Urteil des AG Leverkusen vom 14.02.2002

AG Leverkusen: gerichtliche trennung, wirkungen der ehe, örtliche zuständigkeit, lex fori, rechtskräftiges urteil, verordnung, erlöschen, auflösung, vollstreckung, anerkennung

Amtsgericht Leverkusen, 34 F 134/01
Datum:
14.02.2002
Gericht:
Amtsgericht Leverkusen
Spruchkörper:
Abteilung 34
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
34 F 134/01
Tenor:
Das Erlöschen der bürgerlich-rechtlichen Wirkungen der zwischen den
Parteien am 16.8.1976 geschlossenen und beim Standesamt D/Italien
unter der Heiratsregister-Nr. 153 Il A eingetragenen Ehe der Parteien
wird ausgesprochen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
TATBESTAND
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Die Parteien sind italienische Staatsbürger, welche am 16.8.1976 in Italien geheiratet
hatten. 1988 haben sich die Eheleute getrennt. Durch Urteil des Landgerichts Neapel
vorn 15. 10.1991 ist die gerichtliche Trennung der Parteien von Tisch und Bett
ausgesprochen worden. Die Parteien waren am 1.10.1990 erstmals vor dem
Landgericht Neapel erschienen. Nach dem Trennungsurteil haben die Eheleute nicht
wieder zusammengelebt. Die Antragstellerin ist in Italien geblieben, während der
Antragsgegner in Deutschland lebt. Beide Parteien lehnen eine Versöhnung und die
Wiederaufnahme der Ehe ab. Aus der Ehe sind zwei inzwischen volljährige Kinder
hervorgegangen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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das Erlöschen der bürgerlich-rechtlichen Wirkungen der zwischen den Parteien am
16.8.1976 geschlossenen und beim Standesamt D/Italien unter der Heiratsregister-
Nr. 153 II A eingetragenen Ehe der Parteien auszusprechen.
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Der Antragsgegner hat den gleichen Antrag gestellt und zugestimmt.
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
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Der vorliegende Antrag ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts
folgt aus § 606 Abs. 2 Satz 2 ZPO, da der Antragsgegner im Bezirk des Amtsgerichts
Leverkusen lebt. Das Familiengericht Leverkusen ist nach § 606a Abs. 1 Ziff. 4 ZPO
auch international zuständig. Der Antragsgegner hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland. Im Hinblick auf die EU-Verordnung Nr. 1347/2000 über die Zuständigkeit
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und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen ist nicht zu
erwarten, dass die Republik Italien die hier getroffene Entscheidung nicht anerkennt.
Nach Art. 14 der EU-Verordnung Nr. 1347/2000 werden Eheurteile aus einem
Mitgliedsstaat in allen anderen Mitgliedsstaaten ohne weitere Prüfung anerkannt. Dies
gilt für Entscheidungen zur Ehetrennung oder zur Feststellung der Ungültigkeit einer
Ehe in gleicher Weise. Die EU-Verordnung Nr. 1347/2000 über die Zuständigkeit und
die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in
Verfahren betreuend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder und
Ehegatten vom 29.5.2000 ist am 1.3.2001 in Kraft getreten und unmittelbar geltendes
Recht. Mitgliedsstaaten im Sinne der Verordnung sind alle Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union mit Ausnahme von Dänemark. Nur dort findet die Verordnung Nr.
1347/2000 keine Anwendung. Zu den Mitgliedsstaaten zählen Belgien, Deutschland,
Finnland, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg,
Niederlande, Osterreich, Portugal, Schweden und Spanien. Ein Eheurteil aus einem
dieser Staaten ist grundsätzlich automatisch anzuerkennen. Auch wenn in Art. 22 der
Verordnung einige wenige sehr eng begrenzte Ausnahmen vorgesehen sind, ändert
dies an der internationalen Zuständigkeit nach § 606a Abs. 1 Ziff. 4 ZPO nichts. Für die
Anwendung dieser Vorschrift genügt die angesprochene generelle
Anerkennungswahrscheinlichkeit.
Die zur Entscheidung gestellten Anträge sind auch sachlich berechtigt. Auf die
beantragte Entscheidung findet gemäß Art. 17 Abs. 1, 14 Abs. 1 EGBGB italienisches
Recht Anwendung, weil die Parteien beide italienische Staatsbürger sind. Die
Voraussetzungen des italienischen Rechts sind in Art. 1, 3 Ziff. 2 Abs. b des
italienischen Scheidungsgesetzes Nr. 898 vom 1.12.1970, neugefaßt durch Gesetz Nr.
74 vom 6.3.1987 niedergelegt. Danach spricht der Richter die Auflösung der nach den
Vorschriften des Zivilgesetzbuches geschlossenen Ehe aus, wenn er nach einem
gescheiterten Versöhnungsversuch feststellt, dass die geistige und materielle
Gemeinschaft der Ehegatten wegen des Vorliegens einer der in Art. 3 vorgesehenen
Gründe nicht mehr aufrechterhalten und wiederhergestellt werden kann. Dort ist u.a.
vorgesehen, dass die Auflösung oder das Erlöschen der bürgerlichrechtlichen
Wirkungen der Ehe von einem Ehegatten beantragt werden kann, in den Fällen, in
denen eine gerichtliche Trennung zwischen den Ehegatten durch rechtskräftiges Urteil
ausgesprochen wurde. Mit diesen rechtlichen Vorgaben sind die beiderseitigen Anträge
begründet. Die Parteien leben seit mehr als 10 Jahren getrennt. Schon damit ist
ersichtlich, dass die Gemeinschaft der Eheleute nicht mehr aufrechterhalten und
wiederhergestellt werden kann. Hinzu kommt, dass beide Eheleute eine Versöhnung
unmißverständlich ablehnen. Überdies ist durch gerichtliche Entscheidung des
Landgerichts Neapel vom 15.10.1991 bereits die Trennung der Ehe ausgesprochen
worden. Seitdem haben die Parteien nicht mehr zusammengelebt. Alles dies rechtfertigt
die eingangsformulierte Schlußfolgerung. Die dreijährige Wartezeit vor dem Anspruch
des Erlöschens der bürgerlichrechtlichen Ehewirkungen war zudem bereits 1993
abgelaufen. Die Zerrüttungsvorausetzungen einer Ehescheidung nach italienischem
Recht sind damit gegeben. Auch wenn für diese Entscheidung nach dem Grundsatz der
lex fori nur das in Deutschland bestehende Verfahrensrecht angewendet worden ist,
sind die Besonderheiten des italienischen Verfahrensrechts gewahrt. Nach Art. 4 Nr. 13
des Scheidungsgesetzes von 1987 ist es den Ehegatten möglich, wie hier einen
gemeinsamen Antrag zu stellen. Die nach italienischen Recht dem Staatsanwalt
auferlegten Aufgaben werden durch das erkennende Familiengericht mit erfüllt. Der
Scheidungsgrund war durch die Vorlage entsprechender Urkunden nachgewiesen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 93a ZPO.
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