien ist unstreitig geblieben, dass die vorgenannten
Einkommensvoraussetzungen bei den Klägern während der Dauer des Mietverhältnisses
vorlagen und dass die Beklagte somit aufgrund der im Fördervertrag getroffenen
Vereinbarungen nicht berechtigt war, von den Klägern für den Zeitraum vom 15.
November 2005 bis 31. März 2006 eine höhere Nettokaltmiete als 4,00 €/ m
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, im
Zeitraum vom 1. April 2006 bis 31. März 2007 eine höhere Nettokaltmiete als 4,13 €/ m
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, und ab dem 1. April 2007 eine höhere Nettokaltmiete als 4,25 €/ m
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zu verlangen.
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Rückzahlung von Miete in Anspruch mit der
Begründung, der zwischen der Beklagten und der Investitionsbank getroffene Vertrag
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Begründung, der zwischen der Beklagten und der Investitionsbank getroffene Vertrag
entfalte Wirkungen zu ihren Gunsten. Folglich seien im Zeitraum von 15. November bis
31. März 2006 monatlich 65,57 €, im Zeitraum vom 1. April 2006 bis 31. März 2007
monatlich 55,42 € und im Zeitraum ab dem 1. April 2007 monatlich 46,05 € zu viel
gezahlt worden. Für den Zeitraum vom 15. November 2005 bis 31. März 2006 ergebe
sich eine Überzahlung in Höhe von 295,06 € (4,5 x 65,47 €) und für den Zeitraum vom 1.
April 2006 bis 31. März 2007 eine Überzahlung in Höhe von 665,07 € (12 x 54,42 €).
Die Kläger beantragen nach teilweise Rücknahme der Klage,
die Beklagte zur Zahlung von 806,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 800,48 € seit dem 16.8.2007 zu
verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der von ihr mit der Investitionsbank Berlin geschlossene Vertrag entfalte keine
Wirkungen zugunsten der Kläger, weshalb diese nicht berechtigt seien, die angeblich
überzahlte Miete zurückzuverlangen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
1.
Den Klägern steht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der im
Zeitraum von 1. Januar 2006 bis 31. März 2007 überzahlten Miete in Höhe der
Klageforderung zu.
Die Beklagte hat – ohne dass insoweit ein Rechtsgrund bestanden hätte – in dem
vorgenannten Zeitraum eine überhöhte Miete verlangt, obwohl sie aufgrund des mit der
Investitionsbank Berlin geschlossenen Fördervertrages und aufgrund der
Einkommensverhältnisse der Kläger lediglich eine herabgesetzte Miete hätte verlangen
dürfen. Dabei kann es im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob der mit der Investitionsbank
Berlin geschlossene Fördervertrag ein echter Vertrag zugunsten Dritter ist. Schon die
Anlage zum Mietvertrag vom 6. November 2005 nimmt ausdrücklich auf diesen
Fördervertrag Bezug und weist ausdrücklich darauf hin, dass die Rechte der Beklagten
zur Erhöhung der Miete nach §§ 558, 559 ff BGB eingeschränkt sind und die
Kündigungsrechte des Vermieters teilweise ausgeschlossen sind. Diese Regelungen des
Fördervertrages sind durch die Bezugnahme Bestandteil des zwischen den Parteien
geschlossenen Vertrages geworden. Entsprechendes gilt, soweit die Anlage zum
Mietvertrag unter Bezugnahme auf die Fördervereinbarung Angaben zur Nettokaltmiete
enthält. Die Anlage bestimmt ausdrücklich, dass sich die Nettokaltmiete aus dem
Fördervertrag ergibt. Allein aufgrund der in der Anlage enthaltenen Verweisung auf den
Fördervertrag war die Beklagte daher zur Herabsetzung der Miete verpflichtet, sofern die
Einkommensverhältnisses der Mieter eine Herabsetzung des Mietzinses rechtfertigen.
Darauf, ob der Fördervertrag im Hinblick auf die geschuldete Nettokaltmiete selbst
Drittwirkungen entfaltet, kommt es daher schon nicht mehr an.
Verträge sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie
nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Ist
die Erklärung – wie hier – Bestandteil einer vom Verwender vorformulierten Erklärung,
gehen Zweifel bei der Auslegung nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
Die Erklärung, wonach sich die Nettokaltmiete aus dem Fördervertrag mit dem „Land
Berlin“ ergibt, ist dahingehend zu verstehen, dass damit auch etwaige vom Beklagten
als Vermieter aufgrund der Einkommensverhältnisse der Kläger zu gewährende
Mietnachlässe erfasst sind. Es soll nur diejenige Nettokaltmiete zu zahlen sein, die die
Beklagte aufgrund des Fördervertrages zulässigerweise verlangen darf. Ohne Erfolg
macht die Beklagte insoweit geltend, die Klausel habe lediglich die Höhe der
Nettokaltmiete bei Vertragsbeginn erläutern sollen. Dass sich die Erklärungen in der
Anlage zum Mietvertrag ausschließlich auf die Anfangsmiete beschränken sollen, lässt
sich insbesondere dem Satz 1 gerade nicht entnehmen. Sofern dies von der Beklagten
beabsichtigt gewesen sein sollte, ist dies unbeachtlich, denn nach § 305 c Abs. 2 BGB
gehen Zweifel bei der Auslegung einer Erklärung zu Lasten der Beklagten als Verwender
der Klausel.
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Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte schließlich darauf, der Fördervertrag verpflichte sie
lediglich für den Fall der Vorlage einer Bescheinigung nach § 5 WoBindG dazu, eine
reduzierte Miete verlangen zu dürfen. Nach § 7b Abs. 2 Satz 1 BGB ist die Beklagte zur
entsprechenden Unterrichtung ihrer Mieter und damit auch der Kläger verpflichtet
gewesen. Aufgrund der Einbeziehung des Fördervertrages in den Mietvertrag bestand
eine Unterrichtungspflicht auch im Verhältnis zu den Klägern. Die Verletzung dieser
Pflicht führt im Ergebnis dazu, dass sich die Beklagte auf die fehlende Vorlage einer
Bescheinigung gegenüber den Klägern nicht berufen darf (§§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1
BGB); dies gilt auch, sofern eine von ihr mit der Abwicklung des Mietvertrages betraute
Hausverwaltung diese Informationspflichten verletzt hat, denn das Verschulden ihrer
Erfüllungsgehilfen muss sich die Beklagte unmittelbar zurechnen lassen (§ 278 BGB).
Die Kläger können folglich die im Zeitraum vom 15. November 2005 bis 31. März 2006
(4,5 x 65,57 = 295,06 €) und im Zeitraum vom 1. April 2006 bis 31. März 2007 (12 x
55,42 € = 665,04 €) überzahlte Miete zurückverlangen. Für diesen Zeitraum besteht
somit insgesamt ein Zahlungsanspruch in Höhe von 960,10 €. Da die Kläger hiervon
einen Teilbetrag in Abzug gebracht haben, der auf die Forderungen für die Monate
November 2005 bis Januar 2006 anzurechnen war, verbleibt ein von der Beklagten zu
zahlender Restbetrag in Höhe der Klageforderung.
2.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 280 Abs. 1, 288 Abs. 1, 247 BGB, §§ 92 Abs. 2
Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Soweit die Beklagte den Zugang des Mahnschreibens
vom 23. Juli 2007 bestritten hat, ist dies unbeachtlich, nachdem die Kläger den Bericht
über die Versendung des Faxschreibens (Bl. 39 der Gerichtsakte) zur Akte gereicht
haben
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