Urteil des AG Lichtenberg vom 13.03.2017

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Gericht:
AG Lichtenberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 C 377/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 313 BGB, § 535 Abs 2 BGB, §
536 Abs 1 S 1 BGB, § 558 BGB,
§ 558a BGB
Wohnraummiete: Bindung des Grundstückserwerbers an
unzutreffende Wohnflächenangabe im Mietvertrag
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe
des 1,1-fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Mit Vertrag vom 22. Mai 1998 mietete die Beklagte die im Hause … gelegene Wohnung.
In der Mietvertragsurkunde ist die Wohnfläche mit 28,50 m² angegeben. Die monatliche
Nettokaltmiete wurde mit 151,05 DM (= 77,23 €), der monatliche
Betriebskostenvorschuss mit 55,00 DM (= 28,12 €) vereinbart. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift (Bl. 11-14 d.A.)
verwiesen.
Nunmehr sind die Kläger Eigentümer des Grundstücks ….
Mit Schreiben vom 20. März 2007 (Anlage K5 zur Klageschrift, Bl. 12 d.A.) forderten die
Kläger die Beklagte auf, ab dem 01. April 2007 eine um 23,14 € erhöhte Nettokaltmiete
zu zahlen, weil die Wohnfläche der von ihr angemieteten Wohnung angeblich 37,04 m²
betrage. Unter dem 26. Juni 2007 verlangte der Prozessbevollmächtigte der Kläger von
der Beklagten, einer Mieterhöhung um monatlich 23,14 € mit Wirkung ab dem 01. April
2007 zuzustimmen. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die von den
Klägern als Anlage K6 zur Klageschrift (Bl. 19f d.A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 01. Februar 2008 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die
Beklagte unter Hinweis auf den Berliner Mietspiegel und ausgehend von einer
angeblichen Wohnfläche von 37,04 m² auf, einer Erhöhung der Miete auf 102,60 € mit
Wirkung ab dem 01. April 2008 zuzustimmen. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens
wird auf die Anlage K9 (Bl. 45f d.A.) verwiesen.
Die Kläger beantragen, wie folgt zu erkennen:
1. Die Beklagte wird zur Zahlung folgender Beträge verurteilt
von 23,14 € ab dem 04. April 2007,
von 23,14 € ab dem 03. Mai 2007,
von 23,14 € ab dem 04. Juni 2007,
von 23,14 € ab dem 04. Juli 2007,
von 23,14 € ab dem 23. August 2007,
von 23,14 € ab dem 04. September 2007,
von 23,14 € ab dem 03. Oktober 2007,
von 23,14 € ab dem 05. November 2007,
von 23,14 € ab dem 04. Dezember 2007,
von 23,14 € ab dem 04. Januar 2008,
von 23,14 € ab dem 04. Februar 2008,
von 23,14 € ab dem 04. März 2008,
jeweils nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Verzugszeitpunkt.
2. Die Beklagte wird verurteilt, ab dem jeweils dritten Werktag eines Monats ab Mai
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2. Die Beklagte wird verurteilt, ab dem jeweils dritten Werktag eines Monats ab Mai
2008 einen monatliche Mietdifferenz von 23,14 € zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von
102,82 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der
EZB seit dem 17. November 2007 zu zahlen.
Hilfsweise beantragen die Kläger, wie folgt zu erkennen:
Die Beklagte wird verurteilt, einer Erhöhung ihrer monatlichen Miete auf 102,60 € ab
dem 01. April 2008 für die … gelegene Wohnung zuzustimmen,
hilfsweise der Mieterhöhung von 92,40 € zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist hinsichtlich der Hilfsanträge unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Antrag zu 1)
Der Antrag ist auch insoweit zulässig, wie die Kläger eine künftige Leistung geltend
machen. Weil sie einen entsprechenden Anspruch der Kläger bestreitet, ist zu besorgen
im Sinne von § 259 ZPO, dass die Beklagte auch für die Zeit nach Schluss der
mündlichen Verhandlung nicht ohne Weiteres den seitens der Kläger geforderten
Erhöhungsbetrag von monatlich 23,14 € leisten wird.
Die Kläger können von der Beklagten nicht nach § 535 Abs. 2 BGB Zahlung von jeweils
monatlich 23,14 € für die Monate April 2007 bis März 2008 verlangen.
Die von der Beklagten geschuldete monatliche Miete beträgt unverändert 77,23 €
nettokalt zuzüglich Betriebskostenvorschuss von 28,12 €.
Es kann dahinstehen, ob die Wohnfläche tatsächlich – wie von den Klägern vorgetragen –
um 8,54 m² größer ist als im Mietvertrag angegeben. Zu Unrecht gehen die Kläger
davon aus, dass eine derartige Flächenabweichung allein zu einem Anspruch auf eine
entsprechend höhere Miete führen würde.
Eine dahingehende Anpassung des Mietvertrages ergibt sich nicht aus § 313 Abs. 1 u. 2
BGB. Die Anpassung eines Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage setzt
voraus, dass einem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das
Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Hier ist den
Klägern jedoch das Festhalten am unveränderten Vertrag – jedenfalls zunächst -
zuzumuten. Die zuverlässige Ermittlung der tatsächlichen Wohngröße vor Abschluss des
Mietvertrages ist grundsätzlich die Aufgabe des Vermieters (BGH NJW 2004, 3115f). Er
hat deshalb das Risiko einer unzutreffenden Wohnflächenangabe im Mietvertrag zu
tragen (BGH a.a.O.). Anders als der Vermieter hat nämlich der Mieter vor Abschluss des
Mietvertrages in der Regel nicht die Möglichkeit, die genaue Wohnfläche zuverlässig zu
ermitteln. Das Festhalten am Vertrag ist den Klägern insbesondere auch deshalb
zuzumuten, weil ihnen weiterhin die Möglichkeit bleibt, nach §§ 558ff BGB eine Erhöhung
der Miete zu erreichen. Im Rahmen einer solchen Mieterhöhung wäre dann nämlich ggf.
auch auf die größere tatsächliche Wohnfläche abzustellen. Dies hat der
Bundesgerichtshof in seinem von den Klägern zitierten Urteil vom 23. Mai 2007 – VIII ZR
138/06 – (NJW 2007, 2626f) entschieden. Es sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass
der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung entgegen der Ansicht der Kläger
gerade nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass schon allein die Wohnflächendifferenz als
solche zu einer erhöhten Miete führe.
Es spielt keine Rolle, dass die Kläger selbst am Vertragsabschluss nicht beteiligt waren,
weil sie erst zwischenzeitlich Eigentümer des Grundstücks geworden sind. Wenn der
Erwerber vermieteten Wohnraums nach § 566 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eintritt,
muss die oben beschriebene Risikoverteilung auch im Verhältnis zwischen dem Mieter
und dem Erwerber unverändert fortbestehen. Der Erwerber kann sich insoweit nicht in
einer besseren Position befinden als der Veräußernde. Andernfalls würde der von § 566
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einer besseren Position befinden als der Veräußernde. Andernfalls würde der von § 566
BGB verfolgte Zweck, den Inhalt des Mietvertrages bei Veräußerung der Mietsache
unberührt zu lassen, verfehlt.
Ohne Erfolg berufen sich die Kläger schließlich noch auf das Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 22. Februar 2006 – VIII ZR 219/04 – (NJW-RR 2006, 801f). Dort
ging es um die Frage, ob bei Unterschreiten der vereinbarten Wohnfläche ein Mangel im
Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt. Hier machen die Kläger aber gerade den
umgekehrten Fall geltend. Der tatsächliche Zustand der Mietsache soll nicht zum
Nachteil, sondern zum Vorteil des Mieters vom vertraglich vereinbarten Zustand
abweichen. Für eine derartige Konstellation gibt es keine spezielle mietrechtliche
Regelung, so dass nur auf die allgemeine Vorschrift des § 313 BGB zurückgegriffen
werden könnte (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 67. Auf., § 536 Rn 13). Diese Norm kann
den Klägern hier aber nach dem oben Gesagten nicht zum Erfolg verhelfen.
Antrag zu 2)
Der Antrag zu 2) ist zulässig aber unbegründet. Insofern wird zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Antrag zu 3)
Die Beklagte ist nicht nach §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286 BGB verpflichtet, an die Kläger
vorgerichtliche Kosten in Höhe von 102,82 € zu zahlen. Weil die Beklagte den Klägern
nicht die Zahlung einer höheren Miete schuldet, kann sie sich insoweit auch nicht in
Verzug befinden.
Hilfsantrag
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im Antrag, die Beklagte zu verurteilen, einer
Mieterhöhung auf 102,60 € zuzustimmen, zugleich das Begehren enthalten ist, die
Beklagte gegebenenfalls in geringerem Umfang zur Zustimmung zu verurteilen. Eines
gesonderten Antrages bedurfte es insoweit nicht.
Hinsichtlich des Hilfsantrages ist die Klage jedenfalls deshalb unzulässig, weil die der
Beklagten zustehende Überlegungsfrist des § 558b Abs. 2 S. 1 BGB noch nicht
abgelaufen ist. Der Ablauf der genannten Frist ist Prozessvoraussetzung für die Klage
auf Zustimmung zur Mieterhöhung (BGH NZM 2004, 581f; Schmidt-
Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 558b Rn 80). Die Überlegungsfrist läuft hier
frühestens am 30. April 2008 ab. Ob das Schreiben vom 01. Februar 2008 den
Anforderungen des § 558a BGB genügt und damit überhaupt geeignet ist, die
Überlegungsfrist in Gang zu setzen, kann deshalb dahinstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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